Die Gastronomie und ihre Besucher erfreuen sich zumindest im Sommer über ihre erweiterten Außenflächen. Möglich wurde dies durch das Maßnahmenpaket „Mainz hilft sofort“. Unter vielen Corona-Sonderregelungen für Handel, Gastronomie und Kultur wurde darin unter anderem beschlossen, dass Parkplätze bis Ende des Jahres als zusätzliche Bewirtungsfläche umgewandelt werden können. Eine Verlängerung dieser Nutzung, die bis Ende 2021 gilt, sei nicht auszuschließen, teilt die Stadtverwaltung mit. Im Sinne der nachhaltigen Stadtgestaltung sei es ein Ziel, die Straßenräume gleichberechtigt und ausgewogen zu gestalten:
„Es hat ein bisschen was vom Süden“, sagt Christoph Rombach mit Blick auf die Terrasse vor seinem Weinlokal, die nun knapp an die 200 Leute fassen kann. Für das kleine Lokal und die Besucher ein Gewinn. Für Parkplatzsuchende Autofahrer ein Frust. So wie das „Laurenz“ in der Gartenfeldstraße nutzen derzeit viele weitere Restaurants, Bars und Cafés in der Innenstadt den Raumgewinn, um ihre Corona-Einbußen bei geschlossenen Innenräumen abzufedern. „Wir profitieren sehr von der Regelung – um nicht zu sagen, sie hat uns gerettet“, so Daniel Kayser vom „Kamin“ in der Altstadt. Auch der Wegfall der Weihnachtsfeiern etc., für die in der Kapuzinerstraße gerne reserviert wurde, hatte einschneidende Einbußen verursacht.
Lebensfreude beim Bummeln
Die zusätzliche Bewirtungsfläche ist nicht nur für Daniel Kayser und seinen „Kamin“ ein Gewinn. Auch von Gästen habe er häufig positive Rückmeldung erhalten. Ein „Mehrwert“ sei die Fläche nicht nur deshalb, da nun mehr Platz draußen sei, sondern auch, weil sich das Lebensgefühl beim Schlendern durch die Gassen verbessert habe. Den positiven Aspekt betont auch Christoph Rombach. Damit möglichst viele Gäste von dem vergrößerten Außenbereich profitieren können, gibt es im Laurenz einen reservierungsfreien Bereich: „Dadurch wollen wir den Anwohnern etwas zurückgeben“, so Rombach. Diese seien mehrheitlich von der Aktion angetan, ähnliches würden auch andere Gastro-Kollegen aus der Neustadt berichten. Nur ein Anwohner habe bei Daniel Kayser in der Altstadt regelmäßig seinen Unmut über den Wegfall der vier Parkplätze vor dem Lokal geäußert. „Es ist schade, dass da kein Verständnis herrscht“, so Kayser.
Rad verdrängt Auto
An Konflikten wie diesem offenbart sich dennoch die angespannte Parkplatz-Situation in der Innenstadt. Mit dem Ruf nach mehr Ausbau für den Radverkehr wächst gleichsam der Unmut über den Wegfall von Stellplätzen. 2020 und im ersten Quartal des laufenden Jahres sind 146 Parkplätze zugunsten des Ausbaus des Radverkehrs weggefallen. Dies habe zu einer erhöhten Parkplatzsuche in den Wohnbezirken geführt. Doch die Verwaltung will bei ihren Planungen von nichts weniger als einer innerstädtischen Verkehrswende sprechen. Dies spiegele sich in den Konzeptionen der Straßen und Plätze wider, sei es die neue Langgasse, Boppstraße, Wallstraße, der geplante Platz am Feldbergplatz oder auch die viel diskutierte Situation am Bonifaziusplatz: Grünflächen, Sitzbänke, Spielbereiche, Verweilflächen, barrierefreie Gehwege und Fahrradständer sollen nach Meinung der städtischen Planer in der Zukunft ebenso ihren gleichberechtigten Platz finden. Auf den Punkt gebracht: Bei Umgestaltungsmaßnahmen im städtischen Raum spielen weniger als früher die Bedürfnisse des Autoverkehrs eine Rolle.
Situation Fahrradparkhaus
Am Bonifaziusplatz wurden 82 Parkplätze auf 50 reduziert. Die Zahl an Fahrradbügeln hat sich von 62 auf 144 mehr als verdoppelt. Das Rad kommt, der Radverkehrsanteil wächst. Verwunderlich wirkt in diesem Zusammenhang wiederum die Leere im neuen Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof. Der 2,1 Mio. teure Bau verfügt über weitgehend kostenfreie Stellplätze für mehr als 1.000 Fahr- und Lastenräder. Doch ein Großteil der Räder wird derzeit noch immer um den Hauptbahnhof herum geparkt. Fehlen Hinweisschilder oder hat es sich noch nicht herumgesprochen? Ist die Lage schlecht gewählt, einmal herum um den Bahnhof? Derzeit befinde man sich in einer Übergangsphase, so die Stadt, Beispiele aus anderen Kommunen hätten gezeigt, dass die Nutzungskurve erst nach und nach steige. Die Popularität des Gebäudes lässt dennoch auf sich warten. Fakt ist jedoch, dass die Zahl der Mainzer, die sich mit dem Rad fortbewegen, wächst. Ein Viertel der Wege, so OB Ebling, werde mittlerweile mit dem Rad zurückgelegt – und auch die Nutzung von E-Bikes sei inzwischen doppelt so hoch wie der Bundestrend.
Carsharing spart Parkplätze
Die Flächenumverteilung gehe aber nicht allein zugunsten des Radverkehrs, sondern stärke insbesondere auch den Anspruch der Fußgänger. Die Mobilitätswende soll hier auch durch Carsharing zustande kommen, also das gemeinsame Nutzen von Autos. Auch dafür weichen immer mehr und mehr Parkplätze, denn an vielen Stellen sind nun die Doppelparker der Firma book-n-drive in der ganzen Stadt installiert worden. Eines der gemieteten Autos soll bis zu 20 Privat-Pkw ersetzen können. Aufgrund der Kostenstruktur bei book-n-drive und der Möglichkeit, das Angebot zumeist nur lokal und kurzfristig nutzen zu können, ist dieses Angebot noch ausbaubar. Es wird zumindest erwartet, dass aufgrund der zahlreichen Carsharing- Angebote der Parkdruck sinken soll, anstatt dass das Unternehmen Parkplätze belegt. Der Anbieter verfügt nach eigener Aussage über 8.000 Kunden in Mainz, Tendenz steigend. Im Stadtgebiet werden mittlerweile 75 Stationen mit 160 Fahrzeugen (ergo Parkplätzen) zur Verfügung gestellt. Mittelfristig plane das Unternehmen, die Zahl der Fahrzeuge auf 400 in Mainz zu erhöhen. Auf dem Weg zur Verkehrswende gelte es, mit den jeweiligen Situationen in den Stadtteilen zu arbeiten, so die Pressestelle der Stadt. Die Bedürfnisse von Rad-, Autoverkehr, ÖPNV und Fußgängern zu vereinbaren, bleibe die Herausforderung.
Text Alexander Weiß
Fotos Stephan Dinges
Was??? Die Gastronomen sollen weiterhin Parkplätze belegen?? Denkt doch auch mal an die Bürger die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind…sei es die arbeitende Bevölkerung, Behinderte und Familien die sich kein Lastenfahrrad zulegen können. Hilfe für die Gastro ja…aber irgendwann muss Schluss sein. Schafft interessantere Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt baut dort die Gastro aus aber hört auf in der Neustadt wo sich die meisten Podeste befinden diesen Zustand beizubehalten. Kein Bock mehr auf noch mehr Gastronomie.
Eine großartige Entwicklung. Jeder könnte gerne mal Carsharing ausprobieren, am besten Electro. Nach dem 5 mal entwöhnt man sich von eigenen Fahr- nein Stehzeug. Man rechne in einem beliebigen Straßenzug die verfügbare Fläche für Autos und für Fußgänger aus. Das Verhältnis liegt bei schätzungsweise 4:1. Wunderbar wären reine Fahrradstraßen. Und viel mehr Ladesäulen für E-Fahrzeuge.
Interessant wie immer jeder „auf das Auto angewiesen“ ist. Tatsächlich könnten viele auch mit der Bahn pendeln , wollen es aber nicht. Viele wollen und können sich auch ein Leben ohne Auto gar nicht vorstellen. Es wird immer Menschen geben, die ein Auto beruflich oder privat brauchen, aber es sind weniger als man denkt. Gerade in der gut angebundenen Neustadt.
Und ja, als Aussendienstmitarbeiter habe und brauche ich noch (!) ein Auto. Niemand will allen das Auto wegnehmen, aber die Anzahl an Autos, die in Deutschland fahren, können wir wir uns nicht mehr leisten.
PS: Man muss ja auch nicht in der Stadt wohnen, wenn man freie Parkplatzwahl will..
Ich hoffe nur dass man die E-mobilität nochmals überdenkt. Grundsätzlich finde ich mehr Grün in der Stadt super. Und wo bitte hat die Neustadt gute Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel? Frauenlobstrasse Boppstrasse Nackstrasse usw.wo sind kleine Zubringerbusse zu den zentralen Verkehrsanbindungen? Ich spreche von behinderten und älteren Menschen. Wohin mit den Einkäufen? Nicht jeder hat Hilfe! Fahrzeuge zu verdammen und alle raus aus der Stadt ist glaube ich nicht die Lösung. Grün ja…aber mit Gefühl und Verstand.