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Bullshit-Bingo der Lokalpolitik bei Facebook & Co

1 Text - Erik Donner - Blockupy_1
Im März 2016 stehen in Rheinland-Pfalz Landtagswahlen an, und es steht zu befürchten, dass die Parteien sowie ihre Repräsentanten den Wahlkampf vorab auch über die sozialen Medien wie Facebook und Twitter ausfechten. Zu befürchten deshalb, weil die letzten Monate unter anderem mit dem Chaos rund um die Schiersteiner Brücke und den Diskussionen über das Logo der Bedachungs GmbH Ernst Neger gezeigt haben, wie rasch in sämtlichen politischen Lagern die gute Kinderstube flöten geht, sobald sich scheinbar die Chance bietet, dem Gegner öffentlichkeitswirksam eins reinzuwürgen.

Recht auf Meinungsfreiheit

Wenn auf Facebook scharfe Kommentare verborgen oder auf Twitter unliebsame Antworten gelöscht werden, wird sehr schnell die Meinungsfreiheit bemüht und Zensur angeprangert. So wichtig das Recht auf freie Meinungsäußerung unbestritten ist, müssen zu dem Thema doch einige Fragen erlaubt sein. Beispielsweise, ob Politiker tatsächlich jeden Floh, der sie juckt, in die uneingeschränkte Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke hüpfen lassen sollten? Oder ob derlei schriftliche Verbal-Limbos das Interesse der Wahlberechtigten an Politik nicht vielleicht endgültig löschen, statt die kleine Flamme wieder stärker aufflackern zu lassen?

Erik Donner, seines Zeichens Vorsitzender der Mainzer Neustadt-SPD, hat sich im März mit einem Tweet zum Thema #Blockupy in den Annalen der medialen Meinungsentgleisungen verewigt, als er kundgab, er habe „vollstes Verständnis“, falls am Tag der EZB-Eröffnung der Schlagstock bei der Polizei „etwas lockerer“ sitze. Tobias Huch (FDP), nach eigener Aussage sonst eher Sparringspartner Donners, sprang diesem nun über Parteigrenzen hinweg zur Seite, um Omid Nouripour abzuwatschen. Der nämlich ist für ihn eine „ganz kleine Wurst“.

Huch wiederum sah sich vor einiger Zeit mit der Vermutung des Mainzer OBs Michael Ebling konfrontiert, er habe als Kind wohl „zu nahe am Haus geschaukelt“. Ein Zitat, das der Facebook- Gemeinde entgangen wäre, hätte nicht der stets präsente Felix Leidecker (Kreisvorsitzender der Jungen Union Mainz) umsichtigerweise einen Screenshot veröffentlicht. Leidecker und Huch liefern sich in den sozialen Medien regelmäßig verbale Schlagabtausche, manchmal sind sie aber auch einer Meinung. Wenn es zum Beispiel um das aus ihrer Sicht abrissreife Rathaus geht, greifen sie gerne gemeinsam zur Schaufel – und Huch verbindet die harte Arbeit mit einem Scherz in Richtung Ebling: „Ich war mal wieder ne Runde schaukeln.“

Bis zum Minister

Von der Schaukel gefallen sind offenbar die Betreiber diverser offizieller Accounts von SPD und CDU. Anders lässt sich das Facebook-Posting der rheinland-pfälzischen SPD am 8. Mai kaum erklären, das ernsthaft anprangert, CDU-Landeschefin Julia Klöckner sei „geschichtsvergessen“, weil sie am Jahrestag des Kriegsendes bei einem Besuch am Nürburgring „Runden im Rennwagen“ drehe. Ins gleiche Horn stößt die Junge Union des Landes, die sich künstlich echauffiert, dass SPD-Politiker am 8. Mai ein Bierjubiläum feiern, statt – ja, was eigentlich?

So zu tun, als beschäftigten sie sich mit dem Kriegsende, während es offenbar doch nur darum geht, an  gebliches Fehlverhalten der Gegner aufzudecken? Wie eine Beleidigung der Kontrahentin auch unfreiwillig komisch ausgehen kann, beweist der Grüne Felix Schmitt, als er sich via Twitter echauffiert, die schimpfende Julia Klöckner habe wohl „meine Kinderstube“. Man darf annehmen, dass ihm hierbei wohl der Finger auf der Tastatur verrutscht ist, und eigentlich „keine Kinderstube“ gemeint war.

An der CDU-Chefin scheint Schmitt ohnehin im negativen Sinne einen Narren gefressen zu haben, ähnlich wie JU-Mann Leidecker an der Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder, die er als „Staudezernentin“ gerne persönlich für sämtliche Verkehrs- und anderweitigen Probleme bezüglich der Sperrung der Schiersteiner Brücke verantwortlich macht. Wahlweise auch für einen derzeit noch trockenen Wasserspielplatz und sämtliche weiteren Leiden in der sonst so heilen (Mainzer) Welt. Das war Anfang des Jahres wiederum einigen Leuten so sauer aufgestoßen, dass diese eine Diskussion über den öffentlichen Umgang einiger Lokalpolitiker untereinander anstießen. Der Versuch verlief im Sande.

Lachen oder Weinen?

Erik Donner betitelt unterdessen die Mitglieder der Jungen Union mal wieder als Weicheier, während Tobias Huch den Kollegen Leidecker sowie dessen Kontrahenten David Häußer vom Ficko-Magazin in der Rassismus- Diskussion um das Firmenlogo der Neger-Betriebe ins Bällchenbad einlädt. Leidecker wiederum macht seinen privaten Nachrichtenaustausch mit Mitliedern der Antifa öffentlich, während Felix Schmitt weiterhin nicht von seiner Faszination für Julia Klöckner loskommt.

Deren Parteinachwuchs gibt sich unterdessen originell und ernennt SPD-Innenminister Roger Lewentz alias „Copycat“ zum „Mitarbeiter des Monats“. Grund: Er soll Ideen der CDU abgekupfert und als seine eigenen verkauft haben. Als Wähler, der oder die sich in nur wenigen Monaten für eine der Parteien entscheiden soll, fällt die Einordnung schwer, ob das Gerangel zum Lachen oder Weinen ist. Persönlich verspüre ich hin und wieder den Wunsch, mindestens monatlich die „Goldene Rassel am Band“ zu vergeben, fürchte aber, die (zumeist) Herren würden sich damit doch nur gegenseitig weiter die Köpfe einschlagen, weshalb ich diese Idee ebenso regelmäßig verwerfe.

Was bleibt ist die Hoffnung, dass die zitierten Politiker ebenso wie ihre vielen Kollegen, die genauso agieren, mit ähnlichem Elan und Eifer bei der Sache sind, wenn es um ihren tatsächlichen Job geht. Es gibt nämlich ein Leben außerhalb der sozialen Netzwerke – und da wäre für sämtliche Parteien mehr als genug zu tun.

Erik Donner
http://twitter.com/erik_donner

Tobias Huch
www.facebook.com/tobias.huch

Felix Leidecker
www.facebook.com/felix.leidecker

Felix Schmitt
http://twitter.com/felix_schmitt

von Mara Braun

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