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So wohnt Mainz: Das bunte Hochhaus am Lerchenberg

Die Künstlerin Karola Habet lebt auf dem Lerchenberg im zwanzigsten Stockwerk eines der beiden Hochhäuser.

Neben der Wohnungstür hängt ein Gemälde, das an Chagall gemahnt. Zwischen den Türen zu den Nachbarwohnungen steht im Flur eine überlebensgroße Plastik mit Bezügen zu Picasso. Wenn man eingelassen wird, weiß man kaum, wo man zuerst den Blick hinwenden soll. Sind es die zahlreichen, farbenfrohen Bilder, die alle Wände bedecken, oder ist es der atemberaubende Blick aus dem Fenster?

Ihre Wohnung ist Lebensraum und Atelier zugleich. Doch bevor man sich der Gastgeberin zuwenden kann, will Kater Bitzel begrüßt werden. Habet ist erklärte Katzenfreundin und hat den vierjährigen Kater vor einem halben Jahr adoptiert, nachdem ihre alte Katze verstorben war. „Er hat sich mittlerweile gut eingewöhnt. Und er genießt die Aussicht vom Balkon.“ Der ist zur Sicherheit mit einem Netz verspannt, lässt aber freie Sicht – Rheinhessen liegt dem Betrachter zu Füßen. Vom Esstisch im Wohnzimmer schweift der Blick über grüne Felder in allen Schattierungen. Das dunklere Laub des Ober-Olmer Waldes ist greifbar nahe. In der Ferne verschwimmt die Silhouette der Frankfurter Skyline. Und der Himmel ist endlos weit.

Keine Höhenangst beim Malen

„Ich wollte eigentlich nie in einem Hochhaus leben“, gesteht Habet. Doch nun ist sie sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation. Nur der Atelierraum ist manchmal zu klein. „Wenn ich auf richtig große Formate will, kann ich das Atelier einer Freundin nutzen.“ Die immense Pinselgalerie auf dem Wandbord deutet darauf hin, dass das Habet´sche Studio sehr häufig genutzt wird. „Ich male jeden Tag“, erklärt sie. Auf den Staffeleien die Leinwände mit unterschiedliche Techniken, Aquarell, Kreide, meist Acryl „Ich bin ungeduldig“, bekennt die Malerin „Ölfarben brauchen so lange zum Trocknen.“ Oft arbeitet sie an mehreren Werken parallel Das größte Bild, das ich bisher gemalt habe war 2,80 x 3 Meter groß. Eine Auftragsarbeit, an der ich drei Wochen gearbeitet habe. Wenn ich Geld brauchte, hab ich auch schon mal kopiert.“ Das Gemälde von Klimt, „Der Kuss“ war eine solche Auftragskopie und auch das Bild neben dem Eingang ist der kleinere Entwurf zu einem Chagall. „Aber ich reproduziere niemals eins zu eins. Ich füge immer etwas Eigenes hinzu.“ Winzige, zart gestrichelte Figürchen zum Beispiel, die sich auf der Bildoberfläche tanzend bewegen. Und natürlich immer wieder Katzen.

Lieblingstier und Lieblingsfarben

Katzen tauchen in Habets Bildern immer wieder auf. Kleinformatige Bilder entstehen als „Gelegenheitsarbeiten zwischendurch“. Beispiele dafür hängen an den Wänden. „Die nimmt gerne mal einer mit“, lacht sie. „Da verdiene ich nicht viel dran, aber Kleinvieh macht auch Mist.“ Die ganze Wohnung ist private Galerie: Bilder im Flur, Bilder im Bad, Bilder auf der Toilette. Rot und Grün dominieren, auch das Interieur. Chagall ist Habets Lieblingsmaler, aber anders als dieser, dessen Farbpalette von Blau dominiert war, hat sie sich für die intensivsten Komplementärfarben entschieden. Aus den meisten ihrer Bilder leuchtet reine Lebensfreude. Bei den Motiven gibt es immer wieder Anklänge an den Stil von Chagall: magisch wirkende Figuren, Vögel, Symbole, ob gegenständlich oder abstrakt. Im Schlafzimmer hängt neben einer Radierung von Modesto Roldan, „bei ihm hatte ich in Belgien Unterricht“, eine von ihr interpretierte Frauenfigur, die aus dieser Zeit stammt. „Es ist das Letzte der Bilder aus dieser Phase. Das verkaufe ich nicht.“

Hoch hinaus

Geboren ist die fast 76-jährige in Bottrop, machte in Wiesbaden ihr Abitur, war später dort verheiratet. Zuvor studierte sie in Berlin. „Weil ich Geld verdienen musste, ging ich dann zum ZDF. Es hat mich immer wieder nach Mainz gezogen“, erzählt sie aus ihrem Leben. Malkurse, wie sie seinerzeit anbot, möchte sie gerne wieder veranstalten. „Mit einer kleinen Feldstaffelei in die Natur, höchstens vier Teilnehmer, die ich dann auch bekoche.“ Jeden Samstag hilft sie bei einem Imker auf dem Wochenmarkt, liebt die Kommunikation mit ihren Mitmenschen. „Meistens bin ich gut drauf“, lacht sie. Ihr Alter sieht man ihr kaum an, und ihre Zukunftspläne sind vielfältig und hochfliegend: „Zum Siebzigsten war ich Ballonfahren. Segelfliegen war ich auch schon.“ Paragliding ist ihr nächstes Ziel. Eins aber stellt sie klar: „Gemalt habe ich immer.“ Und das wird so bleiben.

karola@habet-art.de

Text Ulla Grall Fotos Frauke Bönsch