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Die GPE: Ein normales Leben führen

Text: Ulla Grall
Fotos: Elisa Biscotti

Was haben der GastHof Grün, das Hotel INNdependence, der Modeladen „Mollywood“, die Druckerei „druck+schicks“ sowie die CAP-Lebensmittelmärkte und der Bio-Supermarkt „natürlich“ gemeinsam? Sie alle und noch viel mehr Unternehmungen gehören zur Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen GmbH, kurz GPE. Nach der Psychiatrie-Reform der achtziger Jahre wurde die GPE vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und den Werkstätten für behinderte Menschen, Mainz (WfbM) gegründet. Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, denen das tägliche Leben mit regelmäßiger Arbeit und normaler Alltagsbewältigung schon große Probleme bereiten kann, bietet die GPE ein umfassendes „Programm“, das den Wiedereinstieg in das soziale Leben möglich macht.

Am Anfang: Die Werkstätten

Die GPE umfasst hauptsächlich zwei Bereiche: Die Werkstätten, heute ServiceCenter genannt und die Integrationsbetriebe. Die Werkstätten bieten ca. 280 beeinträchtigten Menschen niedrigschwellige Angebote, um eine Tätigkeit aufzunehmen und den Alltag zu meistern. Die Arbeitsgebiete reichen von einer Buchbinderei und Druckerei über Schreinerei und Schneiderei zu Textilpflege, Hausservice, Küchenarbeit und Fahrdienst. Hier wird hochwertige Arbeit geleistet. Das ServiceCenter bietet denn auch seine Dienste zu marktüblichen Preisen an. Spezialität sind individuelle Anfertigungen wie zum Beispiel passgenaue Möbel aus der Schreinerei für einen Kindergarten oder individuelle Einbände aus der Buchbinderei. Etliche Kanzleien und Anwälte lassen bei der GPE ihre Fachzeitschriften binden und für einen Münzsammler gestalten die Buchbinder edle Bücher mit goldgeprägten Lettern auf den Buchrücken. Ein Tipp, wenn Sie demnächst ein nettes Geschenk suchen: Im kleinen Laden in der ersten Etage des GPE-Gebäudes in der Galileo-Galilei-Straße 9a in Hechtsheim kann man schön gebundene Mappen, Alben, Notizbücher und Schachteln erwerben! Auch der GastHof Grün in der Neustadt gehört zum ServiceCenter: ein schönes Bistro mit Mittagstisch und ökologischem Touch, ein bisschen auch Café.
Joachim Storck, Geschäftsführer der GPE, von Haus aus Sozialkundelehrer und Schreinermeister, berichtet: „Ich hatte mir gewünscht, meine berufliche Tätigkeit mit sozialer Arbeit zu verbinden. Als vor 20 Jahren der paritätische Wohlfahrtsverband einen Handwerksmeister für den Aufbau der Werkstatt suchte, fand ich hier meine Lebensaufgabe.“ Storck sieht in jedem Menschen Chancen und Optionen, und seine Stärke ist es, die gegebenen Möglichkeiten – sowohl der Menschen als auch in den Institutionen – zu erkennen und zu nutzen. Am 26. August geht er, der die GPE über all die Jahre hinweg geprägt hat, in Rente. Seine Nachfolgerin, Claudia Meierjohann, übernimmt ein wohlbestelltes Haus, in dem insgesamt um die 800 Menschen tätig sind: fast 200 Mitarbeiter betreuen mehr als 600 psychisch Behinderte und Gehandicapte innerhalb der einzelnen Bereiche der GPE. Beinahe schon so etwas wie ein „kleiner Konzern“ also, bei dem jedoch immer die Hilfe Suchenden im Mittelpunkt stehen.

Integration ein Schritt weiter

Die Integrationsbetriebe waren das zweite Projekt, das von der GPE in Angriff genommen wurde. Storck: „Es gibt Menschen, die können und brauchen mehr als „nur“ die Tätigkeit in einer Werkstatt. Also mussten wir weitere Möglichkeiten der Beschäftigung anbieten.“ So kam 2001 das INNdependence Hotel in der Mainzer Oberstadt hinzu. Das Ganze funktioniert wie jedes andere Hotel und Restaurant auch: angenehme Zimmer, Räume für Tagungen und Festlichkeiten, Brunch, Mittagsbuffet … mit dem Unterschied, dass viele der Mitarbeiter Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sind. Der Gast bekommt das kaum mit, die angenehme, entspannte Atmosphäre bleibt im Gedächtnis.
Ebenfalls Integrationsbetrieb ist der Naturkostladen „natürlich“. Als alteingeführten Bioladen hatte die GPE ihn 1999 übernommen: Bio-Einkauf vom Feinsten in der Neustadt. Erst recht ein Einkaufserlebnis ist der Laden seit dem Umzug in die Josefsstraße im Mai 2010. Neben dem umfassenden Naturkostsortiment lädt auch ein Bistro zum Verweilen ein.
Auch die beiden CAP-Supermärkte in Weisenau und in Jugenheim gehören zur GPE. Die Idee dieses „sozialen Franchise“ im Lebensmitteleinzelhandel, mit bundesweit mehr als 100 Märkten, ist es, nicht nur Nahversorger zu sein, sondern vor allem Menschen mit Behinderungen Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten zu bieten (daher im Namen das „Cap“ – von „Handicap“). Der Slogan „CAP… der Lebensmittelpunkt“ zielt sowohl auf diese Mitarbeiter, als auch auf die Kunden.

Aufgabenbereiche greifen ineinander über

Edith Siesenop, wie Storck von Anfang an bei der GPE dabei, leitet mit CAP und Bioladen die „Handelsschiene“. Sie kommt ursprünglich aus einer anderen Richtung: Handwerksmeisterin, dann Zusatzausbildung in Sonderpädagogik und Sozialmanagement. „In den Handel bin ich reingewachsen, er ist aber nicht meine Hauptaufgabe. Den Handel vor Ort zu koordinieren ist Sache der Marktleiter-Teams“, berichtet sie. „Ihre Sache“ ist die Wirtschaftlichkeit: „Die Märkte müssen sich tragen, wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch.“ In Kooperation mit den anderen Geschäftsbereichen der GPE erfolgt die Einbindung und Betreuung der psychisch Behinderten. Diese Arbeit ist zeitaufwendig und komplexer als in vergleichbaren Unternehmen der Privatwirtschaft: „Während woanders die Stärkeren und Effizienteren gewinnen, unterstützen wir die Schwächeren. Natürlich gibt es auch Fachpersonal, aber ganz wichtig sind die Schulungen für alle Mitarbeiter. Die Menschen, die in den Läden zu arbeiten beginnen, kommen ja meistens aus ganz anderen Bereichen.“ Über den CAP-Markt in Jugenheim weiß sie: „Der Laden ist seit 2009 im Ort und wurde von der Bevölkerung wunderbar angenommen, der angebotene Mittagstisch (vom Metzger Harth) erfreut sich großer Beliebtheit.“
In Weisenau ist die Akzeptanz noch nicht ganz so hoch, obwohl der Markt hier schon seit 2005 besteht. Die Konkurrenz der Mitbewerber ist vor Ort hoch, aber die zentrale Lage, im Radweg 5, macht den Einkauf beim CAP grade für ältere Menschen zu einem attraktiven Nahversorger. Noch eine Besonderheit: der Liefer- und Bestellservice bringt Waren zweimal pro Woche ins Haus – der Fahrdienst der GPE macht’s möglich!

Neues Projekt: Café Forster im Naturhistorischen Museum

Wie man sieht, sind die einzelnen Aufgabenkreise zwar getrennt, greifen jedoch ineinander. Ein weiteres Bespiel dafür ist das allerneueste Projekt der GPE: das Café Forster, benannt nach dem Wissenschaftler und Forscher Georg Forster, im Naturhistorischen Museum Mainz. Die Museumsleitung kam auf die GPE zu und bot die Bewirtschaftung des neu einzurichtenden Museumscafés an, gegen Ende des Sommer 2011 wird die Eröffnung sein. Nicht nur Kaffee und Kuchen soll es geben, sondern auch, wie im Gasthof Grün, ein Frühstücksangebot und kleine Speisen. Hergestellt werden diese Gerichte vor allem in der Küche des INNdependence, und damit schließt sich wieder der Kreis.

Der Mensch im Mittelpunkt

Daneben existieren weitere Geschäftsbereiche, weniger sichtbar in der Außenwirkung, aber effektiv für den Hilfe Suchenden. Oft geht es darum, Hilfestellung zu bieten, damit bestehende Angebote auch genutzt werden können: Eine helfende Hand für den ersten Schritt, der für viele Menschen mit psychischer Behinderung alleine nicht zu bewältigen ist. Für jeden einzelnen, der die Hilfe der GPE in Anspruch nehmen möchte, wird ein Konzept erstellt, das auf seine individuelle Situation eingeht. Kern alles Handelns ist die soziale Integration der Menschen mit psychischen Behinderungen. Als Kunde in einem der Läden der GPE, als Gast in einem der Gastronomiebetriebe oder als Auftraggeber für eine der Dienstleitungen haben Sie Anteil am sozialen Engagement der GPE – letztendlich hat jeder einen Nutzen davon. www.gpe-mainz.de