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Ein Tag im Leben eines Mainzer Foodora-Fahrers

Der Rosarote Panther ist zurück. Als flinker Foodora-Fahrer ist er seit 2016 fester Teil des Straßenbildes geworden. 2014 wurde das Unternehmen gegründet, das neben pizza.de seit 2015 zur Bestellplattform „Lieferheld“ gehört,  eine der größten weltweit.
Die Idee: Kunden können ihr Essen zu einem kleinen Aufpreis auch bei Restaurants bestellen, die keinen eigenen Lieferservice haben. Die (Zahlungs)Abwicklung übernimmt Foodora. Zumeist junge Leute auf Fahrrädern bringen innerhalb von 30 Minuten das Essen vom Restaurant zum Kunden und fungieren zugleich als wandelnde Werbeträger. Derzeit nutzen etwa vierzig Mainzer Restaurants diese Dienstleistung. Das Unternehmen wirbt mit CO2 Neutralität und Effizienz. Doch wie sieht das wirklich aus?

McDonald’s – kein Problem!

Ein kalter, klarer Februartag. Panther Nummer 73 (so viele Foodora Kurierfahrer gibt es derzeit in Mainz) beginnt seine Schicht um 17.30 Uhr. Der junge Mann ist bereits in voller Montur, zudem trägt er Handschuhe und zwei Jogginghosen gegen die Kälte. Panther 73 wirkt sportlich, offen und motiviert. Schnell meldet er sich über sein Smartphone im Bestellsystem an und los geht es: Die erste Station ist das MoschMosch am Markt. Im Zickzack geht es um Häuser, Autos und Passanten. „Manchmal, wenn wir bei den Restaurants warten müssen, bekommen wir auch etwas zu trinken“, verrät er. Heute aber nicht. Kaum ist Panther 73 im Laden, sind die zwei Bestellung auch schon fertig. Nach der Bestätigung per Smartphone erscheint die Lieferadresse. Es folgt ein Sprint hinauf in die Oberstadt. Angekommen schließt er sein Rad ab und eilt die Treppenstufen hinauf. Die Essensübergabe an den Kunden dauert keine zwei Minuten. Bezahlt hat dieser schon online per Paypal. Er drückt Panther 73 schnell noch ein bisschen Trinkgeld in die Hand (Trinkgeld gibt durchschnittlich jeder zweite) und schon geht es wieder den Berg hinab. Der Wind schneidet kalt. Die nächste Lieferung wartet im McDonald‘s. Zwei BigMac Menüs. An der Theke bekommt der Fahrer noch ein paar Gummibärchen in die Hand gedrückt, die er auf dem Weg zum Rad verspeist, und schon geht es nochmal in die Oberstadt. Danach folgt eine rasante Fahrt hinunter zum Inder Eat Doori, die Lieferung geht an den Rhein, Nähe KUZ. In einer Stunde hat Fahrer Nummer 73 also vier Bestellungen ausgeliefert. Die Schichten dauern zwischen 2,5 und 7 Stunden. Macht man zwei Dienste hintereinander, kann man bis zu 9 Stunden am Stück arbeiten. Heute wird noch bis 22 Uhr geradelt.

Wer schnell ist, verdient mehr. Wer zu langsam ist, fliegt

„Bei Schnee zu fahren ist okay, aber ich hasse es bei Regen“, erzählt Panther 73. Sein Rad und sein Smartphone stellt er selbst. Den großen pinken Foodora-Rucksack sowie zwei Jacken erhält er vom Unternehmen. Geht etwas davon kaputt, muss er für die Kosten aufkommen. Dass seine Gangschaltung heute nicht richtig funktioniert, ist auch sein Problem. Das Risiko bleibt weitgehend beim Mitarbeiter. Persönlichen Kontakt zum Arbeitgeber gibt es kaum. Der Dienstplan wird online über eine Plattform erstellt. Die Zeiten sind flexibel und variieren wöchentlich. Zwischen den Fahrern können Schichten getauscht werden. Die Löhne in Deutschland sind nicht auf Provisionsbasis. Die Fahrer erhalten einen festen Stundenlohn von 9 Euro. Das ist in manchen Ländern anders. Über die App werden nicht nur die Stunden, sondern auch die Leistung der Fahrer gemessen. Wer zu langsam ist, dem kann im ersten Monat gekündigt werden. Wer unter den Schnellsten ist, erhält einen Bonus von einem Euro die Stunde. Den hat Panther 73 auch irgendwann mal bekommen. Heute fährt er vorsichtiger. Als Schüler ist er auf den Job nicht unbedingt angewiesen. Er macht es mehr zur Aufbesserung seines Taschengeldes.

Aus dem Nähkästchen

Tatsächlich ist es keine Seltenheit, dass das Geld nicht rechtzeitig auf dem Konto der Fahrer landet. Panther 73 hat von vielen Kollegen gehört, die sich regelmäßig beschweren. Interessant auch, dass zur Foodora-Weihnachtsfeier in Mainz nur zehn Fahrer kamen. Zudem schlägt das Schlagwort der „Gig Economy“ zu Buche, was häufig im Zusammenhang mit Unternehmen wie Uber, Deliveroo und Foodora genannt wird. Es spielt auf die hohe Flexibilität der Arbeitnehmer an, die sich gleichsam „von Gig zu Gig“ hangeln. Vermittelnd zwischen Fahrer und Restaurant steht in der Regel eine Online-Plattform, die eine Provision verlangt und von der Flexibilität profitiert, sie sogar fördert. Feste Strukturen und Sicherheiten adé.

Türkise Konkurrenz

Im McDonald‘s trifft Panther 73 auf die Konkurrenz, einen Deliveroo Fahrer. Man grüßt sich nicht. „Den habe ich schon öfter gesehen. Der identifiziert sich zu sehr mit seinem Arbeitgeber“, lacht Panther. Er selbst kann sich trotzdem vorstellen, irgendwann einmal zur Konkurrenz zu wechseln. Anscheinend sind die Schichten dort nicht so flexibel und man fährt wöchentlich zur gleichen Zeit. Andererseits bietet Deliveroo eine noch unsichere Entlohnung. Das 2013 in London gegründete Unternehmen ist Foodora relativ ähnlich. Es operiert in 150 Städten weltweit, mehr als doppelt so viel wie Foodora und ist damit international der klare Vorreiter. Doch wer den Straßenkampf ums Essen gewinnt ist unklar, ein Vergleich der Cashbestände schwierig, da man kaum Auskünfte erhält. Fakt ist: Es wird hart gekämpft und mit geringen Margen. Die Startups verlangen von ihren Kunden eine Liefergebühr zwischen 2,50 und 4,90 Euro. Zudem kassieren sie von den Restaurants eine Provision von bis zu 30 Prozent. Doch dann schlagen die hohen Ausgaben zu Buche: Die Radkuriere kosten Geld – und auch das Marketing. Ein Beispiel: In den ersten drei Monaten dieses Jahres setzte Foodora noch pro Bestellung 10,20 Euro um. Davon wurden im Schnitt 8,50 Euro für die Lieferung und Bezahlkosten abgezogen, sodass pro Bestellung ein Betrag von 1,70 Euro übrig bleibt, um weitere Ausgaben wie für Marketing oder Löhne anderer Mitarbeiter zu decken. Deliveroos Bruttomarge sah 2016 ebenfalls mau aus: Pro umgesetztem Euro behielt das Startup weniger als ein Prozent für sich. Wer von den beiden schlussendlich in Mainz und anderswo das Rennen machen wird bleibt offen. Bisher ist Foodora in Deutschland (noch) dominanter.

Text Lena Frings Fotos Stephan Dinges