von David Gutsche, Fotos Frauke Bönsch
Heute befinden wir uns am Park der vereinsamten Zahnmedizin-Studenten, auch bekannt als Römerwald-Park. Es ist der grüne Fleck in der Mainzer Oberstadt zwischen Uni-Klinik, Zahnmedizin, Kupferbergterrasse & Co. Hier mittendrin bzw. am Rande des Parks wohnt Kapitän Vladimir Mladenov, Bootsführerschein erster Klasse – erst kürzlich erworben.
Einige lustige Vögelchen auf den nahen Bäumen leisten ihm Gesellschaft (zumeist Papageien) sowie das fleißige und daher stets hungrige Park-Eichhörnchen.
Bulgarische Wurzeln
Vladimir, kurz Vladi genannt, ist gebürtiger Bulgare, 37 Jahre jung, und kam vor 13 Jahren mit 6.000 Dollar in der Tasche nach Deutschland, um seine Liebe wieder zu sehen. Die verwandelte sich jedoch – wie Frauen nun mal so sind – kurze Zeit später in seine Ex-Frau und so stand er wieder da – mit Nichts in der Tasche, doch immerhin in Deutschland mit einigen Perspektiven mehr als in der alten Heimat: „Durch das Kunststudium meiner Ex-Frau in Düsseldorf kam ich zur Kunst. Und ich bin herumgereist und so kam auch immer mehr Freiheit in mein Leben. Ich habe also mein Wirtschaftsinformatik-Studium abgebrochen und selbst ein Kunst-Studium angefangen.“ Vladi nahm kurzerhand eine Kamera zur Hand und fing an, kleine Filme und Videos zu drehen. 2007 bewarb er sich damit für ein Kunst-Studium an der Mainzer Kunstakademie in der Film & Videoklasse von Harald Schleicher und wurde genommen. Demnächst präsentiert er dort und wahrscheinlich im Capitol Kino seinen Abschlussfilm. Doch ist Vladi nicht nur Künstler im engeren Sinne, sondern auch Lebenskünstler, leidenschaftlicher Koch, DJ (Robothko von der Spaghetti Disco Gang), Musiklover, Streetdancer und Mainzer Life Style-Ikone sowie Mitgründer des Ateliers Zukunft (Mainz) und dem von uns empfohlenen internationalen Club „The Zone“ in Berlin, Neukölln.
Bunte Bude
Bunt wie Vladis Lebenslauf ist auch seine Bude in der Mainzer Oberstadt, in der er seit zwei Jahren wohnt: maritimes Flair gepaart mit wunderschöner Open Air Terrasse und weiträumigen Blick auf die grüne Lunge der Oberstadt. „Hier feiern wir kleine Gourmet-Partys oder genießen einfach nur den Sonnenuntergang oder Vollmond. Dazu gibt es spannende Musik im Hintergrund“, erzählt Vladi und serviert uns nebenbei acht Flaschen Wein und eine Armada aus köstlichem Seafood. Das Hausinnere schmücken allerlei Kuriositäten. Vladi sammelt fleißig Vintage, Sperrmüll und allerlei obskure Sachen: „Ich liebe so alte Dinge …“ Die Wohnung befindet sich auf zwei Etagen im zweiten Stockwerk. Oben auf der Terrasse blüht ein kleiner Gemüsegarten mit Strauch-Tomaten und allerhand Kräutern. Im Inneren gibt es stilechte bulgarische Teppiche, im Afrika-Zimmer Bücher, hauptsächlich Segel- und Reise-Lektüre. Vladi schwärmt fürs Reisen und ist früher selbst viel gereist, in über 15 europäische Länder, Afrika, USA und Lateinamerika: „Ich habe als Fotograf auf vielen Kirmessen in Deutschland gearbeitet. Wir haben da gelebt und sind umher gezogen wie die Zigeuner. Ich versuche, ein Welt-Kulturmensch zu sein. Mein größter Traum ist es, eine Weltreise zu machen. Ich liebe das Reisen, Wandern, Musik und neuen Kulturen und Menschen zu begegnen.“
Vollgefressen gen Süden
Wir befeuern den Grill. Als Vorspeise kommen gebratene Shrimps in Knoblauch auf den Teller. Dazu frisches Brot mit leckerem selbstgemachtem Tsatsiki. Bulgarische Salate und ein Kartoffelsalat mit Petersilie und Dill runden das Angebot ab – vorerst. Als wir Stunden später satt sind und denken, das war es, schmeißt Vladi noch Fisch auf den Grill: acht zweiköpfige Sardellen und drei fette Doraden. Das Feuer schlägt Flammen angesichts des triefenden Fisch-Fettes. Gut für die, die noch etwas essen können. Bewegen kann sich bald niemand mehr und etwas Ruhe kehrt ein auf den Matten. Im Hintergrund knistert das Feuer. Aus der Anlage wimmern sachte Dance-Songs: „Easy Going Fear“ und „Purple Flash – We Can Make It“. Die Lieder stehen für Vladis Lebensphilosophie. Im lauen Sommerwind und bei Vollmond genießen wir das kleine Paradies im Grünen. Fast wie Urlaub. Und als die ersten Schwalben gen Süden ziehen, möchte man sich ihnen nur noch anschließen. Ganz anders als die Vorstellung vom vereinsamten Zahnmedizin-Studenten im Römerpark …