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IHK für Rheinhessen: Wirtschaftliche Entwicklung kommt nicht in Schwung

Die Unternehmen in Rheinhessen kämpfen weiterhin mit der Konsumflaute, gedämpften Exporterwartungen und zahlreichen geopolitischen Krisen: Die Wirtschaft in der Region tritt auf der Stelle, die Betriebe halten sich mit Investitionen in den Standort zurück. Vor allem die Erwartungen der Industrie – einer der starken Motoren für die rheinhessische Wirtschaft – sind auf einen Tiefstand gesunken.

Das zeigen die Rückmeldungen der Unternehmen bei der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen zum Frühjahr 2024. Der Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung, fällt von 101 Punkten zum Jahresbeginn jetzt auf 99 Punkte und rutscht damit knapp unter die Wachstumsschwelle von 100 Punkten. „Es fehlt der konjunkturelle Rückenwind“, stellt IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz fest.

So schätzen die Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage besser ein als ihre Geschäftserwartungen. „Der Pessimismus zeigt sich auch darin, dass Investitionen zurückgehalten werden – dabei sind diese entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft.“ Als Hauptursache nennen die Unternehmen ungünstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und mangelnde Planbarkeit. „Die Wirtschaftspolitik muss daher dringend die vielfältigen Strukturprobleme angehen und einen investitionsfreundlichen Kurs einschlagen“, mahnt IHK-Präsident Dr. Marcus Walden.

„Besonders in unserer exportstarken Region dürfen wir den Anschluss im globalen Wettbewerb nicht verlieren.“ Schließlich werde in Rheinhessen mehr als die Hälfte des Umsatzes im Ausland erzielt. Als Stellschrauben nennt Walden: weniger Regulierung, eine größere Verlässlichkeit der Wirtschaftspolitik, Steuererleichterungen und geringere Abgabenbelastungen sowie mehr Effizienz bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. „Das würde den Unternehmen mehr Spielraum für Investitionen am Standort verschaffen.“

Aktuelle Geschäftslage hat sich verschlechtert, Betriebe hoffen auf Steigerung der Nachfrage

Die aktuelle Geschäftslage wird im Frühjahr 2024 von den befragten Unternehmen in Rheinhessen schlechter beurteilt als noch zum Jahresanfang: 27 Prozent der Betriebe verzeichnen eine gute Lage, 50 Prozent sind zufrieden und 23 Prozent melden schlechte Ergebnisse zurück.

Auch wenn die Betriebe insgesamt noch pessimistischer in die Zukunft schauen als auf ihre aktuelle Lage – immerhin sind sie bei der Einschätzung der Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate wieder etwas hoffungsvoller als zu Jahresbeginn: 16 Prozent rechnen mit einer günstigeren Entwicklung, 63 Prozent erwarten gleichbleibende Geschäfte und 21 Prozent rechnen mit einem Rückgang.

Sonderauswertung: Neue Impulse für Investitionen notwendig

Passend zu den zurückhaltenden Geschäftserwartungen ist die Investitionsbereitschaft der befragten Unternehmen für die kommenden zwölf Monate zum Stillstand gekommen: Nur 26 Prozent der Betriebe planen mit steigenden Investitionen, 48 Prozent kalkulieren mit einem gleichbleibenden Umfang und 26 Prozent wollen ihre Investitionen zurückfahren. Da Investitionen entscheidend für die Entwicklung der Region sind, hat die IHK das Thema in einer Sonderauswertung unter die Lupe genommen. Demnach nennen die Unternehmen als Hauptmotive für Investitionen in erster Linie die Beschaffung von Ersatzteilen (61 Prozent), gefolgt von Produktinnovationen (33 Prozent), Rationalisierungen (32 Prozent), Umweltschutz (26 Prozent) und Kapazitätserweiterungen (23 Prozent).

Am Standort bereits geplante Investitionen hat knapp ein Drittel der Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten zurückgestellt – davon würden 77 Prozent die zurückgestellten Investitionen unter bestimmten Bedingungen noch tätigen. Dafür erforderlich wäre eine lange Liste von Punkten: steigende Nachfrage und Auftragsentwicklung sowie eine bessere Ertragslage (74 Prozent), weniger Regulierung und größere Verlässlichkeit der Wirtschaftspolitik – auch bei Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung (54 Prozent), Steuererleichterungen und geringere Abgabenbelastungen (47 Prozent), dauerhaft niedrige Energiepreise (46 Prozent), ausreichend Personal und Fachkräfte (42 Prozent), niedrigere Investitionskosten für Rohstoffe, Vorleistungsgüter und Bankkredite (31 Prozent), niedrigere Arbeitskosten (30 Prozent), kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren (26 Prozent) sowie Innovationsförderung und Investitionsprämien (19 Prozent).

„Die Probleme sind damit klar benannt“, macht IHK-Präsident Walden deutlich. „Die Wirtschaftspolitik muss dringend neue Impulse für Investitionen in den Standort setzen. Ansonsten droht eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen Lage.“

Industrie: Exporterwartungen sinken auf Tiefstand

Die Industrie ist der Motor der rheinhessischen Wirtschaft. Allerdings streuen die geopolitischen Unsicherheiten, gestörte Handelswege und hohen Energiepreise weiterhin Sand ins Getriebe. Die Industrieunternehmen müssen deutliche Exportrückgänge verkraften. Nur 25 Prozent der Industriebetriebe berichten aktuell von einer guten Geschäftslage, 49 Prozent melden eine befriedigende Situation und 26 Prozent eine schlechte Lage. Die Geschäftserwartungen für die nächsten zwölf Monate schätzen 12 Prozent besser ein, 68 Prozent rechnen mit keiner Veränderung und 20 Prozent befürchten schlechtere Geschäfte.

Die Auftragseingänge aus dem Ausland sind in den vergangenen drei Monaten insgesamt stark zurückgegangen und nur noch 12 Prozent der Industrieunternehmen verbuchen mehr Aufträge. 51 Prozent berichten von gleichbleibenden Eingängen und 37 Prozent mussten einen Rückgang der Aufträge verkraften. Die Exporterwartungen der Industriebetriebe sind auf einen Tiefstand gesunken: Keines der befragten Unternehmen rechnet mit höheren Exporten in den kommenden zwölf Monaten, 79 Prozent kalkulieren mit dem gleichen Volumen und 21 Prozent befürchten eine Abnahme.

Einzel- und Großhandelsunternehmen berichten von anhaltender Kaufzurückhaltung

Die befragten Unternehmen im Einzel- und Großhandel berichten von einer anhaltenden Kaufzurückhaltung der Kunden und warten auf eine Belebung der Nachfrage.

Die Ergebnisse zur aktuellen Geschäftslage sind deutlich schlechter als noch zum Jahresbeginn: Nur 18 Prozent verbuchen aktuell eine gute Geschäftslage, bei 50 Prozent stagnieren die Geschäfte und sogar 32 Prozent verzeichnen Einbußen. Die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monaten haben sich nur geringfügig verbessert: So hoffen 19 Prozent auf eine steigende Nachfrage, 53 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Entwicklung und 28 Prozent erwarten einen Nachfrageschwund.

Dienstleister erzielen vergleichsweise gute Ergebnisse 

Die Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor erzielen in der Befragung erneut das beste Ergebnis aller Branchen – hier bleibt die Entwicklung insgesamt robust. 32 Prozent der Betriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, 52 Prozent sind mit der Situation zufrieden und 16 Prozent berichten von einer schlechten Lage. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 17 Prozent der Betriebe bessere Geschäfte, 63 Prozent rechnen mit gleichbleibenden Ergebnissen und 20 Prozent mit einer Reduzierung.

Gastgewerbe kämpft mit hohen Kosten, Personalmangel und Anhebung der Umsatzsteuer

Das Gastgewerbe ist mit der aktuellen Geschäftslage nicht zufrieden, auch bedingt durch die hohen Kosten, den Personalmangel und die Sparsamkeit der Gäste nach der Wiederanhebung der Umsatzsteuer auf Speisen. 17 Prozent der befragten Betriebe bewerten die aktuelle Lage als gut, 50 Prozent sind mit der Situation zufrieden und 33 Prozent melden eine schlechte Geschäftslage.

Nach der üblichen Durststrecke in den ersten Monaten des Jahres wird wieder mit stabilen Umsätzen im Sommer gerechnet: So erwarten 29 Prozent bessere Geschäfte, 65 Prozent gehen vom gleichen Niveau aus und nur 6 Prozent rechnen mit einem Rückgang.

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