von Ann-Christin Eikenbusch & Katharina Dubno (Fotos)
Die überwiegend männlich dominierte DJSzene hat vor allem in Mainz aufgeholt. Bereits seit Anfang der 90er haben sich endlich auch weibliche Plattendreher zu ihren männlichen Kollegen gesellt. Wir haben uns mit fünf regionalen DJanes getroffen, die das Erbe von Größen wie Monika Kruse oder Marusha antreten könnten.
Mit ihnen sprachen wir über den perfekten Abend und über alles andere davor und danach: Welcher Song bringt die perfekte Partyeinstimmung und welcher lässt nach der Nacht wieder runterkommen? Wie es ist, einen Abend lang die Herrschaft über eine Feier-Meute zu haben und mit nur einem Lied über die Stimmung zu entscheiden? Und gibt es noch andere Lebensträume, abseits vom DJ-Pult? Ob weiterziehen, an der Theke den letzten Drink genießen, direkt ins Bett fallen oder mit Freunden im Wohnzimmer den Morgen ausklingen lassen – die Antworten sind so unterschiedlich wie die Frauen, denen wir begegnet sind. Nur eins ist sicher: Die XX-Chromosomen haben es in sich. Und Technik ist keinesfalls nur Männersache.
Sarah Hofmann alias Sarah de la Rosa
Ein wahres Zuckerwatten-Wunderland betritt man, sobald Sarah uns die Tür öffnet: Hier ist der Künstlername Programm. Mit 15 fing ihre Liebe zu Hello Kitty & Co. an und hält bis heute. Mit den glitzernden Gartenzwergen auf der Kommode und dem zartrosa Aschenbecher auf dem Esstisch wirkt die 29-Jährige trotzdem alles andere als kleinmädchenhaft. Ihr braunes Haar ist raspelkurz geschoren, die langen Wimpern rund um die großen Augen sorgsam getuscht, das Auftreten selbstsicher und bodenständig. Dass sie vor ihren Auftritten extrem aufgeregt ist, merken die Wenigsten. „Vorher gibt’s ein paar Glas Sekt. Oder direkt einen Schnaps“, plaudert sie und lacht. Nach den ersten drei Tracks sei sie dann schließlich gerettet, entspannt und bereit für die folgenden Stunden. Dabei kann sie sich mit ihrem Ruf und den bisherigen Referenzen kaum beschweren: Sarah ist Teil des DJ-Kollektivs „WIR + IHR“, das regelmäßig Events unter dem Titel „Momente“ im Mainzer 50Grad bespielt. Hier kommt ihr ausschließlich Musik elektronischer Art auf den Teller, generell spielt sie am liebsten TechHouse der härteren Gangart. Die ersten Gehversuche als DJ machte die Medienmanagement- Studentin vor sieben Jahren an der heimischen Anlage, bis sie 2006 in einem Saarbrücker Club ihren Thekenjob gegen das Pult eintauschte. In der „Unsichtbar“ in ihrer Heimatstadt arbeitet sie mittlerweile als Resident, hier in Mainz kann man sie auf der bouq oder im 50Grad anschauen. „Der Job ist oft auch sehr anstrengend. Man muss sich durchgehend konzentrieren. Das zehrt an den Kräften, macht jedoch so unglaublich viel Spaß!“ erzählt Sarah. Der erste Weg nach Feierabend führt sie meistens an die frische Luft, raus in die Nacht und in die Stille. Für ihr restliches Leben kann Sarah sich diesen Job allerdings nicht vorstellen, mit 40 möchte sie nicht mehr unbedingt da oben stehen und den feiernden Menschen die perfekte Nacht bieten. Muss sie auch gar nicht. Hauptsache, sie bleibt den Mainzern zumindest noch eine Zeit lang erhalten. Denn was wäre das Leben, oder besser gesagt das Wochenende, ohne ein bisschen Rosa und Glitzer-Glitzer? Nächster Gig: 22.12., Unsichtbar Saarbrücken www.facebook.com/sarahdelarosa.music
Jenny Sulejmanov alias Jenny Furora
Das Berghain in Berlin hat bekanntermaßen die härteste Tür der Welt. Rein kommen nur die, die überzeugen. Für den Weg nach ganz oben, an die Plattenteller des berüchtigten Clubs, braucht es auch etwas mehr als die richtige Attitüde. Ganz nach oben kommen nur die Besten – und eine davon will Jenny werden. Einen Schritt in die richtige Richtung machte die 25-Jährige bereits bei der diesjährigen Nature One und durfte sich in eine Reihe mit Technogrößen wie Sven Väth oder Paul van Dyk stellen. Weitere Punkte auf ihrem Haben-Konto sammelte sie mit ihrer Residency im U60 in Frankfurt, ihren Gigs im Wiesbadener Basement und regelmäßigen überregionalen Auftritten. Das einzige, was Jenny nicht leiden kann, sind Musikwünsche: „Ich bin doch keine Jukebox!“ Dabei ist sie selbst ein sehr kritischer Partygänger, mit David Guetta bekommt man sie unter keinen Umständen auf die Tanzfläche. „Der DJ muss etwas Eigenes, Persönliches von sich mit in die Sets bringen. Einfaches Rauf und Runter der Top 10-Charts gehen überhaupt nicht!“ Weibliche DJs schätzt Jenny daher sehr: „Frauen haben einfach diesen Sinn für Ästhetik. Das spürt man beim Auflegen total.“ Sie wünscht sich mehr von ihrer Sorte in Mainz, ein Publikum, das einen guten DJ und ein gutes Set zu schätzen weiß – und bereit ist, dafür einen angemessenen Eintritt zu zahlen: „Es gibt schon ein paar Leute, eine Community, die das auch supportet. Aber gerade hier in Mainz sind es zu wenige“, bedauert Jenny. Sie vermisst einen kleinen, undergroundigen, rein elektronischen Laden. Genau dafür liebt sie die ungezwungene Feierszene der Hauptstadt, das große Angebot, die tanzwütigen Leute. Und vor allem eben das Berghain, an dessen Tür sie selbst auch schon abgewiesen wurde. Doch wer weiß? Möglichweise ist sie bald diejenige, die getrost an der Schlange vorbeirauschen und selbst für ordentliche Furore sorgen wird. Nächster Gig: 28.12., New Basement Wiesbaden & 31.12., U60311 Frankfurt www.facebook.com/dj.jenny.furora
Sophie Nixdorf alias Sophie Nixdorf
In der Bahn ein Foto bei Facebook hochladen, etwas Lustiges posten oder per Videoaufnahme einen kleinen Einblick ins Set geben – schon auf dem Weg zum Club kommuniziert Sophie Nixdorf mit ihrem Publikum, bringt sich gemeinsam in Stimmung und wartet voller Vorfreude auf die kommenden Stunden. „Die Menschen gehen wegen dir dahin. Die begeistern sich für das Gleiche wie du. Das ist der Wahnsinn!“ Ein Nachtmensch war Sophie schon immer, in Clubs geht sie, seit sie 13 ist. Und ein Musikmensch ist sie ebenfalls: Bereits als Zehnjährige saß sie stundenlang vor dem Radio und wartete auf den richtigen Song für ein neues Mixtape. Als sich das Lehrerkind dann vor zehn Jahren den ersten Plattenspieler kaufte, holte ihr bester Freund sie nach zweijähriger Übungsphase vom heimischen Pult an die öffentlichen Plattenteller verschiedener Clubs, Privat-partys und Festivals. So ist Sophie Nixdorf mittlerweile zu einer festen Größte im elektronischen Bereich des Rhein-Main-Gebiets geworden. Seit 2009 produziert sie auf dem Label OVERDRIVE selbst, seit 2011 teilt sie sich die Labelführung mit Gründer und Kollege Andy Düx. Wenn sie sich nachts vom U60 oder dem 50Grad auf den Heimweg macht, läuft jedoch meist der Klassik- Sender. „Ich brauche das Ruhige zum Runterkommen“, erklärt sie. Und sowieso pendelt ihr Leben ständig zwischen zwei Extremen: Unter der Woche tauscht die gelernte Werbekauffrau die Plattenteller gegen einen Schreibtisch und wechselt so von elektronischen Bässen zu Bossa Nova-Tönen aus dem morgendlichen Radioprogramm. Am liebsten aber würde Sophie mal wieder mit Freunden und Gitarren eine Lagerfeuersession veranstalten, anstatt ständig grölender Teil der Feiergemeinde im Club zu sein. Mit Sophie Nixdorf geht’s also mal extrem laut, aber zugleich auch unglaublich gemütlich (durch die Nacht.) Nächster Gig: 8.12. & 15.12., U60311 Frankfurt www.sophienixdorf.de
soundcloud.com/sophienixdorf
Katharina Hirsch alias Katronica
Katharina ist ein Kopfmensch. Sie ist perfektionistisch, macht sich viele Gedanken und setzt sich dabei auch gerne mal ein wenig zu sehr unter Druck. Dieses Kopfding kommt auch in ihrem Hauptberuf zum Tragen: Eine IT-Administratorin muss strukturiert sein, logisch denken können, eben ihren Kopf benutzen. Organisation ist das Wichtigste. So anders, wie ihr Leben als DJ auf den ersten Blick dazu aussieht, ist es aber ganz und gar nicht: Auch das Auflegen ist schon mal im elektronischen Bereich angesiedelt. Und ihre Platten trägt sie fein säuberlich in einem alten Schulranzen in die Fiszbah, in der sie jeden zweiten Mittwoch auflegt. Der wird schließlich an die pink besprühte Bierkiste gestellt, die extra für sie zum Sockel umfunktioniert wurde. Denn: Katronica misst gerade mal 1,56 Meter. „Anfangs war’s einfach zu klein, um vernünftig an der Anlage arbeiten zu können“, erzählt sie und lacht. Doch dann konnte es losgehen. Katharina kann ihre wahre Größe zeigen, endlich den Kopf abstellen und nur noch die Musik sprechen lassen. Wenn sie nach dem Auflegen nicht noch mitfeiert oder weiterzieht, macht sie es sich auf ihrem Sofa gemütlich und hört Sachen wie Feist oder Alanis Morissette, Ruhepole zwischen den sonst eher donnernden Bässen von Boys Noize, iPunk oder Deadmau5. „Minimal ist mir zu lame. Ich brauche Geschredder und Gedröhne. Maximal muss es sein. Oder ganz einfach: Katronisch!“ Diesen von ihr selbst kreierten Stil kann man neben der Fiszbah auch im SchonSchön beim „Eletrco-Raclette“ erleben: „Ich bin der Käse. Und Käse darf beim Raclette niemals fehlen!“, betont sie eindringlich. Eine Art „Katronica & Friends“ ist das dann, wenn sie sich gemeinsam mit einem DJ-Partner an die Turntables begibt. Ein bisschen Deep- House hier, ein wenig Techno da, eine Prise New Rave und viele weitere Zutaten stehen dann auf der Liste. Kräftig durchmischen das Ganze, et voilà: Fertig ist das ultimative Tanzerlebnis à la Katronica! jeden zweiten Mittwoch, Fiszbah Mainz & 5.1. Electro-Raclette im Kulturclub schon schön www.facebook.com/KatronicaDJ
Maria Blocksberg alias Tussenmafia
Wodka, Petersilie und ein bisschen Kaviar. Schon beim Anblick ihres Kühlschrankinhaltes lassen sich Marias russische Wurzeln nicht verbergen. Als Kind kam sie mit ihren Eltern aus Moskau in den Westerwald, vor einigen Jahren zog es die 23-Jährige Hochbegabte schließlich für ihr Slawistik-Studium nach Mainz. Ein Studium der Philosophie hätte sie vorgezogen, in böser Vorahnung auf eine Karriere als Taxifahrer riet ihr Vater als Professor dieses Fachs jedoch nachdrücklich davon ab. Nun ist die Musik Marias Philosophie und gibt ihr die Weisheiten, die sie fürs Leben braucht. Maria ist wild und unberechenbar, eine echte Rampensau eben. Dass sie manchmal zu sehr durchdreht und dafür böse Blicke erntet, liege am Fehlen einer entscheidenden Erfahrung: „Du bist so asozial, weil du nie im Kindergarten warst, sagen meine Freunde dann!“, erzählt sie und lacht. Freunde hat sie sich früher nach Musikgeschmack ausgesucht, schon früh dominierten verzerrte Gitarren und laute Stimmen ihre CD-Sammlung. „Mit 13 hatte ich die letzte Phase der Scheißmusik. Danach ging’s bergauf!“ Schlüsselmoment ihrer großen Leidenschaft war das Festival „Rheinkultur“ in Bonn – das erste große Konzert spielten die schwedischen Jungs von Mando Diao. Mit 17 sang Maria in der Punkband „Beat Urban“ und tauschte wenige Jahre später die Bühne gegen das DJ-Pult – zuerst in kleineren Bars und Clubs in Koblenz, mittlerweile im Mainzer Kulturclub SchonSchön. Und aus Maria ist Tussenmafia geworden, zu den verzerrten Gitarren haben sich elektronische Klänge gesellt und bilden als Indie, Garage, Elektro und Trash eine tanzbare Mischung in ihrer Playlist. Sie versteht ihren Job auch als Bildungsauftrag: „Ich will den Leuten gute Musik zeigen, ihnen einen guten Musikgeschmack anerziehen!“ Neben der Wahl der Musik gebührt Maria aber noch etwas, das allen anderen im SchonSchön verwehrt bleibt: „Ich darf als einzige im Tanzbereich rauchen. Oder besser: Ich mach‘s einfach! Aber ich rauche auch echt wie ein Schornstein, wie sollte ich das sonst durchhalten?“ Ja, Maria ist eine Rampensau. Aber eine Rampensau mit guter Musik im Laptop, steter Zigarette im Mundwinkel und teurem Wodka im Kühlschrank. Na sdorowje! Nächster Gig: 4.12. & 11.12., Kulturclub schon schön, Mainz www.facebook.com/Tussenmafia