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Betongold: Wie der Zollhafen-Ausbau auf die Zielgerade einbiegt

Die Nordmole mit den noch offenen Baufeldern am Rheinufer

Etwa 15 Jahre ist es her, dass der Mainzer Zollhafen den Startschuss zum Ausbau erhalten hat, und so einiges hat sich seitdem getan. Teures Wohnen am Wasser vor allem: An die 30 Baufelder wurden von der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG definiert und veräußert – ein Projekt der österreichischen Immobiliengesellschaft CA Immo bzw. deren Deutschland GmbH und der Mainzer Stadtwerke AG –, fast immer zum Höchstpreis an Bankenkonsortien & Co.
Mittlerweile ist fast alles bebaut, in Bau oder zumindest verkauft, außer an der Nordmole (also Richtung Mombach) die Baufelder „Rheinwiesen 4“ und „Hafenblick 2“.

Das „Goldene Haus“ DOXX (Südmole)

Nicht nur die Rheinallee hat sich durch die Bautätigkeit verdunkelt, steht doch dort nun ein ganzer Riegel an Gebäuden – der sogenannte Schallschutzriegel hin zur Straße -, während die Sahnestücke an Immobilien im inneren Bereich stehen, oder eben direkt am Rheinufer. Im Schallschutzriegel gibt es sogar 140 Sozialwohnungen von Sahle Wohnen – ansonsten findet sich im Zollhafen eher das hochpreisige Segment mit um die 95 Prozent der Gesamtbauten. Hervorzuheben sind etwa das „Goldene Haus“ (Pandion DOXX) an der Kunsthalle, mit vielen Problemen während des Baus, das „ZigZag“ gegenüber auf der anderen Hafenseite, und natürlich das alte Weinlager, das einst saniert wurde und an dessen Vorbild sich alle anderen Gebäude ausgerichtet haben – zumindest was die Kachel-Fassade angeht.
Kritisiert wurde auch die intensive Versiegelung des Hafens, insbesondere auf der Südmole. Der eine oder andere vermutete sogar, dass die Aufenthaltsqualität zugunsten des Ruhebedürfnisses der Anwohner bewusst eingeschränkt wurde. Wie auch immer, Stadtwerke und CA Immo haben sich eine goldene Nase verdient.

Özgür Ivecen vom Minthe-Biergarten muss raus und sucht eine neue Location

Wenn man den Hafen mit ähnlichen Projekten vergleicht, etwas dem Hafen in Offenbach, fällt auf den ersten Blick ein relativ „totes Quartier“ auf, denn die Geschäfte öffnen sich eher außen auf die Rheinallee und nicht nach innen in den Hafen hinein, abgesehen von wenigen Gastronomien, so dass ein buntes Leben oft eher draußen bleibt. Für Abwechslung sorgte der F. Minthe Biergarten, der auf Zeit angelegt war, denn nun starten auch hier die Bauarbeiten der Landesbank Baden- Württemberg. Biergarten-Betreiber Özgür Ivecen sucht einen neuen Standort und hat kürzlich seine „Minibar“ am alten Weinlager eröffnet, allerdings nur mit wenigen Sitzmöglichkeiten im Innenbereich für den Herbst und Winter. Zwei weitere Gastronomien finden sich an der Spitze des Goldenen Hauses: zum einen das Hafen Eden, zum anderen die Goldmarie von Louisa Focking. Neben der Kunsthalle ist die Liesbeth-Bäckerei eingezogen, ein Ableger des Pankratiuishofs aus Mainz-Hechtsheim. Auch zwei Hotels wurden gebaut bzw. sind in Planung: an der Nordmole das Super 8, und direkt neben der Kunsthalle entsteht aktuell mit dem H2 Hotel ein weiteres „budgetfreundliches“ Designhotel. Ab November gibt es hier 195 Gästezimmer. Herz des Hotels ist der 24 Stunden geöffnete „H2 Hub“ mit „Frischeinsel“ und „Frontcooking“. Natürlich hat der Zollhafen auch eine Marina erhalten mit einer hochwertigen Schwimmsteg-Anlage und 140 Liegeplätzen. Die Boots-Reihenfolge richtet sich nach der Größe der Boote, die dicksten stehen am weitesten vorne. Chef der Marina (Hafenmeister) ist der alte Stadtwerke-Boss Detlev Höhne.

Das Holz-Hybrid Hochhaus „Timber Peak“ wird gerade vor dem „ZigZag“ errichtet

Weiter im Bau
Aktuell im Bau sind weitere „Grachten“-Häuser, die von Wasser umflossen schräg hinter dem REWE stehen – natürlich muss hier stets Frischwasser erneuert werden – als auch das spektakuläre Holz- Hybrid-Hochhaus der UBM Development (Timber Peak) direkt vor dem ZigZag. Der 40 Meter hohe Timber Peak soll auf zwölf Stockwerken 9.500 qm Bruttogeschossfläche für Büronutzung bieten. Dazu kommt eine Dachterrasse mit Panoramablick. Der Timber Peak ist eins von vier Baufeldern, die von UBM im Zollhafen erworben wurden. Insgesamt werden auf den vier Feldern mehr als 42.000 qm Geschossfläche entwickelt, davon rund 75 Prozent für Wohnen und 25 Prozent für Gewerbe und Büro. Die UBM rechnet mit Verkaufserlösen von mehr als 300 Mio. Euro. Bereits realisiert und verkauft sind die genannten Wohnprojekte „Waterkant“ und „Kaufmannshof“ sowie das Super 8 Hotel. Aktuell im Bau befindet sich noch das Projekt „Flößerhof“ in Partnerschaft mit CA Immo.

Ebenfalls in Bau ist eine 3-Feld- Schulsporthalle sowie eine 6-gruppige Kita hinter dem ZigZag, neben dem eleganten „Stahl-Parkhaus“. Dazu kommen optionale Padel-Tennis-Plätze auf dem Dach – eine Mischung aus Squash und Tennis. Angeblich bestehe großer Ausbaubedarf und ein Investor habe angeklopft, so Sport- und Finanzdezernent Günter Beck. Für ihren Siegerentwurf rechnen die Architekten „schneider+schumacher Weiterbauen GmbH“ aus Frankfurt (die auch schon für das „Goldene Haus“ zuständig waren) mit einer Fertigstellung Ende 2027.

In einem Jahr soll hier das Bürgerufer (ent)stehen. Wieder Beton oder Grün?

Am spannendsten ist nun, was mit dem Rest des Hafens passiert, nämlich der Südmole direkt am Rheinufer, von der Hafenbrücke bis „Zum Schorsch“. Hier wurde den Mainzer Bürgern einst ein Bürgerufer versprochen. Der Entwurf der Berliner SINAI Architekten sieht dafür sogar – man höre und staune – einen gewissen Anteil an Grünflächen und Bäumen vor. Das Konzept zeichnet sich aber sonst durch Rampen, Stufen und Böschungen aus. Eine naturnahe Spielmöglichkeit und Naherholungsnutzung ist beschränkt und nur kleinflächig gegeben – Grillen ist nicht vorgesehen. Insgesamt also ein schmaler Streifen Grün für die Bürger, der den komplett zugebauten Zollhafen und die Betonwüste „Südmole“ in nur geringem Maße rechtfertigt. Alarmierend vor allem die Wohnbebauung in direkter Nachbarschaft. Zoff ist hier vorprogrammiert. Mit einer Fertigstellung des Bürgerufers rechnet man bereits 2024. Mehr Einblick gibt es jedoch bisher nicht. Zollhafen-Pressesprecher Peter Zantopp-Goldmann: „Es gibt neue Pläne, das sind aber sehr detaillierte Ausführungspläne, die nicht druckfähig und auch in Ausschnitten nicht lesbar sind…“

Auf dem abgerissenen „Schorsch“ soll eine neue fancy Gastronomie entstehen

Und was ist mit dem Thema Gastronomie dort hinten? Zum einen hat „Der Schorsch“ dicht gemacht und das Gebäude wurde abgerissen. Zunächst folgen hier weitere Bauarbeiten für den Hochwasserschutz. Das Grundstück will die Zollhafen GmbH zu gegebener Zeit verkaufen. Ziel sei laut Zantopp-Goldmann eine gastronomische Nutzung auf 500 qm Geschossfläche. Über Zeitabläufe könne derzeit allerdings noch nichts Konkretes gesagt werden. Eine weitere Gastronomie soll direkt nebenan entstehen: Die Landmarken AG hat Anfang 2022 das erste Baufeld neben dem Schorsch direkt am Wasser erworben (Rheinwiesen I). Geplant sei ein gewerblicher Nutzungsmix mit Gastronomie und Aufenthaltsqualität. Gespräche mit Interesssenten laufen. Die im Baufeld liegenden Kulturdenkmäler der ehemaligen Festungsbauwerke sollen in das zukünftige Gebäudekonzept integriert werden – Fertigstellung bis 2026.

Für Aufsehen sorgte zuletzt auch der Verkauf des Baugrundstücks „Rheinwiesen III“ fast nebenan, ein Joint Venture der Mainzer BWL Wohnungsbaugesellschaft des Investors Henrik Knodel zusammen mit der Mainzer Volksbank. Damit ist dieses Gebäude bald also auch in Mainzer Hand, wie bereits das Gebäude am Rheinufer vor dem alten Weinlager (das mit der Pferdeskulptur) dem Mainzer Architekten Dirk Klemme gehört. Der Verkauf an Knodel wurde laut Zollhafen GmbH mit einem Aufschlag zum aktuellen Buchwert abgeschlossen. Im nächsten Schritt soll ein Architektenwettbewerb ausgelobt werden. Fertigstellung der Wohnungen ist für Ende 2026 geplant. Ob es vor diesem Hintergrund zur Realisierung des Hafenschwimmbades „Heilige Makrele“ von Alexander Kiefer kommt … da sind wir mal skeptisch. Sicher ist nur eins: Betongold ist immer noch eine harte Währung, und so steht nach dem Ausbau des Zollhafens für die Stadtwerke schon das nächste Areal im Visier: der Ausbau des Gewerbeparks „Die Werft“ in Nachbarschaft zum Hafen (wir berichteten). Die Zollhafen GmbH hat das ehemalige TRIWO-Gelände vor einigen Jahren gekauft. Derzeit befinden sich auf der etwa 30.000 qm großen Fläche, wo einst Blendax beheimatet war, unter anderem das Möbelgeschäft „Möbelum“, das Gründerzentrum „Nordhafen“ und einige weitere, hauptsächlich kleinere Betriebe. Etwa 80 Mieter suchen daher nun eine neue Bleibe, denn alle Gebäude dort werden in Kürze abgerissen und ein neuer Gewerbepark entsteht – in Nachbarschaft zum Hafen.

Text
David Gutsche