Direkt zum Inhalt wechseln
|

Ihm schmeckt’s nicht – Kommentar zum Auf und Ab im Mainzer Gastro-Dschungel

gastro-karikatur

„Die Mainzer Gastronomie-Szene boomt. Fast wöchentlich eröffnen in der Stadt neue Lokale oder Food- Konzepte“ – war kürzlich in der Zeitung zu lesen. Allein 2015, so die Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen (IHK), wurden 89 neue Gastrobetriebe vor Ort gegründet, das sind sieben bis acht pro Monat. In 900 Gastronomie-Betrieben kann sich der Mainzer also bewirten lassen. Logisch, dass da manche Konzepte genauso schnell wieder zumachen, wie sie eröffnet haben.

Kürzlich betroffen von Schließungen waren unter anderem Brits Kwisin, das Wilde Leben, Real Blind, die Hoppetosse, das vegane Weinlokal Gutenberger oder das Ponderosa Steak House in Ebersheim, um nur einige wenige zu nennen. Man erinnere sich auch noch an die Weinhaus-Wechsel im Sommer, wo gleich vier bis fünf Weinstuben und Restaurants ihre Lokalität umzogen. Boomt Mainz (gastronomisch) also wirklich, so wie es manche herbei reden wollen?

An der Realität vorbei

Ein Restaurant ist ein komplexes Unterfangen. Das scheint einigen nicht ganz klar zu sein. Falsche Kalkulation, oft auch schlechte Qualität oder zu überteuerte Preise vor allem bei neuen Konzepten gehen nicht selten am gewünschten Ergebnis vorbei. Einige Abenteurer orientieren sich nicht einmal an der Nachfrage, sondern scheinbar nach irgendwelchen Hochglanzmagazinen und fixen Trends, die am Konsumverhalten und der Masse der Menschen zumeist vorbei gehen.

Vielleicht sind manche Ideen aber auch zu früh für ihren Markt… Die Zeiten, dass eine Premiumlage allein schon für volles Haus sorgt, sind weitestgehend gezählt. Richtig machen es derzeit viele Burgerläden, denn Fleisch boomt immer noch und Burger sind beliebt. Vor fünf Jahren war es die Currywurst und auch asiatische ToGo-Läden scheinen ihre Zielgruppe zu finden.

Auch professionale Sterne-Restaurants sind im Rahmen erfolgreich sowie natürlich urige Weinstuben in der Regel. Generell kann man sagen, wenn das Konzept einigermaßen stimmt, Lage und Qualität obendrein, dann ist es zumeist ein Erfolg. Doch wenn ein selbst ernannter Premium-Gastronom es nicht einmal schafft, eine Pfeffermühle statt Pulver auf den Tisch zu stellen, dann kann das schon stutzig machen.

Konkurrenz belebt und verlebt

Warum ist Mainz trotz vieler Fallstricke so beliebt und was ist das Geheimnis, damit ein Lokal funktioniert? „Mainz ist jung, innovativ und prädestiniert für neue Konzepte. Langsam sind es aber einige zuviele für so eine kleine Stadt“, meint Kamil Ivecen. Er betreibt mit seiner Familie das Lomo, das Hintz&Kuntz, das LeBonbon und das Cuvée. Jeder Laden mit einem etwas anderen Konzept. Am „schicksten“ davon ist das LeBonBon. Es teilt sich mit anderen Qualitäts-Konzepten (Hubert, Gutleut, Gatsby…) die gleiche Lage und steht dadurch im harten Wettbewerb.

Ganz in der Nähe in der Gaustraße betreibt auch Gastronomin Vera Kohl das Café „Dicke Lilli, gutes Kind“. Direkt nebendran befindet sich ihre neue Weinbar „Marlene“ sowie eine kleine Eisbar, alles in einer Hand. Obwohl immer mehr Gastros in der Umgebung aufmachen – erst kürzlich das Weinhaus Ladendorf am Fuß der Straße – pflichtet auch sie Ivecen bei. Man schient also trotz Widrigkeiten seine Kundschaft zu finden. Doch tatsächlich hat das Business auch seine Härten, nur möchten die wenigsten offen darüber sprechen.

Alles super, alles positiv?

Auch Enchilada-Geschäftsführer Torsten Petersen ist sich sicher, dass Mainz der richtige Ort für neue Ideen und Erlebnisgastronomie ist. Vor 14 Jahren ging das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in München hat, mit dem Besitos am Bahnhof an den Start, vor fünf Jahren mit dem Aposto am Gutenbergplatz, vor zwei Jahren mit dem Big Easy am Rheinufer Höhe Rathaus und vor wenigen Wochen mit Wilma Wunder in den Markthäusern.

Mit letzterem startet die Enchilada-Gruppe, die in Deutschland über 120 Restaurants mit 130 Mio. Euro Umsatz betreibt, einen Testballon. Hier soll die Markttauglichkeit des Konzeptes ausprobiert werden.  „Die Mainzer sind offen für Neues, es gibt viele Studenten, keine Woche vergeht ohne Veranstaltung“, sagt Petersen. Der Wettbewerb sei hoch, die Jungkreativen strömten mit ihren Gastro-Konzepten auf den Markt, meint auch der Mainzer Enchilada-Franchisenehmer Markus Hoffmann,  „und die Weinhäuser erobern das nächste Level“.

Der Erfolg gibt ihm Recht: Viele Leute rennen tatsächlich gerne in Ketten- und Franchise-Konzepte: ob Alex am Gutenbergplatz, Hans im Glück, die Extrablätter, Vapianos und Konsorten … läuft. Irgendetwas an diesen maßgeschneiderten, oft gleichen Konzepten scheint viele Menschen zu faszinieren. Daneben gehen dann nicht wenige Jungkreative mit ihren Ideen baden, „modernes Scheitern“.

Wir wollen keine Namen nennen, aber genügend Bars, Restaurants und Clubs arbeiten für nur wenig bis gar keinen Gewinn und Richtung Selbstausbeutung. Von daher: Wenn das Konzept einigermaßen stimmig ist, dann kann auch eine kleine Stadt wie Mainz gastronomisch ein El Dorado sein. Doch der Ehrlichkeit halber muss man sagen: Viele neue schicke Konzepte bleiben am Ende leider auf der Strecke.

von David Gutsche

Illustration: Lisa Lorenz