Jedes Mal ärgere ich mich, wenn ich vor dem Mainzer Hauptbahnhof einen Sitzplatz suche, denn es gibt dort keine Sitzplätze. Auch im Bahnhof selber sind Sitzbänke Mangelware. Wenn ich richtig gezählt habe, dann befinden sich dort Sitzmöglichkeiten für insgesamt 12 Menschen, 4 davon müssen über dem Frittierfett von McDonald‘s entspannen.
Im Innenstadtbereich sieht es nicht viel anders aus. Auf dem großen Domplatz gibt es Sitzgelegenheiten für 8 Menschen, die Ludwigstraße lädt ebenfalls zum Eilen statt Verweilen ein, selbst in der Römerpassage können sich kaum mehr als 4 Leute gleichzeitig ausruhen. Gemütlich ist das nicht, und ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, der sich zwischen Einkäufen, Bratwürsten und sonstigen Erledigungen in der Stadt gern mal einen Moment hinsetzen möchte.
Immer häufiger sehe ich auch zwei parallele Betonträger, auf die eigentlich eine hölzerne Parkbank gehört, und die ohne diese Bank komplett nutzlos sind und nicht repariert werden. Wer oder was mag hinter diesen Maßnahmen zur Verhinderung öffentlichen Sitzens stecken? Ich habe dazu verschiedene Verschwörungstheorien entwickelt, die aber alle irgendeinen Haken haben:
1. Die Rollstuhlfahrermafia
Die Theorie: Um bei nichtbehinderten Läufern den Wunsch zu erwecken, immer einen eigenen Stuhl dabei zu haben, werden systematisch öffentliche Sitzgelegenheiten entfernt. Gleichzeitig tauchen in der Stadt immer mehr Rollstuhlfahrer auf, die den Eindruck erwecken sollen, dass es gar kein Problem ist, irgendwo in der Stadt gemütlich herumzusitzen – allerdings nur, wenn man einen eigenen Rollstuhl dabei hat.
Der Haken: die Rollstuhlfahrer nehmen nicht kontinuierlich zu. Außerdem gibt es immer noch zu viele Geschäfte oder Cafés, in die man mit Rollstuhl nicht hineinkommt. Und die Senkung der Hartz-4-Sätze für einen Teil der Behinderten spricht deutlich gegen eine mächtige Rollstuhlfahrerverschwörung.
2. Militante Veganer
Die Theorie: Sitzbänke im Innenstadtbereich werden demontiert oder in ungemütliche Ecken verbannt. Damit wird den Kunden von Wurstbratereien der Genuss von Bratwürsten erschwert. Das Ziel ist, dass alle Mainzer Bürger auf den Genuss von Bratwürsten komplett verzichten und nur noch zu Hause Kuskus mit Roter Soße verzehren. Der Haken: Auch die eigentlich vegane Brezel muss im Stehen gegessen werden. Und zu Hause können sich die Leute immer noch Würste braten, so viel sie wollen. Außerdem erklärt es nicht das Verschwinden von Parkbänken.
3. Die CIA
Die Theorie: Das Ganze ist Teil eines großangelegten MK-Ultra Programms. Die Entfernung von öffentlichen Sitzmöglichkeiten soll in uns ein Gefühl der Heimatlosigkeit bei gleichzeitiger Rastlosigkeit auslösen. Durch die zunehmende soziale Isolation fühlen wir uns nur noch zu Hause wohl. So werden wir offen für die Propaganda von Micky Maus und Waschmittelwerbung.
Der Haken: Bewusstseinskontrolle kann man auf viel einfachere Art erlangen. Auch sonst ist die Theorie unstimmig: Durch die vielen Überwachungskameras sowie den Einsatz von Ultraschall-Systemen wie Mosquito kann man Menschen viel besser steuern und kontrollieren. Das spräche eher dafür, dass der CIA mehr öffentliche Sitzgelegenheiten schaffen, diese aber besonders überwachen würde.
Steckt am Ende etwas ganz anderes dahinter? Vielleicht der Wunsch, öffentliche Plätze immer weiter zu privatisieren, sprich der Öffentlichkeit zu entziehen? Oder soll einfach nur die Not von wartenden und erschöpften Menschen ausgenutzt werden, die sich nur dann ausruhen können, wenn sie in einem Café Platz nehmen und Geld bezahlen?
Das kommt mir doch zu einfach vor. Außerdem ist es doch auch für die anderen Ladenbesitzer auf Dauer eher schädlich, wenn ihre Kunden vor lauter Erschöpfung gar nicht erst bei ihnen ankommen. Es bleibt also weiterhin rätselhaft, wer hinter dem Verschwinden der öffentlichen Sitzplätze steckt. Meine Meinung ist, dass es sowohl die Rollstuhlfahrermafia als auch militante Veganer und der CIA sind. Mit dieser Meinung stehe ich wahrscheinlich alleine da, was aber egal ist, weil schließlich Alle dastehen, auch diejenigen mit anderen Meinungen – mangels Sitzplätzen.