Nach langem Warten ist es nun soweit – elf Monate war das Naturhistorische Museum Mainz (nhm) geschlossen, nun öffnet es in neuem Glanz wieder die Tore. Die Besucher erwartet auf 600 qm neu gestalteter Ausstellungsfläche eine Reise durch die Erdgeschichte von Rheinland-Pfalz, die vor 400 Millionen Jahren im Devon beginnt und mit dem Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren ausklingt.
Gezeigt wird in komplett überarbeiteter Präsentationsform der ungeheure Reichtum an Fossilien aus dieser Region. Das „Naturhistorische“ präsentiert dabei über 2.000 Originalobjekte, die in ästhetischer Weise und im Rahmen eines ansprechenden Ausstellungsdesigns präsentiert werden. Hinzu kommen natürlich lebensgroße Modelle von beeindruckenden Urzeittieren, darunter das Wappentier des nhm – das riesige Deinotherium, das die Besucher beim Eintritt in die Haupthalle empfängt.
Bei einem Presserundgang am heutigen Tage erläuterten Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse gemeinsam mit dem neuen Direktor des Hauses, Dr. Bernd Herkner und seiner Stellvertreterin Nicole Fischer, die Veränderungen im Innenleben des beliebten Museums. Das Haus präsentiert sich nach vielen Jahren intensiver Sanierungs- und Umbaumaßnahmen und eines enormen finanziellen Kraftaktes der Landeshauptstadt in neuem Glanz und einem zeitgemäßen Design.
Gerade in der heutigen Zeit, in der junge Menschen in großer Zahl auf die Straße gehen, um auf den Klimawandel und den rasanten Biodiversitätsverlust in der Natur aufmerksam zu machen, sei es von besonderer Bedeutung, „sich mit unserem Planeten und seiner reichen Pflanzen- und Tierwelt auseinanderzusetzen“, betonte Marianne Grosse.
Dazu bietet gerade das neue Naturhistorische Museum reichlich Möglichkeiten, denn das Haus nimmt seinen Bildungsauftrag ernst: mit über 700 betreuten Gruppen pro Jahr vermittelt das Museum mit seinen unterschiedlichen und altersgerechten Programmen naturkundliche Grundlagen, die bei jüngeren, aber auch gehobenen Altersstufen das Bewusstsein für den Wert der natürlichen Vielfalt und deren Bedeutung für den Menschen als Teil der Natur schärft.
Im Mittelpunkt des neuen Museums steht die wechselhafte Erdgeschichte von Rheinland-Pfalz, das reich an Fossillagerstätten ist. Die exzellent erhaltenen Fossilien der Ausstellung belegen, dass sich vor etwa 400 Millionen Jahren in diesen Breitengraden – auch am Standort des Hauses – einst ein ausgedehnter Ozean befand. Mit dieser Zeitepoche beginnt auch der Rundgang durch die Erdgeschichte des Bundeslandes, die sich als sehr wechselhaft darstellte – das Meer verschwand, es wurde trocken, dann eroberte sich das Meer das Land zurück, es tummelten sich hier Haie und Seekühe. Mal war es tropisch heiß, mal sibirisch kalt. All diesen Wandel können die Besucher des Naturhistorischen Museums in einer erlebnisorientierten Weise inszeniert, hautnah erfahren.
Die neuen Ausstellungsräume beherbergen über 2.000 Originalfossilien, die allesamt aus Rheinland-Pfalz stammen, darunter einzigartige Stücke in der Welt. All dies ist beeindruckend und hoch ästhetisch in Szene gesetzt. Eindrucksvoll sind zugleich die vielen lebensgroßen Modelle der einstigen Tierwelt, die von dem spanischen Paläokünstler Ramon López hergestellt wurden – allen voran das mächtige „Deinotherium“, dem Wappentier des Museums.
Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse hatte erst kürzlich den ersten Blick in die Ausstellung werfen können: „Sie ist fantastisch geworden!“ Das moderne Design werde der inhaltlichen Ausrichtung des Museums als auch den museumsdidaktischen Belangen gerecht und füge sich harmonisch in die historische Gebäudestruktur ein.
Rheinland-Pfalz sei weltweit für seine spektakulären Fossilienfundstätten bekannt – etwas durch den Ort Bundenbach im Hunsrück, der Weltrang genieße. Der Bundenbach-Schiefer, so Grosse, berge phänomenale Fossilien aus der erdgeschichtlichen Epoche des Devons und das Naturhistorische Museum verfügt über die bedeutendste Fossiliensammlung dieser Fundstelle.
In einem Diorama werde zudem die Entstehungsepoche lebendig gemacht. Als Schaufenster in eine der „Wilden Welten“ der Urzeit zeige es die Situation vor 400 Millionen Jahren und mache die damalige Unterwasserwelt mit all seinen Bewohnern erlebbar. Grosse: „Am neuen didaktischen Konzept gefällt mir besonders, dass in den einzelnen Ausstellungsbereichen die Arbeit der Paläontologen sichtbar und nachvollziehbar gemacht wird.“ Besonders aufschlussreich wird dies am Beispiel der Fossilfundstätte im rheinhessischen Eppelsheim erläutert. Dort führt das nhm schon seit vielen Jahren regelmäßig Grabungen in den Sedimenten des Ur-Rheins durch.
Alle neuen Ausstellungstücke sind von höchster Qualität und mit „viel Liebe und höchstem handwerklichen Geschick“, so Grosse, umgesetzt. Bis hierher war es jedoch ein langer Weg, der maßgeblich durch den langjährigen Direktor des Museums, Dr. Michael Schmitz, geebnet worden sei, betonte die Kulturdezernentin. Er habe den Umbau und die Neuausrichtung des Naturhistorischen Museums massiv vorangebracht. Ihr Dank galt zugleich dem neuen Museumsdirektor, Dr. Bernd Herkner, der das Projekt fortgeführt und ins Ziel gebracht habe.
Breits im Jahr 2008 begann der mehrstufige bauliche Modernisierungsprozess, der in Folge von Brandschutzauflagen und zur Schaffung von Barrierefreiheit zwingend notwendig geworden war. Im Jahr 2014 folgten mit dem Bauabschnitt III die umfangreichsten baulichen Sanierungsmaßnahmen am Naturhistorischen Museum seit 1962. Dieser Bauabschnitt war von Beginn an eng verzahnt mit der Brandschutzsanierung und der Herstellung der Barrierefreiheit in der Anne-Frank-Realschule, mit der das Naturhistorische Museum diesen Gebäudekomplex teilt.
Ende 2018 konnten die Maßnahmen abgeschlossen werden, wodurch das Naturhistorische Museum nun über eine moderne Gebäudeinfrastruktur verfügt: Der Brandschutz entspricht den gesetzlichen Anforderungen, die Elektrik ist vollständig modernisiert, alle Bereiche sind nun barrierefrei zugänglich.
Dies alles geht natürlich nicht zum Nulltarif. Das gesamte Bauprojekt, einschließlich der Baumaßnahmen an der Anne-Frank-Realschule wurde von der Landeshauptstadt Mainz mit rund 8 Millionen Euro finanziert.
Nach der Beendigung der Sanierungsmaßnahmen konnte auch mit der Umsetzung des neuen Ausstellungskonzepts begonnen werden. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Baumaßnahmen fanden alle Arbeiten der verschiedenen Bauabschnitte bei laufendem Museumsbetrieb statt – eine große Herausforderung für das Team.
Mit Beginn der sukzessiven Umsetzung des neuen Ausstellungskonzepts wurde allerdings ab November 2018 die Schließung des Hauses notwendig. Grosse dankte alle Beteiligten:
„Das gesamte Team des Naturhistorischen Museums, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat hier Großartiges geleistet. Die Landeshauptstadt Mainz ist um eine neue Attraktion reicher.“
Auch der neue Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner ist erfreut über die Neueröffnung: „Wir wollen in unseren neuen Ausstellungen zeigen, dass naturkundliche Sammlungen Datenbanken der Natur sind. Wir sind quasi die Verwalter der Biodiversität, die physische Objekte für die Forschung vorhalten – auch für spätere Generationen. Gerade in einer Zeit des rasant ansteigenden Biodiversitätsverlusts ist diese Aufgabe von großer Bedeutung.“
Wiederöffnung für kleine und große Gäste mit buntem Rahmenprogramm am Wochenende
Das Wochenende steht ganz im Zeichen der Neueröffnung unter dem Motto „Wir sind wieder da!“ – dann öffnet das Haus für kleine und große Besucherinnen und Besucher von nah und fern wieder die Türen: Am Samstag/Sonntag, 28./29. September 2019 lädt das Museum alle Gäste bei freiem Eintritt in und an das Museum, um sich das „Naturhistorische“ zurück zu erobern – mit Street Food, Schnupper-Führungen, Eröffnungsquiz und zahlreichen weitere Veranstaltungspunkten.
Kurzinfo zur Geschichte des nhm
1834 Gründung der Rheinisch Naturforschenden Gesellschaft (RNG) aus der Mainzer Bürgerschaft. Sammlungen erst im Gymnasium, dann im Greifenklauer Hof ausgestellt.
1842 RNG zieht mit Sammlungen ins ehemalige Kurfürstliche Schloss
1910 Eröffnung des städtischen Museums in der Reichklarakirche. Stadt übernimmt die Sammlungen der RNG in ihr Eigentum und stellt im Gegenzug Museum und Personal bereit.
Ende der 20er: wissenschaftliche Grabungen: Roter Hang in Nierstein, Wallertheim (Neandertaler), Wiesberg (Dinotherien-Sande)
1945 Totalzerstörung im Februar, Große Verluste in den Sammlungen
1962 Wiedereröffnung zur 2.000-Jahr-Feier der Stadt Mainz
60er und 70er: Aufstellung der z.T. heute noch aktuellen Ausstellungsbereiche, nhm wird eines der Vorreitermuseen im Bereich Museumspädagogik
1986 Gründung der Landessammlung für Naturkunde RLP am Naturhistorischen Museum der Stadt Mainz
90er: wissenschaftliche Grabung im Eckfelder Maar (Urpferdchen)
ab 2000: wissenschaftliche Grabung in den Dinotheriensanden in Eppelsheim (Wappentier)
ab 2008 Beginn der Baumaßnahmen Bauabschnitte I + II
2014 Beginn Bauabschnitt III
Ende 2018 Fertigstellung der Baumaßnahmen
ab November 2018 Schließung des nhm und Beginn der Umsetzung des neuen Ausstellungsbereiches
28.9.2019 Wiedereröffnung des nhm
Kosten für die Bauabschnitte im Naturhistorischen Museum
- Bauabschnitt:
(im wesentlichen Ertüchtigung des 1. Rettungswegs im Bereich Reichklarakirche und weitere Brandschutzmaßnahmen)
567.600 €
- Bauabschnitt:
Ergänzung des 2. Rettungswegs 3,32 Mio. €
- Bauabschnitt:
Brandschutz und Barrierefreiheit: 2, 416 Mio.€
Ausstattung: 535.765 €
Sanierung: 561.769 €