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Das große Schwitzen – Saunen & Bäder unter Druck


von Florian Barz

Die Saunen- und Bäderdichte rund um Wiesbaden und Mainz ist enorm. Das stellt immer mehr Betreiber vor Probleme. In Heidesheim soll nun noch ein großes Wellness-Resort entstehen.

Das Bad sei gut in Schuss und könne sich wirklich sehen lassen, die Zukunft gesichert. So etwa ließ sich Uwe Deyle, ehemaliger Betreiber des Mainzer Taubertsbergbads, noch im Mai 2016 zitieren. Dabei war für jeden Besucher längst offensichtlich, dass das Bad in (finanziellen) Schwierigkeiten steckte. Zahlreiche Fliesen im Becken hatten sich gelöst, Rutschen und Nicht-Schwimmerbecken blieben gesperrt, auch der Thermenbereich angeschlagen – von Reparaturarbeiten keine Spur.

Vier Monate später meldete Deyle Insolvenz an. Nur kurze Zeit später erwischte es auch die Groß-Sauna „Schwitzkasten“ in Budenheim: Insolvenzverfahren. Spätestens seit der Eröffnung der Rheinwelle bei Ingelheim / Gau-Algesheim 2006, die inzwischen eine halbe Millionen Besucher jährlich anlockt, scheinen manche Anlagen in Bedrängnis zu geraten. Trotz der angespannten Situation soll in Heidesheim nun noch ein neuer riesiger Wellnesstempel entstehen. Saunen, Thermen, Spaßbäder. Kann das funktionieren?

Alles neu im Taubertsbergbad

Nach der Insolvenz sprang die Stadt Mainz im September 2016 notgedrungen als Zwischen-Betreiber ein. Eine Schließung des einzigen Mainzer Großbades kam nicht in Frage. 14 Schulen und 12 Vereine nutzen das Bad in der Woche für Unterricht und Training. Die Stadt verzichtete auf fällige Pachtzahlungen in Höhe von einer halben Mio. Euro und übernahm die wichtigsten ausstehenden Sanierungen. Auch die Tarifstruktur soll sich ändern und die Öffnungszeiten werden verlängert.

Baufällig – Das Taubertsbergbad wurde nach der Insolvenz auf Stadtkosten saniert. Ein neues Betreiber-Modell wird nun gesucht

Bürgermeister und Sportdezernent Günter Beck glaubt nicht, dass noch Geld bei Deyle zu holen sein wird. Betroffen sind damit sowohl die Stadt als Pächter, aber auch stadtnahe Gesellschaften, die das Bad mit Wasser und Strom belieferten, sowie mehrere Handwerksbetriebe. Wie es genau mit dem Taubertsbergbad weitergeht, ist noch offen.

Die Ampelkoalition favorisiert die erneute Verpachtung an einen privaten Betreiber. OB Ebling: „Das Modell mit einem privaten Betreiber ist nicht gescheitert. Nicht alle Badbetreiber haben eine solch miserable Moral wie Deyle.“ Widerstand gegen die private Lösung kommt allerdings nicht nur von ÖDP und Der Linken, sondern auch aus Eblings eigener Partei. Die Altstadt-SPD fordert die Rückkehr zu einem rein städtischen Badebetrieb. Die Stadt müsse aus ihren Fehlern lernen. Im April will der Stadtrat über die weitere Zukunft beraten.

Neues Hallenbad in Wiesbaden

Dauerhaft angespannt ist die Situation auch bei den städtischen Bädern und Thermen in Wiesbaden. Seit seiner Gründung 2007 schreibt die städtische Bädergesellschaft „Mattiaqua“ tiefrote Zahlen. Zuletzt sorgte auch noch ein Fäkalienvorfall im Thermalbad Aukammtal für negative Schlagzeilen. Alle acht von der Stadt betriebenen Frei-, Thermal- und Hallenbäder leiden unter Sanierungsstau und sind renovierungsbedürftig. Insgesamt liegt der Investionsbedarf bei 50 Mio. Euro. Im Kleinfeldchen etwa ist der Beton des großen Schwimmbeckens so verschlissen, dass pro Saison eine Mio. Liter Wasser verloren gehen.

Beim Opelbad sieht es ähnlich aus. Besonders schwer wiegt der Fall beim Freizeitbad in der Mainzer Straße. Das Bad hat die meisten Besucher im Jahr (275.000), ist aber derart marode, dass der Betrieb nicht mehr lange gewährleistet ist. Der Bau eines Ersatzschwimmbads ist damit sehr wahrscheinlich. Nach Auskunft von Wiesbadens OB Sven Gerich (SPD) könnte ab 2019 gebaut werden. Die Kosten dürften im hohen zweistelligen Millionenbereich liegen. Das Freizeitbad soll bis zur Eröffnung des neuen Bads geöffnet bleiben – vor allem wegen des Schulschwimmens.

Rheinwelle: Nummer 1 der Region

Dass ein kommunal betriebenes Schwimmbad nachhaltig schwarze Zahlen schreiben kann, beweist die Rheinwelle. Das Erlebnisbad ist ein Zusammenschluss der Städte Ingelheim und Bingen. Eine in Deutschland einmalige Kooperation, sagt Geschäftsführer Dirk Osterhoff. 2005 gegründet, kommen inzwischen fast 500.000 Besucher jährlich. Teilweise ist das Bad so voll, dass ein Einlassstopp verhängt wird. Die Mischung aus Wellness, Badewelt und Events, wie Saunanächten oder Konzerten kommt an. Das Einzugsgebiet liegt bei achtzig Kilometern.

Allein von den Eintrittspreisen lasse sich der Betrieb aber nicht kostendeckend führen, meint Osterhoff. Stattdessen schöpfe man alle Möglichkeiten aus, um an Geld zu kommen, etwa mit Werbung auf Besucherchips, dem Verkauf von Badeartikeln und umfangreicher Gastronomie. Viele Badbetreiber würden diese Bereiche vernachlässigen, ist er sich sicher und kritisiert den Stillstand in vielen Bädern: „Wenn Sie keine Investitionen tätigen und das Bad vor den Augen der Besucher allmählich zerfällt, bleiben die Kunden aus und gehen woanders hin.“ Die Insolvenz des Taubergsbergbads habe ihn daher nicht überrascht.

Zugpferd Rhein-Main Therme 

Zu den großen Wellness-Playern zählt auch die Rhein-Main-Therme bei Hofheim. Das Spaß- und Wellnessbad gehört der Investorengruppe Spork und wurde 2001 eröffnet. Die Kommunen Hofheim und Kelkheim steuern jährlich Betriebskosten von je 250.000 Euro bei. Die Rhein-Main Therme liegt genau im Dreieck zwischen Frankfurt, Mainz und Wiesbaden und profitiert in hohem Ausmaß von seiner Lage. Das Angebot, als auch die Besucherzahlen sind enorm: Erlebnisbecken, Strömungskanal und Grotte, mehrere Whirlpools, ein Außenbecken mit Liegewiesen und ein 3.000 qm großer Saunabereich. Das Konzept aus Action und Wellness geht auf. Geschäftsführer Rüdiger Spork spricht von einem „sehr guten Markt im Rhein-Main-Gebiet für Wellness, Erlebnis- und Fitnessbäder“.

Schwitzkasten vor dem Aus

Reine Saunen haben es dagegen mittlerweile schwer in der Region, wenn sie nicht innovativ daher kommen. Der gute alte „Schwitzkasten“ in Budenheim etwa steckt in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Inhaber Wolfgang Schnurr meldete im Oktober Insolvenz an. Die weitläufige 15.000 qm große Sauna-Anlage mit familiärer Atmosphäre galt lange als Zuschauermagnet in der Region. „Deutschlands größte Außensauna“ lockte in Spitzenzeiten 500 Besucher am Tag an, inzwischen sind es selbst in der Wintersaison nur noch 200 Besucher, zum Großteil „echte Meenzer“.

Die Konkurrenz durch Spaßbäder mit integrierten Saunen wurde in den letzten Jahren immer größer. Vor allem die Rheinwelle absorbierte Kunden aus dem Umland. Negative Auswirkungen hatte auch die Sperrung der Schiersteiner Brücke. Stammkunden aus Wiesbaden und Umgebung suchten sich Alternativen, viele kamen nicht mehr zurück. Der Geschäftsbetrieb im „Schwitzkasten“ geht trotzdem vorerst weiter. Die Suche nach einem neuen Investor läuft auf Hochtouren. Angeblich gibt es mehrere Interessenten. Inhaber Wolfgang Schnurr appelliert an die Stammkunden: „Ich hoffe, dass sie uns in dieser schwierigen Situation weiter die Treue halten.“

Neues Wellness-Resort in Heidesheim?

Sollten die Firma „monte mare“ und der Mainzer Immobilienentwickler Wolfram Richter mit ihren Plänen ernst machen, dürfte es für den „Schwitzkasten“ noch ungemütlicher werden. Auf dem ehemaligen Freizeitgelände der IBM bei Heidesheim soll nämlich ein neues Sauna- und Wellnessresort entstehen. Pläne dafür liegen seit Jahren in den Schubladen. Der Gemeinderat in Heidesheim hat längst sein O.K. gegeben, ursprünglich stand ein Eröffnungstermin 2015 im Raum. Passiert ist bisher aber nichts.

Jörg Zimmer, Marketingleiter bei „monte mare“ hält sich bedeckt. „Wir befinden uns eiimmer noch am Anfang der Planungsphase“. Ein Eröffnungstermin vor 2020 erscheint somit unwahrscheinlich. Rheinwelle-Leiter Osterhoff bezweifelt sogar, dass das Projekt überhaupt umgesetzt wird. „Da wird schon so lange drüber geredet und bisher ist nichts passiert.“ Möglich, dass die Investoren inzwischen kalte Füße bekommen haben, angesichts der angespannten Situation.

Lennebergsauna saniert

Bei der traditionsreichen Lennebergsauna in Mainz-Gonsenheim sieht man den Plänen von „monte mare“ gelassen entgegen: „Das würde uns nicht wirklich treffen“, sagt Leiterin Nina Reifenberg. „Wir sind keine Eventsauna. Bei uns liegt der Schwerpunkt auf Gesundheit und zur Ruhe kommen. Unser Einzugsgebiet ist auch viel kleiner“. Die Lennebergsauna hat allerdings ebenfalls schwere Zeiten durchgemacht. 2013 stand sie vor dem Aus. Der Mainzer Mäzen Stefan Schmitz sprang im letzten Moment als Investor ein. Seine Frau war Stammgast in der Sauna, zudem kannte Schmitz den Gründer der 1955 eröffneten Sauna Dr. Alfred Hartmann noch persönlich: „Er war mein Hausarzt. Ein sympathischer, gewinnender Mensch mit einer tollen Art“.

Der Arzt hatte das Saunieren im zweiten Weltkrieg in Russland kennengelernt und das Konzept nach Mainz gebracht. „Es ging ihm nicht um Profit, sondern um den gesundheitlichen Aspekt. Er wollte den Mainzern etwas Gutes tun“, sagt Schmitz, der das Lebenswerk des Arztes bewahren wollte. Mit seinem Geld wurde in den letzten Jahren kräftig investiert. Die Innenräume wurden saniert und in diesem Jahr soll der Saunagarten er neuert werden. Bei den Besuchern kommt das an. In der Woche kommen mittlerweile wieder 200 Gäste.

Fakt ist: Sauna und Wellness sind so angesagt wie nie, die Nachfrage riesig. Aber die Gäste erwarten auch etwas für den Eintritt. Wer kein Geld für Sanierungsarbeiten und Weiterentwicklung ausgeben will oder kann, verliert die Kunden schnell an die Konkurrenz. Zudem haben es private Saunen immer schwerer, weil sie mit dem „Alles in einem“-Angebot von Erlebnisbädern nicht mithalten können. Wer sich keine Nische sucht, bleibt so auf der Strecke. Erst recht, wenn das neue Wellnessresort in Heidesheim wirklich noch gebaut wird.