Große Vielfalt in der Kinolandschaft von Mainz und Wiesbaden. Und doch schließt das Mainzer Residenz Kino leider im Januar. Wir haben uns in beiden Städten umgehört und vor allem umgesehen.
CinéMayence (Schillerplatz, Mainz)
Mainz in den wilden 80ern: allgemeiner Aufstand von Kulturschaffenden, Unzufriedenheit mit kulturpolitischer Förderung. Ein- bis zweihundert Menschen treffen sich mitten in der Nacht beim „unterhaus“ und skandieren ihren Unmut in einer Art prämodernem Flashmob.
Unter ihnen ist Reinhard W. Wolf, der einer der Rädelsführer vom Kommunalen Kino in Mainz werden (und bleiben) sollte. Hauptsächlich waren es Leute vom Fernsehen, die 1984 die AG Stadtkino e.V. gründeten, aber auch Künstler und Literaten. Für den Namen entschied man sich in Bezug auf die Gastfreundschaft des Institut Français, das dem Stadtkino seine barocken Wände leiht.
Erste Vorsitzende des Vereins ist Christiane Schauder, Kinoleiter aber Reinhard Wolf. Er und Yumi Machiguchi haben die beiden halben Stellen im CinéMayence inne, wobei sie ein gewisses Pensum zu bewältigen haben: Geschäft, Programmierung, PR und Technik. Gut, dass es noch studentische Aushilfen gibt. Das CinéMayence versteht sich als „Begegnungsort für interessierte Laien wie Professionelle“.
Häufig werden hier Filme platziert, die andernfalls in Mainz nicht gezeigt würden, vorzugsweise mit Gästen und in Kooperationen. Im Dezember wird es vielfältig: Am 1.12. läuft „A Good American“ mit dem Landes-Datenschutzbeauftragten, am 7.12. die deutsche Premiere von „Je Veux Voir“, präsentiert von der Kunsthalle und am 10.12. findet die Preisverleihung zu „Aus mei- ner Sicht“ statt, ein Wettbewerb für Videos von Geflüchteten.
Capitol & Palatin Kinos (Mainz)
Vor siebeneinhalb Jahren machten sich drei „Junge Wilde“ daran, die Mainzer Programmkino-Landschaft zu revitalisieren. Jochen Seehuber als Grafik- und Mediendesigner, Eduard Zeiler (Filmwissenschaftler und Filmtheaterkaufmann) sowie Wolf-Tassilo Sack (Kommunikationsdesigner FH). Irgendwie hatten sie bemerkt, dass „etwas nicht stimmt“, wenn man für manche Filme nach Darmstadt oder Frankfurt fahren müsse. Glücklicherweise ergab es sich, dass die ehemaligen Inhaber der Kinos „Luber und Richter“ aufhören wollten.
So stand das Capitol zur Disposition und man bot das ehemalige „City-Kino“ gleich mit an. Im Zuge der damaligen Aufbruch-Stimmung griffen die drei Ex-Studenten zu. Das „City“ wurde zum römischen Hügel umbenannt und im Capitol wollte man zusätzlich einen Bar- und Eventbetrieb starten. So ganz wurde jedoch nichts aus der Idee, also verabschiedete sich Herr Sack und wechselte zur Filmproduktion „Dropout Films“.
Das Duo Zeiler- Seehuber blieb und kann heute mit seinem Team feststellen: „Die Sache läuft.“ Die Stühle wurden diesen Sommer erneuert, in jedem Saal gibt es 4K-Projektionen und zwar per mehrfach verschlüsselte Festplatten, die exklusiv vom jeweiligen Verleih verschickt werden. Im vielfach ausgezeichneten Konzept sind weiterhin unterschiedlichste Arthouse-Filme zu sehen, aber auch Blockbuster und es finden diverse Reihen- und Sonderveranstaltungen statt. Im Dezember erwartet uns am 5.12. „Das koloniale Missverständnis“ präsentiert vom AlleWeltKino und am 12.12. „Les Sauteur“ vom AK Asyl RLP und dem Flüchtlingsrat Mainz. Der neue Jim Jarmusch dürfte wohl auch noch eine Weile laufen…
CineStar, Residenz & Prinzess (Mainz)
In der zweiten Januarwoche ist es also also endgültig aus und vorbei mit dem Residenz & Prinzess am Schillerplatz. Die komplette Passage wird abgerissen und weicht neuen schicken Wohnungen. Das (wie viele finden) schönste Kino von Mainz, in dem über fast sechs Jahrzehnte Arthouse- Filme gezeigt wurden, ist Geschichte. Die Mitarbeiter sollen eine Abfindung vom australischen Cine- Star / Greater Union-Großbetreiber erhalten, übernommen ins schwesterliche CineStar & Co. am Südbahnhof werden sie leider nicht.
Dafür sollen Teile des Programms ihren Weg in das größere CineStar finden. Mainz hat somit nur noch ein größeres Multiplex-Kino; ohne Filiale. Zum Schluss präsentiert das Residenz & Prinzess die Feuerzangenbowle am 14.12., sowie die StarWars Story „Rogue One“ ab dem 15.12. Abschiedsveranstaltungen im Januar soll es auch geben, Details werden demnächst bekannt gegeben.
Klubkino (Uni Mainz)
Das Mainzer Klubkino ist seit 2001 in der „Muschel“ auf dem Mainzer Uni- Campus beheimatet. Jeden Montag und Mittwoch wird ein buntes OmU-Programm geboten: Komödien, Fantasyfilme, Blockbuster und Arthouse- Filme. Das Team möchte mit dieser Vielfalt in der Programmierung für jeden Geschmack etwas bieten. Die Studierenden engagieren sich ehrenamtlich für das Klubkino.
Neustadtkino & Filmsommer Mainz
Viele Filme an Open-Air-Plätzen bietet der Mainzer Filmsommer, von der Produktionsfirma Kontrastfilm betreut. Und natürlich gibt es diverse Locations in der Stadt, die auch hin und wieder mal Filme zeigen, seien es die Bar jeder Sicht, Planke Nord usw…
Neu ist dagegen das Neustadtkino, eine Reihe, die Mark und Felicitas Pommerening, Hanno Schmidt und Nadine Daschmann initiiert haben. Eine Lehrerin, eine Autorin, ein Software- Entwickler und ein Biologe also mit dem gemeinsamen Hobby Film. Angeregt von dem Wunsch, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und das Leben in der Stadt aktiv mitzugestalten, kamen die vier auf die Idee eines Wanderkinos. Entweder sucht man sich besondere Locations und dann den dorthin passenden Film – oder andersrum.
Welche Filme gezeigt werden, wird erst am Abend enthüllt. Nach der Auftaktveranstaltung mit „Willkommen bei den Sch‘tis“ im LUUPS Shop geht es nun wöchentlich weiter: am 1. Dezember im Klotz&Quer, am 4. Dezember als Familiennachmittag im Neustadtzentrum und den Abschluss bildet am 8. Dezember eine Veranstaltung im Nelly’s. Wohin die Reise nach diesem Testballon geht, ist noch unklar.
Wir sitzen im elegant-gemütlichen Wohnzimmer von Detelina Grigorova- Kreck und Joachim Kreck: Die hohen Wände des Altbaus verschwinden hinter prall gefüllten, gut sortierten Regalen. Die beiden Filmemacher und -connaisseure haben in ihrer Privatwohnung in der Wiesbadener Innenstadt ihr eigenes Archiv errichtet: Filmkopien in allen erdenklichen Formaten, Filmliteratur und Pressematerial bevölkern die Wohnung.
1984 entdeckte Joachim Kreck die Schönheit des Vorführsaals der staatlichen Filmbewertungsstelle im Biebricher Schloss und initiierte dort eine – zunächst als einmalig gedachte – Veranstaltung, die dem Wiesbadener Kurzfilm gewidmet war. Der Andrang war groß. Die Stühle reichten nicht aus und das Wiesbadener Tagblatt titelte damals „Filme im Schloss“. Drei Jahrzehnte später ist aus der Filmreihe eine vielfach prämierte Institution geworden: exklusive Filme (natürlich nur OV und OmU) meist mit passenden außergewöhnlichen Gästen an einem Ort, den ansonsten nur wenige Menschen zu sehen bekommen.
Die Krecks möchten „besondere Sachen zeigen“: Kurz- und Dokumentarfilme, Experimental- und Trickfilme. Für letztere veranstaltet das Ehepaar zusätzlich das „Internationale Trickfilm-Wochenende“. Im Januar beginnt eine Reihe um Kristen Stewart, deren Auftakt am 17.1. der neue Woody Allen Film „Café Society“ darstellt.
Murnau-Filmtheater (Am Schlachthof)
Hinter dem Murnau-Filmtheater steht die seit 1966 existierende Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Sie kümmert sich um Erhalt, Pfege, Wiederherstellung und Zugänglichmachung eines bedeutenden Teils des deutschen Filmerbes. Aber auch viele Filme werden hier seit einigen Jahren gezeigt. Sebastian Schnurr ist da verantwortlich. Der studierte Medienwissenschaftler und Anglistiker war im Deutschen Filminstitut Frankfurt beschäftigt, bis er 2009 seinen Platz im Veranstaltungs- und Kinobereich fand.
Das Programm speist sich aus drei Quellen: dem eigenen Bestand, verschiedenen Kooperationen und Arthouse- Filmen. Der Bestand der Stiftung umfasst rund 6.000 Filme von 1895 bis in die 1960er Jahre: Klassiker wie „Metropolis“, „Der blaue Engel“ und „Die drei von der Tankstelle“, aber auch Kurz-, Werbe- und Dokumentarfilme. Ein Highlight im Dezember ist das Schlachthof-Special „One MoreTime With Feeling“, einer 3D-Dokumentation über Nick Caves Arbeit, die am 3. und 4.12. gezeigt wird.
Filmtheater Ewert (Cineplex-Gruppe Wiesbaden)
Familie Ewert macht schon seit 1927 Kino in und für Wiesbaden. Die Geschichte des Familienunternehmens begann mit dem „Kino für jedermann“ in der Mauritiusstraße, das von Erich Ewert gegründet wurde. Heute führt dessen Enkel Marc Ewert als studierter Betriebswirt das Unternehmen in dritter Generation. Neben seinen Geschwistern ist sogar noch die Mutter im Geschäft.
Der Filmtheaterbetrieb zählt zur Cineplex- Gruppe, einem Zusammenschluss unabhängiger mittelständischer Kinobetriebe in diversen Städten. Die Gruppe betreibt mehr als 90 Kinos an 66 Standorten und ist, an den Besucherzahlen gemessen, die größte Kinogruppe Deutschlands. Die Gruppe versteht sich als Einkaufsgemeinschaft und Freundeskreis mit gemeinsamer Corporate Identity, in der sich die Mitglieder mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber lokal verortet bleiben.
Marc Ewert betrachtet seine verschiedenen Häuser (Arkaden, Apollo und Thalia & Hollywood) als Einheit: Filme werden nacheinander in allen Kinos gezeigt. Zwar orientiert er sich auch an der Nachfrage, bemüht sich aber immer wieder, Filme, die „ihr Publikum nicht so finden“ auch im Programm zu halten. In den Ewert-Kinos gibt es zwei Kinotage: Dienstag und Donnerstag. Im Dezember läuft die „European Outdoor Film Tour“.
Walhalla Bambi Kino (Wiesbaden)
Seit den 70er-Jahren ist das Bambi Kino im Untergeschoss des historischen Walhalla Theaters beheimatet. Seit 2006 wird es vom Walhalla Theater e.V. unter Leitung der auf der Ernst-Busch ausgebildeten Schauspielerin Sigrid Skoetz mit einem außergewöhnlichen Filmprogramm bespielt. Gezeigt werden ausschließlich Arthouse-Filme und Dokus, Nostalgie garantiert.
2006 wurden Leinwand und Technik erneuert sowie die Kinositze ausgetauscht. Renovieren lassen möchte Sigrid Skoetz das Arthouse- Kino aber nicht, sondern das Vintage Flair mit den bräunlichen Sitzen und der 60er-Tapete erhalten. Zum 15-jährigen Jubiläum des Walhalla Theater e.V. findet noch bis zum 23. Dezember das Festival „Nostalgie“ statt und lädt zu Musik, Theater und Performance ein.
Caligari FilmBühne (Wiesbaden)
„Ein Juwel unter den deutschen Lichtspielhäusern“ (Schlöndorff) hat Geburtstag. Seit 1926 gibt es die denkmalgeschützte Spielstätte am Marktplatz, wenn auch mit wechselnden Betreibern und Namen. Das Programm des Caligari gestaltet das Kulturamt gemeinsam mit dem Deutschen Filminstitut DIF e.V. Vier kenntnisreiche Köpfe stecken hinter der Programmierung: Andreas Heidenreich macht an zwei Tagen den Programmteil des Deutschen Filminstituts.
Die fünf „kommunalen“ Wochentage gestalten Uwe Stellberger und Claudia Steiger mit historischen und thematischen Reihen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Für das „Traumkino“ und „Kino macht Schule“ ist Katrin Farner-Kölle verantwortlich. Sie reserviert die Samstag- und Sonntagnachmittage für die „jungen Freunde des Films“.
Hervorzuheben sind die Kooperationen mit den Festivals „goEast“ und „Exground“. Das Caligari ist an dieser Stelle immer aktiver Mitgestalter und nicht bloße „Abspielstätte“. Das Caligari ist ein Erfolgs-Konzept auf allen Ebenen: Seit 2001 konnte man die Vorstellungen verdoppeln und die Besucherzahlen vervielfachen. Mit Preisen und Auszeichnungen kann man bald die halbe Leinwand tapezieren. Am 21. Dezember wird Geburtstag gefeiert; mit einem Abend, dessen Programm die Vielfalt des Kinos widerspiegelt. Im Januar läuft vom 27. bis 30. die „Homonale“.
von Carolin Hartmann und Ulrike Melsbach, Fotos: Jonas Otte.