Text: Ejo Eckerle, Foto: Michael Grein
Dicke Brummer aus Süden, unruhige Nächte und lauter Lärm bei Ostwind: Der Fluglärm über Mainz beschert Bürgern und Politikern trotz wachsender Proteste weiterhin Verdruss
Aus dem Westen kommt nichts Gutes. Für die lärmgeplagten Bürger der Mainzer Oberstadt erfüllt sich diese Vorhersage immer dann, wenn Ostwind herrscht. Oft sind es die schönen, warmen Tage, an denen diese Luftströmung das Wetter bestimmt. Und es sind die Tage und Nächte, in denen sich die Bürger um Schlaf und Ruhe gebracht sehen. Dann landen die Jets, die den Rhein-Main-Airport anstreben, vom Westen her kommend und überfliegen im Minutentakt in niedriger Höhe das Gebiet. Der Grund liegt in der seit Oktober letzten Jahres in Betrieb genommenen neuen Nordwestlandebahn. Unter den Anflügen auf die beiden alten Parallelbahnen Nord und Süd litten seit jeher die südlichen Mainzer Stadtteile Lerchenberg, Bretzenheim, Weisenau, Marienborn und Hechtsheim. Dazugekommen sind jetzt Drais und vor allem die Oberstadt – inklusive Uni- Kliniken und der Krankenhäuser St. Vincenz und Hildegardis.
Dicke Brummer
Im Oktober hat sich die Situation noch einmal verschärft: die „Heavys“ und „Superheavys“ kommen! Gemeint sind drei- und vierstrahlige Flugzeuge wie zum Beispiel die Boeing 747 oder der Airbus A380. Sie nutzen jetzt die sogenannte Südumfliegung – und sorgen damit für noch mehr Krach über Mainz und der Region. Aus Sicht der Deutschen Flugsicherung (DFS) eine Notwendigkeit, um Kollisionen für den Fall zu vermeiden, dass Flugzeuge auf der neuen Landebahn durchstarten müssen. Von 2016 an sollen alle Maschinen, die Richtung Westen und Norden starten, die Südumfliegung nutzen. Dann könnten bis zu 50.000 Flugzeuge im Jahr diese Gebiete überqueren. In der sogenannten Fluglärmkommission machte sich die Stadt Mainz dafür stark, dass die Route nachgebessert und damit der Stadtteil Laubenheim vom Lärm entlastet würde. Aber es gelingt den Flugzeugen häufig nicht, die vorgegebene Flugbahn auch tatsächlich zu fliegen – und damit donnern sie weiterhin über den Ortskern von Laubenheim. Begründung der DFS für das Manöver: Es handele sich um einen Kurvenflug. Mit einer „gewissen Streuung in Richtung Westen“ sei daher grundsätzlich zu rechnen. Umweltdezernentin Eder fordert eine neue Navigationsanlage, die den Piloten helfen soll, den vorgezeichneten Kurs einzuhalten.
Mythos Nachtflugverbot
Damit nicht genug, der Zankapfel „Nachtflugverbot“ beschäftigt Fluglärm- Gegner und die Stadt Mainz auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach zwischen 23 und 5 Uhr Stille am Himmel über Rheinhessen herrschen sollte. Das nennt sich „Mediationsnacht“ und hat für den Flughafen den Vorteil, dass er zwei Stunden gegenüber der gesetzlich geltenden Nachtruhe (22 bis 6 Uhr) gewinnt. In der Realität, so zeigt die Statistik, bestimmen zahlreiche Ausnahmen das Bild. Die „Initiative gegen Fluglärm Rheinhessen e.V.“ berichtet: „Es gab schon häufig Nächte mit über 25 Flügen zwischen 23 und 5 Uhr.“ Auch Oberbürgermeister Michael Ebling und Umweltdezernentin Katrin Eder sind verärgert. Niemand mache Aufhebens bei begründeten Notfällen oder auch unverschuldeten Verspätungen, aber: „Ausnahmegenehmigungen werden eben in Ausnahmesituationen erteilt – und nicht in beliebiger Anzahl. Es handelt sich hier um die gezielte Geringschätzung und Umgehung der erstrittenen Rechte der Region. Wenn ein Nachtflugverbot an lachhaften drei Tagen im Monat greift, wird die Regel zum Einzelfall und der Einzelfall zur Regel.“ Währenddessen vermeldete die Lufthansa die Eröffnung ihres neuen Flugssteigs A-Plus am Frankfurter Flughafen. Der Erweiterungsbau hat 700 Millionen Euro gekostet und ermöglicht, dass das größte deutsche Luftverkehrsdrehkreuz sechs Millionen zusätzliche Passagiere abfertigen kann. Damit steigt die Kapazität des Flughafens auf rund 65 Millionen Fluggäste pro Jahr. Damit nicht genug, denn auf dem östlichen Areal, das einst von der US-Airforce genutzt wurde, beginnt 2013 der Bau eines neuen Terminals. Dieses Terminal 3 soll für 25 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt werden. Dann kann die Fraport 90 Millionen Fluggäste pro Jahr bewegen. Treffen diese Prognosen zu, wird es also kaum leiser werden am Mainzer Himmel. Und könnten bessere Flugzeuge Abhilfe schaffen? Umweltdezernentin Eder ist skeptisch. Die technischen Möglichkeiten seien nahezu ausgeschöpft. Auch der Verzicht auf besonders laute Jets älterer Bauart zeige wenig Wirkung: „Das bringt allenfalls 1 bis 2 Dezibel am Boden“. Letztlich, so die Umweltdezernentin, bräuchte es Gesetzesänderungen auf Bundesebene, die zu mehr Schutz vor Lärm führten.