Text: Nora De Lon
Fotos: Jonas Otte
„Atomkraft – abschalten, Atompolitiker – abwählen!“ schallt es choral seit geraumer Zeit immer montags ab 17.30 Uhr von den Straßen und Plätzen der Mainzer Altstadt. Die Montagsspaziergänger sind mal wieder unterwegs. Das Revival der 80er-Jahre schlägt sich nicht nur in der Modeabteilung von skandinavischen Kürzelfirmen nieder, auch die „Atomkraft? Nein danke!“-Demos von damals haben Hochsaison. Anfangs noch von konservativer Seite aus belächelt, sind sie seit dem jüngsten Reaktorunglück in Fukushima zum ernst zu nehmenden Politikum avanciert. Doch auch wenn die Präfektur im Nordosten Japans etliche Meilen von Deutschland entfernt liegt – die Meiler Biblis A und B befinden sich mit nur 37 Kilometer Luftlinie ganz nah an Mainz. Mit ihren vier 80 Meter hohen Ventilatorkühltürmen schmücken sie das ländliche Idyll der oberrheinischen Tiefebene und zählen mit rund 35 Jahren Laufzeit zu den heimischen Reaktor-Urgesteinen. Zum Demonstranten-Urgestein kann sich hingegen Ute Wellstein rechnen. Die Arbeitsmedizinerin und regelmäßige Montagsspaziergängerin kennt Biblis noch von seinen Anfängen Mitte der 70er Jahre: „Man hat uns damals Gottweiß-was erzählt! Wie sicher alles wäre. Dabei konnte man aus dem Fenster gucken und Biblis B, das damals gerade gebaut wurde, war vollkommen ungeschützt“, so die Ärztin, die damals bei der medizinischen Aufsichtsbehörde in Hessen tätig war. Heute untersucht sie Uran-Arbeiter und Einsatzkräfte, die bei Störfällen im Atomkraftwerk eingesetzt werden.
Und Biblis so nah
Und davon hat Biblis mehr als genug: Das Bundesamt für Strahlenschutz zählt insgesamt über 800 Störfälle seit der Inbetriebnahme. Damit führt das Alt-AKW die Charts der deutschen Pannenreaktoren haushoch an. Auch wenn Biblis B wegen Jahresrevision schon seit längerem stillgelegt wurde, die Laufzeit seines älteren Bruders wurde im Rahmen des Moratoriums lediglich für drei Monate unterbrochen und soll nun durch eine Klage des Energiekonzerns RWE wieder fortgesetzt werden. Diese Forderung mutet ob der mangelnden Sicherheitsstandards katastrophal an: So ist Biblis A das einzige AKW in Deutschland, das nicht über ein unabhängiges Notstandssystem verfügt. Wichtige Sicherheitsfunktionen wie Notkühlung oder Abschaltung sind demnach nicht garantiert. Bei Erdbeben, Flugzeugabstürzen oder Anschlägen wäre das Kraftwerk nicht mehr unter Kontrolle zu bringen, es könnte zu einem Austritt von Radioaktivität kommen und tausende Quadratkilometer rund um den Atommeiler müssten evakuiert werden. Das Ergebnis wäre im schlimmsten Fall ein dauerkontaminiertes Niemandsland wie in Tschernobyl oder demnächst Fukushima.
Energiewende früher als gedacht?
Umso wichtiger ist es also, in neue Energien zu investieren und so den Atomausstieg voranzutreiben, einen Umstand, den auch die Mainzer erkannt haben: Die auf den Montagsspaziergängen verteilten rund 8000 Flyer für den Wechsel zu Ökostrom wurden bisher mit großem Interesse entgegengenommen. „Die Menschen möchten selbst aktiv werden“, so die Initiatoren. Dieses energetische Umdenken manifestiert sich auch im Ergebnis der diesjährigen Landtagswahlen, bei denen die Grünen 15,4 Prozent erreichten. Kommt jetzt also endlich frische Windkraft in die Sache? Strotzen unsere Leitungen bald vor Sonnen- statt Kernenergie? Derzeit setzt sich die Energieversorgung in Mainz aus etwa 10 Prozent Atomstrom, 20,5 Prozent Kohle, 45,5 Prozent Gas und 24 Prozent Erneuerbaren Energien zusammen. Bis zum Jahre 2020 sollen sogar 30 Prozent des Strombedarfs aus regenerativen Quellen erzeugt werden, ein Ziel, das durch diverse Projekte begünstigt wird: So wirbt etwa SCHOTT Solar unter dem Motto „500 Dächer für Mainz“ für eine Initiative, die Immobilienbesitzern Photovoltaikanlagen zu Sonderkonditionen zur Verfügung stellt. Seit dem Start im August 2009 wurden bereits 63 solcher Anlagen realisiert, die über 400.000 kWh Sonnenstrom im Jahr liefern. Somit stünde einer biologisch abbaubaren strahlenden Zukunft ja nichts mehr im Weg – oder um es mit den Worten der Montagsdemonstranten zu sagen: „Energiewende – jetzt!“
Irgendwie komme ich bei der Berichterstattung durcheinander.
Die Autorin schreibt:[…]Wichtige Sicherheitsfunktionen wie Notkühlung oder Abschaltung sind demnach nicht garantiert. Bei Erdbeben, Flugzeugabstürzen oder Anschlägen wäre das Kraftwerk nicht mehr unter Kontrolle zu bringen,[…]
Wikipedia selbst bringt: […]Da die Blöcke fast baugleich sind und zudem unterirdisch miteinander verbunden sind, ist es im Notstandsfall möglich, durch eine im jeweiligen Nachbarblock angesiedelte Notstandswarte den Nachbarblock zu betreiben und im Notstandsfall geregelt abzufahren und die Nachwärmeabfuhr sicherzustellen. […]