Umgeben von hohen Ahornbäumen wirkt das graue kastenförmige Gebäude an der Hans-Böckler-Straße unscheinbar. Jahre zuvor wurde dort noch beim örtlichen „Schlecker“ eingekauft. Doch nach der großen Pleite der Drogeriemarktkette wurde Profit zu Non-profit. Ein Verein übernahm 2014 die Örtlichkeit: Zusammenarbeit mit Osteuropa e.V. (ZMO). Eine Institution, die in Mainz mit einem ganzjährigen Angebot von osteuropäischer Kunst und Kultur zum kulturellen Austausch einlädt. Seit vier Jahren gehört das Kulturzentrum schon zu Bretzenheim. Davor war das ZMO zwölf Jahre lang in der Mombacher Straße beheimatet. Weiter zurück reicht nur die Vereinshistorie, die in den frühen 70er Jahren ihren Ursprung findet.
Politische Gründe, kulturelle Folgen
Im Zuge der Annährungspolitik von Willy Brandt (1968) wurde die Institution 1971, damals noch als Interessensgemeinschaft, unter dem Namen „Zentralverband der Mittel- und Ostdeutschen“ ins Leben gerufen. Der Verband verstand sich als Integrationsverein für all jene, die aus dem Osten kamen und hierzulande Beratung, Unterstützung und Freunde suchten. Mit dem Mauerfall 1989 und den damit einhergehenden offenen Grenzen wurde eine Namensänderung vorgenommen. Aus „Zentralverband der Mittel- und Ostdeutschen“ wurde „Zusammenarbeit mit Osteuropa“. Der Regionalverband Mainz ist Teil des ZMO Landesverbandes Rheinland- Pfalz und der wiederum Teil des ZMO Bundesverbandes. Heute versteht sich der Verein immer noch als wichtige Stütze in der Integrationsarbeit. Dabei hebt sich das ZMO Mainz von anderen ZMO Landesverbänden ab. Denn nur in Mainz hat man ein Gemeinschaftszentrum, in dem Menschen auch zusammenkommen und etwas stattfindet. Der Fokus liegt vermehrt auf osteuropäischen Kulturkreisen, Russland, Polen, die Ukraine. Die rührige Vereinsvorsitzende Jutta Hager betont, dass es im Zusammenhang der Integration immer auf einen Arbeitsansatz ankommt. Denn der Integrationsgedanke beinhaltet kein „Entweder … oder“, kein Leben in Heimat oder Fremde, die getrennt voneinander zu sehen sind. Vielmehr ist es ein „Sowohl … als auch“, ein Weg der Synergie, der zeigt, dass alte Heimat und neue Fremde vereinbar sind. Deshalb sei das ZMO eben auch ein Kulturzentrum. Und deshalb auch die Idee mit einem auf Spenden basierenden Secondhand-Laden, in dem sich jeder Kleidung holen kann. Die Vereinigung von materiellem und kulturellem Austausch als Integrationskonzept.
Neuer Standort Bretzenheim
Seit dem Umzug des ZMO aus der Mombacher Straße in die Karl-Zörgiebel-Straße in Bretzenheim ist das Zentrum gewachsen und die allgemeinen Umstände sind idealer geworden. So ist das ZMO fußläufig von der Flüchtlingsunterkunft in der Alten Ziegelei zu erreichen. Zudem besteht das Team mittlerweile aus rund 40 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Von Jung bis Alt arbeiten Menschen unterschiedlicher Herkunft an der Umsetzung und Erweiterung. Im großen Veranstaltungsraum finden das ganze Jahr über Kunst- Ausstellungen, Konzerte sowie Lesungen statt: im April die Werke von Kamen Kissimov, einem bulgarischen Maler, dessen Bilder sich mit dem Thema Vergänglichkeit befassen und der Mal- und Zeichenunterricht an der VHS und in Bodenheim anbietet. Alexandre Bytchkov spielt mit seinem Akkordeon des Öfteren Konzerte. Den St. Petersburger konnte man bereits mehrfach im Fernsehen und Hörfunk (3sat, Sat, hr) verfolgen. Neben dem Veranstaltungsraum bietet der hauseigene Secondhand-Laden für wenige Münzen Kleidung und trägt so maßgeblich zur Finanzierung des Vereins bei. Vereinsvorsitzende Jutta Hager spricht von einem „Wandel materieller Spenden der Leute in Kultur“. Wenn Leute zunächst nur zum Erstehen von Kleidern vorbeischauen, so kommen sie doch in Kontakt mit der ausgestellten Kunst oder stolpern zufällig über das Kulturprogramm. Seit Kurzem gibt es auch einen neuen „Buchstabensalon“: ein kleiner Buchladen, der einen wahren Schatz an Büchern von klassischer bis moderner Literatur offenbart. Bei einer Tasse Kaffee und auf weichen antiken Sesseln gebettet, lädt er zum Stöbern ein. Viele weitere Termine sind auf der Homepage zu finden.
Text Peter Martin Fotos Katharina Dubno
ZMO-Termine im September:
7.9.- 7.10. Ausstellung: „Farbexplosionen“ von Marion Sommerschuh
15.9. Konzert: Operette, Chanson und russische Romanze! Mit Anna Toneeva und Alexander Kleonov
22.9. Konzert: Nariman Hodjati und seine Band (Iran)
29.9.– 13.10. Ausstellung: „Lebenskunst“-Projekt, Schüler von L. Rabinovich stellen aus