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Der Soundbastler Bernie: Rocker, Rodder und Rockstar


von David Gutsche, Fotos: Jonas Otte

Wenn man ihn sich so anschaut, vermutet man kaum, dass der alte Knuddelbär eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat: Chef einer Biker-Gang, Prügeleien und Waffen und viel Wut im Herzen. Erst heute – mit einer Portion Altersweisheit – hat sich der Saulus zum Paulus gewandelt.
Doch von vorne: 1954 erblickt Bernie (mit bürgerlichem Namen Bernd-Michael Land) in Frankfurt am Main das Licht der Welt. Im Alter von 16 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Schlosser und Schweißer. Die Vorliebe für Metall ist seinem Heim bis heute anzusehen. Großflächig montierte Platten schmücken so manches Zimmer. Neben seinem Job gilt Bernies Liebe jedoch der Musik. Angefangen hat sie 1969, zu Krautrock-Zeiten. Bands wie Birth Control, Amon Düül II und Guru Guru inspirieren ihn selbst in die Tasten zu greifen – erst an der Orgel und Theremin, Anfang der 70er Jahre folgen vermehrt Experimente mit elektronischer Musik und Sounddesign. 1974 entsteht Bernies erstes Album und er produziert Musik für Film, Theater und Werbung. 1998 folgt die Musiker Community „Elektro-Kartell“. Bis heute kennt Bernie viele alte Hasen der Szene. „Ich sehe mich aber weniger als intellektuellen Künstler, sondern als einfachen Handwerker. Mit meinen Arbeiten möchte ich kein Millionenpublikum erreichen, denn sie sind für vorurteilsfreie Menschen, die sich an meinen verdrehten Ideen und Visionen erfreuen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein kreativer Musiker immer den Mut haben sollte, seinen eigenen Weg zu gehen, wie unorthodox dieser auch immer sein mag, auch wenn diesem Weg Tabus entgegenstehen.“

Im Namen des Teufels
Der großen Musiker-Karriere entgegen stand Bernies Beruf. Den wollte er damals nicht aufgeben, zumal seine erste Frau gerade schwanger war. 1981 macht er also den Schlossermeister und gründet nur zwei Jahre später sein eigenes Unternehmen: Haus- und Sicherheitstechnik. Die Firma existiert bis heute und Bernie sucht derzeit einen Nachfolger, wo es so langsam auf die Rente zugeht. Seinem Technikinteresse entspringt jedoch nicht nur Job und Musik, sondern auch die Leidenschaft für heiße Motoren, vor allem Hot Rods. 1993 gründet Bernie mit anderen die „German Street Rod Association“, den ersten und größten Hot-Rod Club in Deutschland mit fast 400 Mitgliedern weltweit. Das Hotrodding spielt immer noch eine große Rolle in seinem Leben, derzeit bewegt er zwei Rods. Aber auch schwere Motorräder hatten und haben es ihm bis heute angetan, damals inspiriert durch Filme wie Easy Rider mit dem Geruch nach Abenteuer und Freiheit. Die Dinger allein nur zu fahren reichte ihm aber nicht aus und so gründete Bernie 1977 seinen eigenen Motorrad Club, den Beelzebubs Boil Suckers MC: „Das hatte damals noch was von Indianerleben. Heute geht es bei den bekannten Clubs ja nur noch ums Business. Wobei wir damals auch nicht gerade zimperlich waren. Unsere Probleme regelten wir selbst, ohne Polizei.“ Doch diese Zeiten sind seit mehr als zwanzig Jahren vorbei. Mit den heutigen Gangs kann Bernie daher nicht mehr viel anfangen. Alte Ehrbegriffe seien dort nicht mehr gefragt, es gehe nur noch um Machterhaltung: „Aber das wichtigste: Das ist mir alles zu stressig. Im Alter wirst du sanfter …“ erzählt er uns im Sessel, während seine Frau Kuchen und Kaffee kredenzt. Lecker …

Das Gezwitscher der Aliens
So steht die Musik heute umso mehr im Vordergrund. Im „Aliens-Project“ produziert Bernie elektronische und experimentelle Musik, aber auch gemeinschaftliche Projekte mit anderen Musikern: Außerirdische, spacig-groovige Klänge verzaubern und laden zum Träumen ein. Unter seinem Real- Namen „Bernd-Michael Land“ gibt es das Klangkunst- Projekt „Das Lächeln der Bäume“ mit Soundscapes und Field-Recording wie Vögel-Gezwitscher und das leise Knarzen von Ästen. Bernies Arbeitswerkzeug und Medium ist dabei stets der elektronische Synthesizer, als Äquivalent zur menschlichen Sprache. Damit kennt er sich bestens aus und erhält daher sogar Fremdaufträge, wie kürzlich von der Keyboards & Synthesizer Firma KORG, für die er neue Sounds entwickelte. Die Produktion geschieht in seinem Heimstudio vor einer riesigen Wand aus Transistoren, Samplern und Synthesizern aus aller Welt – um die 200 Maschinen im Wert von zigtausend Euronen. Hier thront und schraubt er wie damals an seinen Bikes nun an seinen Sounds. Derzeit befindet sich das Studio jedoch in Auflösung: „Ich werde in vier bis fünf Jahren ein neues Kapitel in meinem Leben einschlagen, das riesige Haus verkaufen, eine kleinere Wohnung mieten und mich ein bisschen auf die Rente vorbereiten. Mein Blick geht stets nach vorne – ich bin immer in Bewegung“ schreibt uns Bernie vor kurzem in einer Mail … „die Musik und mein Studio werden mich natürlich weiterhin begleiten, jedoch alles in einem etwas kleineren Rahmen. Ebenso werde ich auch in zehn Jahren noch meinen Hot-Rod und Motorrad fahren, wenn alles gut geht. Na ja, es geht eben weiter …“

www.aliens-project.de, www.bernd-michael-land.com, www.elektro-kartell.de