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Das große Durcheinander – Mainz und seine (5) Buchmessen

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OK, wir sind die tolle Gutenberg- Stadt und wir haben ein Faible für Bücher – muss sich Mainz aber deswegen zu einem unübersichtlichen Marktplatz für Belletristik entwickeln? Vor Kurzem ist die fünfte Mainzer Buchmesse aus dem Boden geschossen. Nun haben wir:

• zum dritten Mal die „Buchmesse Rheinland-Pfalz“ vom 22. bis 24. April in der Lokhalle mit 50 Verlagen und Institutionen aus ganz RLP. 2014 mit etwa 10Tsd. Besuchern, 2015 dagegen nur noch 6.000.

• seit 17 Jahren die „Mainzer Büchermesse“ (November im Rathaus), als herbstliches Schaufenster von etwa zwei Dutzend Mainzer Verlagen. Besucherzahl wenige hundert. Konzept wird dieses Jahr geändert

• alle zwei Jahre die 2017 zum 24. Mal stattfindende „Minipressenmesse“ für Kleinverlagsbücher und künstlerische Pressendrucke mit ca. 300 Verlagen und einigen Tausend Besuchern, Tendenz sinkend

• die zum 3. Mal stattfindende „ABOUT“-Buchmesse der Hochschule, die sich an kleine Verlage für Design und Kunst sowie an Selbstverleger richtet, wobei der Fokus darauf liegt, studentische Arbeiten zu präsentieren. Um die 100 Besucher

• zusätzlich erstmalig am ersten Juli- Wochenende in der Altmünsterkirche die neue Messe für Independent-Verlage mit dem Titel „Mainzer Buchmesse der unabhängigen Verlage“, die sich durch ihr „gehobenes literarisches Profil“ von den übrigen Bücherschauen abgrenzen möchte.

Wer oder was unabhängig sein soll ist hier die Gretchenfrage. Dabei sind 21 Verlage aus ganz Deutschland, darunter drei Mainzer (Gonzo, Ventil und Hermann Schmidt).

Jedem sein Süppchen

Böse Zungen könnten sich nun fragen: Wer blickt hier noch durch und zu welcher Messe lohnt es sich zu gehen? Natürlich zu allen, sind sich die Veranstalter sicher. Aber warum kann man nicht die eine oder andere zusammenlegen, wenn sowieso schon Überschneidungen existieren? Die Buchmesse RLP weiß: „Wir sind im Gespräch, aber bisher nicht zusammengekommen.“ Donata Kinzelbach, die bisher die lokale Messe im Rathaus organisiert hat, ist sogar sauer: „Ist unsere Messe nicht gehoben literarisch? Was soll denn jetzt noch diese neue Einrichtung? Wir waren als erstes da und uns fragt man noch nicht mal zu einer Zusammenarbeit.“

Dabei gab es durchaus Gespräche, jedoch liefen die über das Kulturdezernat und Kinzelbach wurde offenbar darüber nicht unterrichtet. In diesem Jahr wird das Kulturdezernat die lokale Mainzer Büchermesse federführend organisieren, die „Arbeitsgemeinschaft Mainzer Verlage“ steht ihr helfend zur Seite. Man will einiges neu machen und damit die „Druck- und Medienstadt“ Mainz stärken. Die anderen Messen sieht man eher als junge Messen, die sich inhaltlich „erheblich voneinander unterscheiden“.

Petra Seitzmayer von der neuen Messe dagegen kennt manch einen Mitbewerber noch gar nicht: „Was ist denn die ABOUT?“ Und die Buchmesse RLP ist auch eher unglücklich mit der Gesamtsituation, verbuchte sie aufgrund von Termin- Kollisionen im letzten Jahr erheblich weniger Besucher als im Vorjahr und auch dieses Jahr musste der angestammte Termin wegen des Gutenberg- Marathons verschoben werden. Frau Dr. Ludwig, Chefin vom Gutenberg Museum und damit auch verantwortlich für die Minipressenmesse, ist immerhin seit Kurzem überzeugt: „Wir werden einen runden Tisch mit allen Verantwortlichen einrichten und das besprechen.“

Poker ums Geld

Fehlende Gelder sind ein weiteres Manko für gut laufende Messebetriebe: Das Land fördert die Buchmesse RLP über den Kultursommer immerhin mit 20.000 Euro. Dazu kommen Sponsorings von Lotto und der ISB Bank. Die Stadt Mainz bezuschusst die Büchermesse sowie die Minipres senmesse in geringem Maße und die ABOUT-Messe finanziert sich über die Hochschule. Somit sind viele Fördertöpfe ausgeschöpft, also muss die neue Büchermesse im Alleingang klarkommen.

Klamme Geldbeutel sind jedoch nicht der einzige Grund mangelnder Kooperation. Vielmehr sieht sich jede Messe als eigenständige Plattform mit abgegrenztem Profil: Die neue Büchermesse findet die etablierte Messe im Rathaus und in der Lokhalle zu regional, die Minipresse möchte sich nicht unbedingt groß verändern und die RLP-Messe dümpelt noch ein wenig zu unbekannt vor sich hin, viel in Werbung investiert wurde bisher nicht. Sätze, wie den von Ralf Peterhanwahr, Pressesprecher der Stadt, hört man daher nicht selten: „Durch die stark unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen würden bei einer Zusammenlegung keine Synergien entstehen.“ Miteinander reden kostet trotzdem nichts, könnte man meinen.

Mehr Zusammenarbeit

Problematisch wird die Gemengelage nicht zuletzt für Besucher, die sich kaum noch zurechtfinden und von mehr Zusammenarbeit profitieren würden. Warum zum Beispiel nimmt eine Minipressenmesse nicht mit der ABOUT Kontakt auf und verjüngt dadurch ihr Publikum, so wie es auch andere größere Messen tun, die Extra- Räume für studentische Arbeiten integrieren?

Hendrik Schneider von der ABOUT gesteht, darüber nachgedacht zu haben, „aber die Minipresse zeigt dann doch eher alte Sachen, die nicht so zu uns passen.“ Was nicht wirklich stimmt. ABOUT und die Minipressenmesse haben mehr Überschneidungen, als sie denken. Was sie trennt ist eine Generationenfrage. Oder warum tut sich die neue Messe in der Altmünsterkirche nicht mit der Lokhalle zusammen, selbst wenn man sich nur in Terminen abstimmen würde? Ein runder Tisch wäre sicherlich eine spannende Sache für alle Beteiligten. Schauen wir, ob es dazu kommt.

von David Gutsche und Lisa Lorenz (Illustration)