Laut Flüchtlingsrat RLP habe sich Rheinland-Pfalz auch 2019 im Bundesländer-Vergleich beim Vollzug von Abschiebungen besonders „hervorgetan“. Das gehe aus den Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen im Deutschen Bundestag hervor. Im Verhältnis zwischen der Aufnahmequote und dem Anteil an Abschiebungen belegt Rheinland-Pfalz im Bundesländer-Vergleich – wie schon im Jahr 2018 – erneut den 2. Platz. Nur Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2019 im Verhältnis zu seiner Aufnahmequote noch mehr Personen abgeschoben.
Rheinland-Pfalz hat sich im vergangenen Jahr an 56 der bundesweit insgesamt 168 Sammelabschiebungen beteiligt und belegt in dieser Rangliste damit hinter Nordrhein-Westfalen und Bayern den 3. Platz.
An den bundesweit insgesamt 11 Sammelabschiebungen nach Afghanistan hat Rheinland-Pfalz sich zehnmal beteiligt – nur Bayern, das alle 11 Sammelcharter nach Kabul zur Abschiebung genutzt hat, liegt in dieser Rangliste vor Rheinland-Pfalz.
Bei Dublin-Überstellungen weist Rheinland-Pfalz eine Überstellungsquote (Verhältnis zwischen Zustimmungen zur Übernahme und tatsächlich erfolgten Überstellungen) von 37,05 Prozent auf und liegt damit hinter dem Saarland und Hessen auf Platz 3. Bundesweit lag die Überstellungsquote lediglich bei 28,30 Prozent.
Zwar belegt Rheinland-Pfalz auch bei den Zahlen von GARP/REAG-geförderten „freiwilligen“ Ausreisen im Bundesländer-Vergleich Platz 3, dennoch unterschreitet die – laut Bundesregierung derzeit nur vorläufige – Zahl solcher Ausreisen die Zahl der Abschiebungen im Jahr 2019.
Die hohe Zahl von Abschiebungen in Rheinland-Pfalz lasse sich nicht mit überdurchschnittlich vielen Ausreisepflichtigen erklären. Im Gegenteil: Im Vergleich mit der Aufnahmequote des Landes ist die Zahl der Ausreisepflichtigen in Rheinland-Pfalz unterdurchschnittlich. Zudem sind fast ein Viertel der ausreisepflichtigen Personen in Rheinland-Pfalz afghanische Staatsangehörige. Sie werden – wenn sie nicht straffällig oder als „Gefährder“ eingestuft werden – derzeit ohnehin nicht abgeschoben. Alle Daten, auf die in dieser Pressemitteilung Bezug genommen wird, finden sich in der Anlage. „Wir nehmen mit großer Sorge zur Kenntnis, dass auch im vergangenen Jahr bei Abschiebungen Schutzräume wie Krankenhäuser missachtet und Unterkünfte nachts mit massivem Polizeiaufgebot gewaltsam aufgebrochen worden sind“ sagt Torsten Jäger vom Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP.
„Vielfach von Abschiebungen betroffen waren im vergangenen Jahr Familien mit langjährigem Aufenthalt in Deutschland, Personen, die in Kürze durch Bleiberechtsregelungen die Chance auf einen Aufenthaltstitel gehabt hätten und minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“, ergänzt Pierrette Onangolo vom AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V.
Die Zuständigkeit für die Einleitung und Durchführung von Abschiebungen liegt in Rheinland-Pfalz bei den kommunalen Ausländerbehörden, die hierbei allerdings der Fachaufsicht des Integrationsministeriums unterliegen: „Eine humanitäre Flüchtlingspolitik, zu der sich die Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat, verträgt sich nicht mit dem besonderen Abschiebeeifer, den einige rheinland-pfälzische Ausländerbehörden an den Tag legen“, erklären Torsten Jäger und Pierrette Onangolo.
Der Initiativausschuss für Migrationspolitik RLP und der AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V. erwarten deshalb von der Landesregierung,
dafür Sorge zu tragen, dass die Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz bestehende Vorgaben einhalten, nach denen Abschiebungen aus Krankenhäusern zu unterbleiben haben, das Betreten oder Durchsuchen einer Wohnung zur Nachtzeit zu vermeiden ist und Abschiebeversuche abzubrechen sind, wenn Minderjährige sonst von ihren Eltern getrennt werden;
die Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings künftig in jedem Fall unter den Vorbehalt der ausdrücklichen Zustimmung des Integrationsministeriums zu stellen;
den Ausländerbehörden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Personen mit einer Bleiberechtsperspektive zu identifizieren und bei der Beseitigung verbleibender Hindernisse auf dem Weg zu einer Aufenthaltserlaubnis zu unterstützen;
Zustimmungsersuchen von Ausländerbehörden zu Abschiebungen nach Afghanistan aufgrund der damit verbundenen konkreten Lebensgefahr auch dann nicht stattzugeben, wenn die Betroffenen Straftaten begangen oder wenn ihnen Straftaten zur Last gelegt werden.
Um dem im Koalitionsvertrag der Landesregierung vereinbarten Vorrang der „freiwilligen“ Rückkehr wieder Geltung zu verschaffen, fordern die beiden Organisationen die Landesregierung außerdem dazu auf, Ausreisepflichtigen nach dem negativem Abschluss eines Asylverfahrens den Anspruch auf eine unabhängige Rückkehrberatung einzuräumen. Es muss dabei sichergestellt werden, dass die Entscheidung zur freiwilligen Rückkehr ohne unangemessenen Zeitdruck und ohne Angst vor einer Abschiebung organisiert und tatsächlich vollzogen werden kann.