Text: Ruth Preywisch
Fotos Ramon Haindl
Der Hallenboden quietscht unter den Turnschuhen. Es riecht nach Gummi und Schweiß. „Los geht´s“, ruft Trainer Wolfgang Franz und sofort setzen sich rund 30 Sportler in Bewegung und laufen sich warm. Auf Kommando bleiben alle stehen, springen auf der Stelle und boxen in die Luft – willkommen beim Training im Boxclub-Mainz-1965.
Mit rund 250 Mitgliedern ist er der größte Boxverein der Stadt. Die Mitglieder sind eine buntgemischte Truppe, der jüngste acht, der älteste 72 Jahre alt. Und sie sind nicht alle männlich. Im Verein trainieren und kämpfen auch Frauen. „Wir sind offen für jeden, der sich für den Sport interessiert und ihnsorichtig lernen will“, sagt Johannes Hartrath, Zweiter Vorsitzender des Vereins. Beim Boxen gibt es viel zu lernen, bevor es in den Ring geht. Zu allererst die Kondition. „Deshalb fangen wir immer an mit Laufarbeit und Ausdauertraining“, sagt Trainer Wolfgang Franz. Nach dem Aufwärmen verteilen sich die Boxer über die ganze Halle. Einige versammeln sich an der Wand und boxen gegen dicke Matten. „Das sind die Anfänger“, erklärt Franz, „die lernen die Grundstellung und Grundschläge.“ Erst wenn sie die beherrschen, ist das Training mit dem beweglichen Boxsack und den Kameraden erlaubt.
Ausdauer, Kraft und Technik sind die Grundlagen
„Das Training fordert mich immer wieder selbst“, erklärt Johannes Hartrath, der seit zwei Jahren aktiv boxt. Der Doktorand sieht in dem Sport den idealen Ausgleich zu Studium, Beruf und Privatleben. Ähnlich sieht es auch Andrea Wolf. Ihr Physiotherapeut empfahl ihr dasBoxen, da sie häufig angespannt war. „Hier kann ich mich richtig auspowern“, sagt sie. Anfangs hat sie als Frau niemandem von ihrem neuen Sport erzählt. „Als ich mich dann aber mal getraut habe, haben mich alle groß angeschaut und die Männer oft geschmunzelt.“ Aber das hat sich gelegt. „Ich habe die zum Boxen in den Ring eingeladen, da waren sie meistens still.“ Im Verein bilden die Frauen keine Extra-Gruppe. „Hier trainiert jeder mit jedem“, sagt Wolf. Das gilt auch für Arnulf Pfaff. Vor einem Jahr kam der Einarmige zum Verein und lernte, auch mit seinem Stumpf zu boxen. Berührungsängste haben die anderen nicht. „ Dann könnte man es ja auch lassen“, lacht Pfaff. „Boxen kann man auch mit Handicap“, schwärmt er vom vielseitigen Sport.
Sport fördert Tugenden
Seit der Zweite Vorsitzende Johannes Hartrath den Trainerschein hat, ist für ihn neben dem reinen Sport noch etwas anderes wichtig geworden. „Der Sport hat auch einen sorichtigzialen, gesellschaftlichen Aspekt“, betont er. Denn zum Boxen gehören Disziplin und die Erfahrung und Einhaltung von Grenzen. Das ist gerade für die Arbeit mit Jugendlichen wichtig. Wer in den Ring will, muss auch im Alltag diszipliniert sein. „Wer zum Beispiel am Abend vor einem Wettkampf trinkt, darf nicht antreten“, sagt Franz. Und die Trainer nehmen ihre Verantwortung ernst, denn das Verletzungsrisiko ist hoch. „Bestimmte Sachen gehen nicht, das wird den Jugendlichen schnell klar gemacht“, erklärt Franz.„Wir schaffen hier eine Basis, die ihnen auch später im Berufsleben etwas bringt“, sagt er.
Integration von Migranten
Ausgestattet mit Kopfschutz und Handschuhen boxen in der Mitte der Halle zwei Jugendliche gegeneinander. „Der hat gesessen“, freut sich der eine, als ihm ein guter Schlag gelingt. Sein Gegner lacht. Beim so genannten Sparring werden die erlernten Techniken im direkten Kontakt mit den Mannschaftskameraden ausprobiert. „Das macht am meisten Spaß“, sagt der 13-jährige Semen Kuznetsov. Etwa siebzig Prozent der Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. „Es ist wichtig, dass die nicht nur unter sich bleiben“, sagt Trainer Franz. Nur so könnten die Jugendlichen Vorurteile abbauen. Viele im Verein sind reine Hobbyboxer, doch einige nehmen auch an Wettkämpfen teil. „Das ist natürlich das Größte“, sagt Vereinsjungstar Semen. „Vor dem Kampf bin ich immer total aufgeregt, aber sobald ich im Ring bin werde ich ganz ruhig.“ Trainer Franz ist stolz auf seinen Schützling. „Dem schaut man gerne zu“, freut er sich. Immerhin hat er seinen wichtigsten Kampf gewonnen und trägt jetzt den Titel „Südwestmeister im Schüler-Papiergewicht“.
1 response to “45 Kilo Papergewicht”