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Die letzte Ruhe – Mainzer Friedhöfe Best of

Kunstvolle und individuelle Grabsteine stehen auf dem Hauptfriedhof

Im November ist Newweling-Zeit: Die Mainzer stellen kegelförmig gedrehte Kerzen in den Farben Rot, Gelb, Weiß, Blau und Grün auf die Gräber ihrer Angehörigen. Grund dafür sind zwei christliche Feiertage: der 1. November – Tag des Friedhofes und Allerheiligen, sowie der 2. November – Allerseelen. Dann ist auf den Friedhöfen fast schon die Hölle los. Insgesamt gibt es 18 Friedhöfe in Mainz. Sie alle werden vom Wirtschaftsbetrieb Mainz verwaltet und verfügen über eine Ausstattung an Parkbänken, Wasser- und Abfallanlagen. Die Öffnungszeiten variieren je nach Jahreszeit. Eine Beleuchtung ist nicht vorhanden und in Zeiten von Halloween wäre auch ein Friedhofsbesuch gruselig.

Mombacher Waldfriedhof
Spaziert man durch den Waldfriedhof, befindet man sich am Naturschutzgebiet Mainzer Sand. In einem 26 Hektar großen Areal wurde er 1921 angelegt. Das Gebiet ist so weitläufig, dass so mancher Besucher das Fahrrad nutzt. Geteerte und gepflasterte Wege führen von der Trauerhalle in alle Richtungen durch den Wald. Auf großzügigen Grünflächen wie dem Ehrenhain und dem russischen Ehrenfeld wird der Gefallenen der Weltkriege gedacht. Daneben befinden sich thematisch getrennte Areale, die unterschiedlich gestaltet sind. Ein Beispiel sind die schlichten rechteckigen Steine von Verstorbenen, die ihren Körper der Medizin vermachten. Eine Besonderheit stellen die Waldgrabanlagen am Ende des Friedhofes dar: Hier sind biologisch abbaubare Urnen unter den Bäumen begraben. Das Gebiet ist natürlich belassen und Grabschmuck verboten. Nur die kleinen Metallschilder an den Baumstämmen verweisen auf die Verstorbenen. Der Mombacher Waldfriedhof bietet den Toten aller Religionen eine letzte Ruhestätte. In seiner Form und Größe ist er einzigartig in Mainz und bietet einen Ort der Stille inmitten von Bäumen.

Gonsenheimer Friedhof
Der Friedhof in Gonsenheim ist sieben Hektar groß und wurde 1931 neben dem Wildpark angelegt. Durch seine Lage am Wald lässt er sich ein wenig mit dem Mombacher Waldfriedhof vergleichen. Zahlreiche Bänke unter Kiefern laden zum Verweilen ein. Neben dem Eingang befindet sich die moderne Friedhofskapelle. Sie steht wie ein Fremdkörper mitten im Wald und stört das harmonische Bild des Friedhofes. Folgt man dem Hauptweg weiter, stößt man auf ein Denkmal von Reginald Krämer. Darauf abgebildet sind eucharistische Fische und eine Taube, ein Symbol für die Anwesenheit Gottes. Dahinter erstreckt sich die kleine Parkanlage mit Grabsteinen, Urnenwänden und Urnengemeinschaftsgrabanlagen. Zwei Ehrenbürger der Stadt sind auf dem Gonsenheimer Friedhof begraben: der Altbürgermeister Franz August Becker und der Maler Joseph Ferdinand Becker.

Alter und jüdischer Friedhof Weisenau
Der Alte Friedhof in Weisenau wirkt wenig „belebt“ und ist etwas verwildert. Kaum ein Spaziergänger verirrt sich auf das 1,8 Hektar große Gelände, welches seit 2001 nicht mehr offiziell genutzt wird. Nur vereinzelt findet man neuere jüdische Gräber und gepflegte Familiengräber. Der rechteckige Friedhof befindet sich innerhalb eines Wohngebietes am Heiligkreuzweg und ist über zwei Eingänge zu betreten. Im Mittelpunkt steht das Ehrenmal Brücke, ein großes Tor aus Stein, das ehrfürchtig an die Gefallenen an den beiden Weltkriegen erinnert. Der Neue Friedhof in Weisenau ist in der gleichen Straße gelegen wie der alte. Der Friedhof hat keinen separaten Parkplatz, man kann aber an der Straße vor dem Eingang parken. Eine Besonderheit sind die Fahrradständer am Haupteingang. Durch ein schlichtes Metalltor betritt man das 2,3 Hektar große Areal, das seit den 60er Jahren genutzt wird. Neben Grabsteinen befinden sich hier auch Urnenwände. Neu sind die schön angelegten Baum- und Rasengräber für eine naturnahe Bestattung. Auffallend viele Verstorbene tragen italienische Namen und Gedenksprüche. Der Weisenauer Friedhof ist klein, aber vielfältig und modern angelegt.


Hechtsheimer Friedhof
Neben der katholischen Kirche St. Pankratius in Hechtsheim grenzt der 3,3 Hektar große Dorffriedhof. Er ist am Ortsrand gelegen, und eine Straße, die in die Felder führt, trennt den neuen vom alten Teil des Friedhofes. Dazwischen findet man ausreichend Parkmöglichkeiten und einen Kerzenautomaten. Im alten Teil um die weiße Kirche herum sind in rechteckigen Feldern Grabsteine und Urnenwände angelegt. Daneben befinden sich eine kleine gelbe und die neuere Trauerhalle. Zwei Statuen – Maria mit dem kleinen Jesus und Jesus am Kreuz – wachen über die Verstorbenen. Der neue Teil des Friedhofes ist moderner und grüner. Auf einem Rundweg durchläuft man die Parkanlage vorbei an Urnengemeinschaftsgräbern. Die Müllanlagen auf beiden Teilen sind kurz vor dem Überlaufen. Grund dafür sind die auffallend gut und regemäßig gepflegten Gräber.

Hauptfriedhof (Zentrum)
Der 1803 gegründete Hauptfriedhof erstreckt sich heute über 20 Hektar zwischen der Saarstraße, der Uni, dem Xaveriusweg und der Unteren Zahlbacher Straße. Trotz der Lage an stark befahrenen Straßen fühlt man sich wie in einem verwunschenen Museum, umgeben von alten Bäumen. Die kunstvollen Familiengruften, Kriegsdenkmäler und gut erhaltene Grabsteine von 1805 lohnen den Besuch zudem. Durch verschiedene Eingänge und geometrisch angelegte Wege kann man quer über das Gelände laufen. Über die Saarstraße führt eine Brücke zu einer Erweiterung des Friedhofes am Taubertsberg. Dort befindet sich der Urnenfriedhof. Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten sind auf dem Hauptfriedhof bestattet. Aber vor allem die Architektur der Gebäude, wie das kuppelförmige alte Krematorium, machen ihn besonders.

Neuer jüdischer Friedhof
Angrenzend an den Hauptfriedhof befindet sich der Neue jüdische Friedhof, der 1881 angelegt wurde. Er ist eine Erweiterung des Alten jüdischen Friedhofes am Judensand, der heute inaktiv ist und zu den ältesten jüdischen Friedhöfen Europas gehört. Für Besucher ist er abgeschlossen, aber man kann sich einen Schlüssel ausleihen. Der Neue jüdische Friedhof ist dagegen öffentlich zugänglich. Durch einen separaten Eingang betritt man das zwei Hektar große Gebiet, das sich an einem steilen Hang befindet. Hinter der kunstvollen Trauerhalle mit Tahararaum verläuft ein Kiesweg. Er führt zu den großen, schlanken Grabsteinen, die in Reih und Glied aufgestellt sind. Unter ihnen findet man kleine Obelisken und kunstvolle Säulen. Auf Grabschmuck wird in den meisten Fällen verzichtet. Dafür werden kleine Steine mitgebracht und auf die Grabsteine gelegt.

Bezirksfriedhof West
Kurz vor Drais, zwischen Feldern und Obstplantagen, befindet sich der Friedhof West. Das 1,4 Hektar große Areal wurde für das Stadtgebiet Lerchenberg sowie als Entlastung für Finthen und Drais angelegt. An der Straße befindet sich eine Reihe von leeren Parkplätzen. Am Eingang des Friedhofes steht ein Kerzenautomat – ebenfalls leer. In der Ferne bietet die „Skyline“ vom Lerchenberg einen schönen Ausblick. Der Friedhof selbst ist klein, aber fein: Gepflegte und geschmückte Stein- sowie Urnengräber bieten den Verstobenen eine letzte Ruhestätte. Vor allem vor den Urnenwänden stehen zahlreiche Blumen, Kerzen und Engelsfiguren. Am Ende des Friedhofes wurde eine rustikale Trauerhalle aus Holz errichtet. In einem separaten Holzkonstrukt ist eine Glocke untergebracht. Der Hauptweg führt um das Gebiet und unterteilt es in verschiedene abgerundete Areale.


Fazit
Die beiden größten Friedhöfe, der Mombacher Waldfriedhof und der Hauptfriedhof, sind von allen Mainzer Friedhöfen am eindrucksvollsten: Der Mombacher Waldfriedhof ist mitten im Wald wunderschön angelegt und bietet jedem Verstorbenen ein angemessenes Grab. Die Waldgrabanlagen sind nur hier zu finden und somit einzigartig. Der Hauptfriedhof stellt mit seinen alten künstlerischen Denkmälern und Bauten einen Schnitt durch die Mainzer Geschichte dar und vermittelt so eine besondere Atmosphäre. Aber auch die kleineren, dörflicheren Friedhöfe haben ihren Charme. Der Hechtsheimer Friedhof „punktet“ durch seine Lage am Ortsrand direkt neben der schönen Kirche. Insgesamt sind alle Friedhöfe ähnlich schön angelegt und ausgestattet. Kolumbarienwände und Urnengemeinschaftsgrabanlagen bieten eine neue Form der Bestattung und eine einfache Pflege für Angehörige. Naturnahe Waldgrabanlagen sind die Zukunft der Friedhöfe. Doch nicht nur das Gedenken, auch die Parkanlagen laden zu einem ruhigen Herbstspaziergang ein.

Anke Wichmann
Fotos: Stephan Dinges