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Interview: Die Zukunft von Capitol & Palatin (Paneldiskussion am 29. Januar)

Jochen Seehuber (links) und Eduard Zeiler vor den Trümmern ihrer Existenz?

Die Mainzer Palatin Programmkinos wurden an den Immobilieninvestor Fischer+Co verkauft. Die Betreiber Jochen Seehuber und Eduard Zeiler wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll. Aber es gibt Hoffnung.

Die Palatin Kinos, der Rockkeller „Alexander The Great“ sowie die Shisha Bar „Big Apple“ wurden als Gesamtgebäude in der Hinteren Bleiche im August 2021 vom Mainzer Immobilien-Entwickler Fischer+Co erworben. Wie habt ihr davon erfahren?
Der bisherige Besitzer, also unser Vermieter, erzählte uns vom Verkauf, als wir unseren Vertrag mal wieder verlängern wollten. Wir betreiben das Palatin und Capitol jetzt seit fast 13 Jahren und haben den Vertrag alle zwei bis drei Jahre verlängert. Das war ein fast automatischer Prozess. Jedenfalls hieß es letztes Jahr plötzlich, dass die Immobilie verkauft wurde und der Käufer unerkannt bleiben will. Und dann ging es Schlag auf Schlag.

Das Capitol Kino, das ihr auch noch betreibt, ist aber nicht betroffen?
Nein, das ist ein anderer Vermieter. Aber wir brauchen die vier kleinen Palatin-Säle, denn nur das Capitol mit seinem relativ großen einzelnen Saal zu betreiben, würde bedeuten, auf Til Schweiger und Fast & Furious umschwenken und in direkte Konkurrenz zum CineStar treten zu müssen. Zudem wäre es fraglich, ob das wirtschaftlich funktioniert.

Wie sind Fischer+Co euch begegnet?
Das Gebäude bzw. Grundstück wurde gekauft, ohne mit uns vorher den Kontakt zu suchen. Letztlich haben wir uns bei Fischer+Co gemeldet und in diesen ersten Gesprächen wurde klar, wie der Hase laufen sollte: Maximal ein Jahr Verlängerung, danach Abriss wurde „nicht ausgeschlossen“. Dies hat sich inzwischen glücklicherweise geändert. Fischer+Co haben uns nun mehrmals versichert, das Kino nicht ohne eine alternative Lösung abzureißen. Ein neues Kino-Gebäude in Mainz zu finden, ist dennoch schwierig bis unmöglich: Raumhöhen müssen stimmen, Akustik, Notausgänge, diverse Sachen. Das ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Es gibt unseres Wissens in Mainz keine annähernd vergleichbare Option.

Wie habt ihr auf die Situation reagiert?
Zunächst dachten wir, das war´s. Nach einigem Zögern wendeten wir uns an die Presse, und es entstand zudem eine Petition und eine Initiative diverser Leute. Das ging plötzlich alles ganz schön durch die Decke. Ämter und Behörden äußerten sich, bis hin zum Oberbürgermeister und Staatssekretär, da gerieten Fischer+Co ganz schön unter Druck, so dass weitere Gespräche mit uns und dem Bau- und Kulturdezernat folgten, in denen man uns eine Verlängerung von fünf Jahren anbot. Es wurde sogar eine Pressekonferenz anberaumt mit uns, um dieses Ergebnis zu verkünden. Aber Fischer+Co machten kurz vorher einen Rückzieher: auf einmal hieß es nur noch drei, statt fünf Jahre.

Warum seid ihr darauf nicht eingegangen?
Der Laufzeit-Poker verdrängt das eigentliche Problem: Was spielt es für eine Rolle, ob Mainz in drei oder fünf Jahren ohne Programmkino dasteht? Es gibt keine vergleichbare Kino-Spielstätte hier. Daher haben wir den Gegenvorschlag gemacht, alle Verträge ohne eine Frist, also unbefristet, zu setzen, damit jede Partei kurzfristig aussteigen kann, Fischer+Co, aber auch wir, wenn wir keine Perspektive mehr für uns und die Kinos sehen. Das haben wir als einzig gangbaren Weg gesehen, um uns wenigstens ein letztes Stück Souveränität zu wahren.

Gibt es schon eine andere Perspektive oder gar eine Lösung?
Es ist aktuell noch keine Lösung in Sicht. Aber wir werden auch nicht sofort unsere Segel streichen oder streichen müssen. Fischer+Co sind nun an einer gütlichen Lösung interessiert. Und auch die Stadt, resp. das Kulturdezernat, will sich in den kommenden Wochen äußern. Unser Vorschlag wäre, einen Neubau zu machen: Kino plus Wohnungen – das „Alexander The Great“ könnte so auch im Keller bleiben. Das gesamte Grundstück hat viel Fläche, auch im Innenhof. Man könnte sogar das kommunale Kino „CinéMayence“ mit einbeziehen und hätte so die Chance, ein Mainzer Kinohaus, möglicherweise sogar gefördert durch die Stadt, zu schaffen. Gerade in Zeiten von Biontech-Steuermilliarden ist da vielleicht etwas machbar, auch für eine freie und bunte Kultur in einer Landeshauptstadt. Mainz als expandierender Biotech-Standort und Medienstadt ohne Programmkinos wäre eine traurige Alternative, die nicht wirklich im Interesse der Stadt sein kann.

1933 wurde das CAPITOL erbaut und ist so das älteste Filmtheater von Mainz. Im April 2009 übernahmen Seehuber & Zeiler im Verbund mit dem nicht ganz so alten und mehrmals umbenannten PALATIN das Kino. Das PALATIN hieß früher „City Kinocenter” und davor „Scala”. Ursprünglich handelte es sich um einen einzigen großen Kinosaal. Um 1980 wurde es (unter dem Namen „Scala”) zu vier kleinen Sälen umgebaut. Denn den damaligen Betreiber und Eigentümer umtrieb eine gewisse Geschäftsidee: Pornos – Intimität war geboten. Viele Jahre später sah man die Aufteilung in mehrere Säle als Chance für das Programmkino mit seinen (mal mehr, mal weniger) anspruchsvollen Filmen. Jedoch scheiterte das nachfolgende „City Kinocenter” und erst das neue PALATIN wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Mainzer Kinolandschaft.

Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay

Am Samstag, dem 29. Januar beschäftigt sich ab 14 Uhr im Capitol eine Paneldiskussion mit dem Thema „Kino und Stadt“. Ausgehend von der bedrohten Zukunft des Palatins und des Capitols als konkretem Beispiel soll es bei der Gesprächsrunde, moderiert von Kulturjournalist Alexander Wasner, um die Bedeutung des Kinos für die selbsternannte Medienstadt Mainz und die Zukunft ihrer Kinokultur gehen: Welche Bedeutung hat das Kino für das alltägliche Kulturleben in einer Stadt? Sind Kinos überhaupt erhaltenswert? Warum werden sie, anders als etwa Theater, häufig nicht als Kulturstätten sondern als reines Unterhaltungsangebot wahrgenommen? Sollte man das Kinoangebot fördern? Und wenn, was ist sinnvoll? Wie muss ein Kino ins Stadtbild eingebunden werden, um relevant zu bleiben?

Das knapp zweistündige Panel wird von FILMZ gemeinsam mit dem Fachschaftsrat der Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz veranstaltet. Es gelten die Hygienebestimmungen des Veranstaltungsortes.

Die Gäste im Überblick

Christian Pfeil: Vorstand AG Kino, dem Verband der deutschen Filmkunsttheater,
Geschäftsführer der Arena Filmtheaterbetriebs GmbH München sowie Gesellschafter der
Kinos im Schillerhof Jena und des Metropol Kinos in Gera.

Dr. habil. Andreas Rauscher: Filmwissenschaftler mit den Forschungsschwerpunkten
Filmwissenschaft in transmedialen Kontexten, Comic und Film, sowie Game Studies.
Dr. phil. Elisabeth Sommerlad: Geographin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der JGU
im Postdoc in der AG Humangeographie, dissertierte zum Thema „Interkulturelle Räume im
Spielfilm“.

Über FILMZ
FILMZ versteht sich als Publikumsfestival, weshalb die Gewinnerfilme nicht von einer Jury sondern von den Zuschauer:innen gekürt werden. Während des Festivals entsteht so ein direkter Austausch zwischen Filmemacher:innen, Schauspieler:innen und dem Publikum.
Das FILMZ-Festival wird rein ehrenamtlich von Mitgliedern des Vereins FILMZ e.V. organisiert und lebt daher vom Engagement seiner Mitwirkenden. Förderer des Festivals sind das Land Rheinland-Pfalz und die Landeshauptstadt Mainz. Die 21. Ausgabe von FILMZ – Festival des deutschen Kinos findet vom 3.-13. November 2022 statt.