Bei ihrer 100-Tage-Bilanz haben der Vorstandsvorsitzende und Medizinische Vorstand der Universitätsmedizin, Univ.-Prof. Dr. Ralf Kiesslich, und der Aufsichtsratsvorsitzende, Minister Clemens Hoch, Maßnahmen vorgestellt, mit deren Hilfe sie die Unimedizin organisatorisch neu aufstellen und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation einleiten wollen. Statt Sparen wird auf „Ausweitung der Leistungen“ gesetzt.
„Die aktuelle Situation der Universitätsmedizin Mainz erfordert klare Maßnahmen vom ersten Tag an. Wir arbeiten im Vorstand und im Aufsichtsrat gemeinsam daran, dass wir uns für die Zukunft bestens baulich und personell positionieren, unser Defizit reduzieren und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen“, betonte der Vorstandsvorsitzende und Medizinische Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ralf Kiesslich. „Der erforderliche Neustart an der Unimedizin umfasst deshalb initial eine Umstrukturierung der Administration und die Bildung von Departments sowie im weiteren Verlauf zahlreiche Maßnahmenpakete, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Ich bin außerordentlich froh, dazu meine Vorstandskollegin Dr. Waltraud Kreutz-Gers mit ihrer ausgewiesenen Expertise in Wirtschaftsführung, in Baufragen und im Change-Management an meiner Seite zu wissen.“
Clemens Hoch, Vorsitzender des Aufsichtsrats und rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit, sagte: „Der Neustart hat sichtbar und fühlbar Fahrt aufgenommen. Ich verbinde mit dem Wort Neustart die Chance, die Potenziale, die es in der Universitätsmedizin Mainz gibt, zum Positiven zu nutzen und weiterzuentwickeln. Die Kraft und die Möglichkeiten der Unimedizin mit Blick auf die exzellente Forschung, aber auch die Akzeptanz und die Qualität in der Krankenversorgung sind unverkennbar. Dabei können wir noch viel besser werden, obwohl wir schon ziemlich gut sind.“
Darüber hinaus kündigte Hoch eine Änderung des Universitätsmedizingesetzes an. Es wird angestrebt, einen Entwurf zur Novellierung des Gesetztes bis zur Sommerpause in den parlamentarischen Prozess einzubringen. „Wir planen eine Novellierung, um das Gesetz und damit die Universitätsmedizin Mainz zeitgemäß aufzustellen. Hierzu gehört etwa die Flexibilisierung der Organe, insbesondere des Vorstandes bei seiner Besetzung und Entscheidungsfindung. Wir schaffen einen Rahmen, der es ermöglicht, dass die Universitätsmedizin auf Veränderungen der schnelllebigen Systeme Krankenversorgung und Forschung noch besser reagieren kann“, erläuterte Hoch. Der neue Vorstand arbeite intensiv an den großen Aufgaben, mit Fokus auf der Organisationsentwicklung, den rechtlichen Rahmenbedingungen und der wirtschaftlichen Krankenversorgung. Wie intensiv, zeige sich daran, dass bereits nach 100 Tagen erste Maßnahmen präsentiert werden können.
Dazu gehört auch die Neuaufstellung des Vorstands. Nach dem Ausscheiden von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann zum 1. April ist nun noch die Position des Wissenschaftlichen Vorstandes zu besetzten. Dazu teilte der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Hoch mit, dass der Aufsichtsrat der Universitätsmedizin Mainz beschlossen hat, dem Fachbereichsrat Univ.-Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke als neuen Wissenschaftlichen Vorstand vorzuschlagen. Professorin Weinmann-Menke ist aktuell Leiterin der Abteilung für Nephrologie, Rheumatologie und Transplantationsmedizin der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik sowie Programmdirektorin von TRANSMED, der „Research School of Translational Biomedicine“. „Ich freue mich sehr, dass wir Frau Prof. Weinmann-Menke gewinnen konnten und bin fest davon überzeugt, dass sie für die Position die Richtige ist. Sie kennt die Universitätsmedizin sehr gut durch ihre Tätigkeit als Leiterin der Nephrologie und genießt in Mainz hohes Vertrauen. Darüber hinaus zeichnet sie sich durch exzellente Leistungen in Forschung und Krankenversorgung aus. Vor allem aber hat sie den Aufsichtsrat überzeugt, dass sie Projekte und Einrichtungen, in denen sie Verantwortung trägt, zielsicher und erfolgreich führt – hierzu zählt beispielsweise die Research School of Translational Biomedicine (TRANSMED). Ich bin sicher, dass sie gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern das Projekt ‚Neustart Universitätsmedizin‘ erfolgreich weiter gestalten wird“, sagte Clemens Hoch, Vorsitzender des Aufsichtsrats.
Neues Organigramm für die Administration
Bereits zum 1. April 2024 wurden Zuständigkeiten innerhalb der Administration angepasst und in einzelnen Vorstands-Ressorts konzentriert. „Die bisherige Organisation der Verwaltung ist nicht optimal, unser neues Organigramm strukturiert Verantwortungen nun ganz klar“, erläuterte Ralf Kiesslich. „Im Kern wird der Bereich Strategie künftig komplett beim Vorstandsvorsitzenden gebündelt und in dem Zuge richten wir gerade eine neue Stabsstelle Zentrales Projektmanagement ein. Auch die gesamte Gremienarbeit in Bezug auf Vorstand und Aufsichtsrat ist nun hier verortet, damit alle wichtigen Informationen gebündelt verfügbar sind, wir die gefassten Beschlüsse gezielt und stringent umsetzen und transparent kommunizieren können.“ Das Medizin- und Finanzcontrolling würden hingegen künftig beim Kaufmännischen Vorstand gebündelt sein, um deren Zusammenarbeit zu stärken. „Alle Maßnahmen haben zum Ziel, die Administration handlungsfähiger zu machen und optimal für die kommenden Herausforderungen aufzustellen“, so Kiesslich.
Departmentbildung genießt Priorität
Im klinischen Bereich wird derzeit die Bildung von Departments besonders intensiv vorangetrieben. „Dass verwandte medizinische Bereiche künftig unter dem Dach eines Departments noch enger zusammenarbeiten werden als bisher, ist eine wichtige Voraussetzung, damit wir die Ressourcen, die wir haben, gemeinsam besser nutzen können“, beschreibt Ralf Kiesslich. Konkret gehe es etwa darum, gemeinsame Bettenpläne zu entwickeln und die vorhandenen wertvollen OP- und Intensivkapazitäten noch effizienter zu nutzen. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen wird das Thema der Zukunft sein, davon ist Ralf Kiesslich fest überzeugt. „Deshalb wollen wir die Departments so schnell es geht Realität werden lassen.“ Aktuell ist das Zielbild der Zusammensetzung der einzelnen Departments weitgehend festgelegt und eine Mustergeschäftsordnung, die Budget-, Organisations- und Governancefragen regelt, wird gerade entwickelt. „Nicht zuletzt genießt die Departmentbildung auch deshalb eine solch hohe Priorität, weil wir sie bei unseren umfangreichen baulichen Planungen von Beginn an abbilden müssen.“
Zwei neue Programme: UM.Neustart und UM.Performance
Die Neuausrichtung der Administration und die Bildung von Departments sind zwei Projekte, die im Rahmen des Programms UM.Neustart umgesetzt werden. Ziel dieses Projekt-Paketes ist es, Strategie, Organisation und Prozesse weiterzuentwickeln. In einem weiteren Programm mit dem Namen UM.Performance sind vor allem solche Projekte verortet, die die Wirtschaftlichkeit steigern und das Defizit reduzieren sollen. Beide Programme wurden im Rahmen der im letzten Jahr angestoßenen Organisationsuntersuchung durch die Unternehmensberatung Roland Berger erarbeitet, die auch die initiale Umsetzung begleitet.
„Die Universitätsmedizin Mainz kann ihr ganzes Potential nur auf Basis einer soliden wirtschaftlichen Situation entfalten, zu der wir nun wieder zurückfinden müssen“, erläutert Dr. Waltraud Kreutz-Gers, die seit November 2023 als Kaufmännischer Vorstand im Amt ist. „Ein erster Schritt in diese Richtung ist unser konsolidierter Wirtschaftsplan für das Jahr 2024, den der Aufsichtsrat in seiner letzten Sitzung am 1. März beschlossen hat.“ Gemäß diesem Plan rechnet die Universitätsmedizin Mainz aktuell mit einem Defizit von etwa 107 Millionen Euro für das Jahr 2024. Um dieses zu erreichen, sollen bereits erste Effekte im Rahmen der UM.Performance-Projekte erzielt werden. Ein weiterer Abbau des Defizits wird konsequent über die nächsten Jahre verfolgt. >
Was weitere Sorgen bereitet und Einfluss auf das jährliche Defizit nimmt, sind die Zinsen auf den mittlerweile angehäuften Schuldenberg von rund 600 Mio. Euro. Da die lange Niedrig- und Nullzinsphase erstmal vorbei ist, muss die Unimedizin nun statt rund 9 Mio. Euro rund 15 Mio. für Zinszahlungen einplanen.
„Einen besonderen Fokus richten wir dabei auf die Steigerung der stationären Leistungen. Diese sind gerade im letzten Quartal des vergangenen Jahres weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Die daraus resultierenden fehlenden Erlöse sind neben höheren Kosten, etwa für Personal und medizinischen Sachbedarf, einer der Gründe für das nunmehr prognostizierte Jahresdefizit von 120 Millionen Euro für das Jahr 2023“, so Waltraud Kreutz-Gers. „Wir wollen durch optimierte klinische Prozesse und die nun forcierte Departmentbildung Leistungen steigern, vor allem aber auch durch bessere Erfassung und Abrechnung mehr Erlöse für die erbrachten Leistungen erzielen.“ Zudem müsse die unterjährige Steuerung der Finanzen verbessert werden, damit die immer wieder aufgetretenen Abweichungen zwischen geplanten und letztlich erzielten Zahlen endlich der Vergangenheit angehören. „Hierauf zahlt insbesondere die eingangs erwähnte Bündelung der verschiedenen Controlling-Bereiche im Bereich des Kaufmännischen Vorstands ein“, ist Ralf Kiesslich überzeugt.
Stärkere Vernetzung bei ambulanten Leistungen
Auch bei den ambulanten Leistungen muss sich die Universitätsmedizin Mainz besser aufstellen – insbesondere durch eine stärkere Vernetzung mit niedergelassenen Kollegen und anderen Leistungserbringern. „Wenn sich jeder verstärkt auf seine Kernkompetenz konzentriert, im Falle der Universitätsmedizin auf die spezialisierte ambulante Medizin, können davon alle profitieren“, so Ralf Kiesslich und Waltraud Kreutz-Gers. Dazu gehöre ein gezielter Ausbau ausgewählter, spezialisierter medizinischer Angebote und der Abbau nicht ausreichend finanzierter und nicht notwendigerweise von einer Universitätsmedizin zu erbringender ambulanter Leistungen.
Mammutaufgabe vergleichbar einem Marathon
„Die Sanierung und Konsolidierung der Universitätsmedizin ist eine Mammutaufgabe, vergleichbar mit einem Marathon. Wir werden Zeit brauchen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir viel erreichen können“, so das Fazit von Ralf Kiesslich. „Der Anfang ist gemacht und der Vorstand wird angestoßene und neue Projekte konsequent verfolgen. Dazu bedarf es aber noch mehr: einer gemeinsamen Anstrengung aller, die an der UM Verantwortung tragen.“ Damit sich alle Beschäftigten mit dem gemeinsamen Ziel identifizieren und die nötigen Veränderungen mittragen, sei eine transparente und offene Kommunikation besonders wichtig: „Deshalb haben wir unter anderen die Klinikkonferenz etabliert: ein Forum, das allen Mitarbeitenden offensteht und bei dem wir Entwicklungen und Projekte nicht nur vorstellen, sondern auch miteinander diskutieren. Die Premiere am 21. März war ein voller Erfolg und der Teamspirit an der Universitätsmedizin Mainz ist wieder deutlich spürbar.“
Höhere Vergütung im Praktischen Jahr (PJ)
Ein gutes Signal haben Vorstand und Aufsichtsrat der Universitätsmedizin Mainz auch an die Absolvierenden gesandt, die an der Universitätsmedizin ihr Praktisches Jahr (PJ) durchlaufen. So stimmte das Gremium für den Vorschlag des Vorstandes, dass junge Ärztinnen und Ärzte im PJ an der Universitätsmedizin Mainz in Zukunft den rechtlich zulässigen Höchstsatz von 812 Euro monatlich als Aufwandsentschädigung erhalten. Bisher lag der Satz bei 380 Euro. „Die jungen Absolvierenden haben an der stationären Krankenversorgung einen großen Anteil. Es ist angemessen, dass diese motivierten und engagierten Nachwuchskräfte auch im Rahmen der Möglichkeiten gut entlohnt werden“, sagte Clemens Hoch, Aufsichtsratsvorsitzender und Minister für Wissenschaft und Gesundheit. Eine Umstellung der Vergütung im Praktischen Jahr ist für den Herbst 2024 geplant.
Bildquelle: © Universitätsmedizin Mainz / Peter Pulkowski