Eine der letzten großen „Brachen“ von Mainz verschwindet: Der sogenannte Nordhafen, auch bekannt als Blendax-Areal, schließt an den Zollhafen an und wurde 2016 der Triwo von der Zollhafen GmbH & Co. KG abgekauft (ein Joint Venture der CA Immo Deutschland mit 50,1 % und Mainzer Stadtwerke mit 49,9%).
Einst hieß es, erst nach der „Entwicklung“ des Zollhafens folge der Nordhafen – nun ist er demnächst schon dran. Zahlreiche Kreative und Agenturen hatten hier bisher günstige Ateliers und Arbeitsräume – darunter auch das Möbelgeschäft möbelum oder das Fitnessstudio CrossFit am Zollhafen auf 1.000 qm.
Aufgrund der schlechten Bausubstanz der Bestandsgebäude seien zahlreiche bisherige Nutzungen nicht mehr möglich. Den meisten der bis zu 80 Mieter wurde bereits gekündigt, mit Frist bis Ende 2024. Frustration macht sich breit.
Neuer Gewerbepark
Auf dem Gelände soll der Gewerbepark „die:WERFT“ entstehen. Er wird von der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG in den kommenden Jahren auf besagter Fläche von 30.000 qm entwickelt, auf dem Areal zwischen der Oberen Austraße und der Hafenbahn. Wie genau die Nutzung aussieht, darüber könne man noch nicht sprechen, so die Zollhafen GmbH. Mehr dazu will sie in den folgenden Wochen bekannt geben. Bei einigen Bauten beginnt der Rückbau voraussichtlich schon im kommenden Jahr. Anfang 2024 müssen die ersten Mieter – unter anderem möbelum – ausziehen.
Raumnot versus Leerstand
Viele Agenturen und Kreative verlieren damit ihre Räume und hoffen nun auf Unterstützung – auch von Seiten der Stadt. Mehrere Gewerbe- und Ladenflächen in der City stehen zwar leer, doch für StartUps sind die Preise zum Teil unerschwinglich. Eine der Ersten, die sich gemeldet haben, war Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). Interessentenbogen für Makler wurden verteilt, doch „versprechen“ könne man nichts. Der Stadt seien die Hände gebunden, da sie selbst kaum über Raum für StartUps & Co. verfüge und selbst für ihr eigenes StartUp-Zentrum einen Platz suche. Fördermöglichkeiten für Gewerbe gäbe es nur begrenzt und oft unter schwierigen Umständen, so Matz. Eine Idee könnte es sein, die Stadtwerke oder die städtische Wohnbau zu bitten, StartUps & Co. einen Teil der entstehenden Gewerberäume (etwa 30 Prozent) analog zum geförderten Wohnen für vergünstigte Mieten zur Verfügung zu stellen, sei es auf dem Areal der „Werft“ oder dem der „Kommissbäckerei“ der Wohnbau an der Rheinallee. Auch der Ankauf der alten Fachhochschule am Holztor durch die Stadt sei hierbei interessant. Doch dies geht natürlich wieder mit viel Wartezeit einher.
Frustrierte Mieter
Marcel Boerckel von objektnormal.com macht in kreativer Keramik und ist verzweifelt: „Natürlich war mir von Anfang an klar, dass dieser Moment kommen könnte. Nun ist er da und die Suche nach einem neuen Studio wird zu einer echten Herausforderung. Was mich aber wirklich frustriert, ist, dass wieder ein Ort verloren geht, der es kreativen und kunstschaffenden Selbstständigen ermöglichte, eine solide Lebensgrundlage aufzubauen.“ Lara Stamm von Studio Stiller sing das gleiche Lied: „Für mich wird es sehr schwer werden, einen vergleichbaren Ort für mein Studio zu finden. Ich brauche Platz, da ich mit meinen Webstühlen zwischen Handwerk und Design arbeite. Ich vermute, dass sich die Miete für mich verdreifachen wird und da komme ich mit meinem jetzigen Geschäftsmodell stark an meine Grenzen.“ Die Miete sei zwar immer wieder erhöht worden, liege aber nur bei rund 11 Euro pro Quadratmeter. Dass die Suche nach neuen Räumen gar nicht so leicht ist, hat auch Lukas Möllenbeck festgestellt. Der Geschäftsführer der Videoagentur „Paco Media“ länger, dass eine Veränderung anstehen würde. „Kommunikationstechnisch war das nicht ideal“, bedauert er. Seine Firma sei durch die Hausverwaltung schon früher informiert worden. „Viele andere haben es aber durch uns erfahren. Das hätte man galanter formulieren können.“ Mit seiner Agentur muss er Ende des Jahres ausziehen. „Wir suchen bereits seit einem Jahr etwas Neues, aber es ist nicht leicht, etwas zu finden, das unseren Anforderungen entspricht.“ Als eine der ersten Firmen muss Anfang 2024
auch möbelum ausziehen. „Wir verhandeln momentan noch darüber, wann genau der Auszug ansteht. Uns wurde lediglich mitgeteilt, dass wir das Gebäude im Lauf des nächsten Jahres verlassen müssen“, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf eine Anfrage der Allgemeinen Zeitung. Die Firma mit Sitz in Würzburg verantwortet in Süddeutschland insgesamt elf möbelum- Standorte, darunter neben Mainz auch in München, Stuttgart und Heidelberg. Fest stehe nur: „Wir wollen auf jeden Fall in der Stadt bleiben, am besten möglichst nah am aktuellen Standort.“ Noch hat die Zollhafen GmbH sich nicht weiter zu ihren Plänen geäußert. Wenn es nicht gelingen sollte, auf dem Areal eine Nische für StartUps & Co. zu finden, ginge einer der letzten von Kreativen genutzten bezahlbaren Freiräume in Mainz verloren. Der Name „Die Werft“ für den Gewerbepark klingt zumindest kreativ und weckt daher Versprechen in die Richtung. Die Frage wird sein, ob die Stadt diese Chance nutzt.
Text David Gutsche
Erschließungsträger ist die Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG (ein Unternehmen der CA Immo Deutschland GmbH und der Stadtwerke Mainz AG).