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Die Mainzer Wälder sind voller toter Bäume – Sind sie noch zu retten?

Den Mainzer Wäldern geht es schlecht. Früher standen im Lennebergwald viele Kiefern. Heute ähnelt er mehr und mehr einer Steppe. Und auch der Ober-Olmer Wald leidet, obwohl man es ihm erst auf den zweiten Blick ansieht: vereinzelt braungefärbte Baumkronen und abgestorbene Bäume bestimmen die Szenerie.   

Dabei gibt es in Mainz kaum Wald, außer den Lennebergwald bei Gonsenheim mit 700 und den Ober-Olmer Wald mit gerade mal 350 Hektar. Insgesamt also 10 Quadratkilometer Wald mit direktem Anschluss an Mainz. Da hat Wiesbaden wesentlich mehr zu bieten.

Zunehmende Trockenheit
Die zunehmende Trockenheit macht den Wäldern zu schaffen. Die Bäume sterben ab oder werden von Borkenkäfern und Pilzen befallen. Revierförster Stefan Dorschel vom Lennebergwald schüttelt den Kopf: „In diesem Frühjahr hat das Waldsterben angefangen. Die immer kleiner werdenden Abstände zwischen heißen Sommern geben den Bäumen kaum eine Chance zur Erholung. Früher gab es maximal alle zehn Jahre einen heißen Sommer. Heute brennt die Sonne drei Jahre in Folge. Und dazu fällt kaum Regen von Juni bis September.“ In manchen Bereichen ist der Lennebergwald zu über 75 Prozent abgestorben. Vier von fünf Bäumen sind krank. Und der sandige Boden speichert nur wenig Wasser: „Wenn man von oben in eine Buchenkrone guckt, dürfte man normal keine Äste mehr sehen, die müssten von den Blättern verdeckt sein“, sagt Dorschel. Jetzt ragen die kahlen Äste über das wenige Grün hinaus. Die Baumkronen färben sich nach und nach braun. Das Wasser gelangt nicht mehr bis in die Spitzen. Wird der Lennebergwald in zehn Jahren zu einer Wüste? Die Frage ist, ob die Bäume sich der Trockenheit anpassen können. „Das sind unsere Hoffnungsträger“, sagt Dorschel und zeigt auf eine kleine Kiefer, die zwischen Brombeeren wächst. Kiefern sterben zwar auch, verjüngen sich aber wieder, denn sie wachsen relativ schnell nach. Das Buchensterben dagegen ist beunruhigend; wo sie mal waren, sind helle Lichtungen entstanden. Auch hier ist das Sterben von oben zu erkennen. Manche Bäume müssen aus Sicherheitsgründen gefällt werden und kleinere Bäume werden gepflanzt, die weniger Wasser benötigen.

Gestresster Wald
Revierförster Jürgen Koch vom Ober-Olmer Wald hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Der Mischwald befindet sich in einem ähnlich trockenen Gebiet mit wenig Niederschlag. 200 Liter Wasser pro qm fehlen in diesem Jahr: „Jetzt muss man für die Amphibien um jedes Wasserloch kämpfen“, so Koch. Es geht also um den Erhalt eines ganzen Ökosystems. Die Bäume sind gestresst, krank und geschwächt. Sie reagieren unterschiedlich auf Trockenheit: „Dies ist kein absterbender Baum“, zeigt Koch auf einen braunen Laubbaum, „die Blätter sind nur voller Samen von der Hainbuche.“ Die Hainbuche produziert ungewöhnlich viele braune Samen, die die grünen Blätter überdecken. Auf diese Weise reagiert der Baum auf Stress, indem er versucht durch das Ausschütten möglichst vieler Samen das Überleben seiner Art zu garantieren. Wie 87 Prozent aller Bäume reproduziert die Hainbuche sich selbst. Mit Unterstützung der Förster soll sich der Wald weiter verjüngen. Bereits jetzt ersetzen junge Laubbäume absterbende Nadelbäume. Wenn sie im Schutz von anderen Sträuchern überleben, könnten sie die nächste Waldgeneration bilden. Doch auch im Ober-Olmer Wald müssen einzelne Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt werden – Bäume, die noch 100 Jahre hätten leben sollen. Andere Bäume kämpfen weiter: „Schaffen sie das oder sind sie nächstes Jahr kaputt?“, fragt Koch und zeigt auf mehrere Ahorne. Im Frühjahr wird er sehen, welche Bäume neu austreiben. Jetzt müssen sie mit dem Klima klarkommen und sich in kurzer Zeit an die Bedingungen anpassen.

Politik ist gefordert
In welche Richtung entwickelt sich der Wald? Ein kompletter Kahlschlag, wie es in der Vergangenheit praktiziert wurde, wäre laut Dorschel falsch. „Ich sehe es auch als Aufbruch.“ Durch natürliche Verjüngung, Nachpflanzen, Klimaanpassung und im Notfall Wässern soll der Wald erhalten bleiben. Doch das wird keine einfache Aufgabe, wenn sich die Hitzeintervalle weiter ausdehnen. Außerdem kosten diese Maßnahmen Ressourcen und Personal, in den meisten Revieren Mangelware. Das Land Rheinland-Pfalz stellt 2019/2020 dafür zusätzliche 3,5 Mio. Euro bereit. Auf Bundesebene wird eine Erhöhung der Finanzhilfe zur Erhaltung der Wälder gefordert. Auch die Förster sehen das Problem in der Politik. Zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung der Luftschadstoffe müssen her: „Wir können die Fehler im Kleinen beheben, aber nicht das Gesamtproblem lösen.“

Anke Wichmann
Fotos: Stephan Dinges