von Felix Monsees, Fotos: Daniel Rettig
Wahrscheinlich leben in Patagonien, dem südlichsten Zipfel Südamerikas, mehr Kühe als Menschen. Ein Quadratkilometer Pampa steht dort für zwei Bewohner zur Verfügung. In der Mainzer Neustadt hingegen kommen über 7.000 Einwohner auf die gleiche Fläche.
Und patagonische Rinder gibt es dort auch – nur als Steak auf den Tellern des Restaurants Patagonia. Seit drei Jahren betreibt Fernando Scholtbach mit seiner Schwägerin Carmen Lazcano das Steakhaus am Kaiser-Wilhelm-Ring. „Am Anfang hat uns niemand zugetraut, dass es hier klappt“, sagt Scholtbach. Die Neustadt bietet vor allem für Autos weniger Fläche als das dünn besiedelte Patagonien und hungrige Studenten schneien sicherlich nicht spontan für ein 25 Euro- Steak ein. Mittlerweile hat sich Küchenchefin Lazcano allerdings ein treues Stammpublikum erkocht. Auch unter der Woche ist jeder Tisch besetzt. Für ein Ethno-Restaurant ist die Dekoration wohltuend zurückhaltend. Allein die dunklen Holzdielen und die Backsteinwände erzeugen südamerikanisches Hazienda- Flair. Irritierend wirkt der überdimensionierte Flatscreen-Fernseher, der als elektronischer Bilderrahmen Fotografien aus Chile zeigt.
Land der Vorfahren
Aus familiären Gründen ist Scholtbach aus seiner Heimat, dem chilenischen Teil Patagoniens, in das Land seiner Vorfahren Deutschland zurückgekehrt. Mitgebracht hat er eine Menge Rezepte und Spezialitäten. Bereits die erste Seite der Speisekarte verrät, aus welchen Teilen Chiles die Zutaten kommen. Vorneweg gibt es das frisch-saure Nationalgetränk Pisco Sour (Traubenbrand plus Zitrone). „Das ist ein Aperitif, den man eigentlich immer trinken kann“, sagt Scholtbach. Aufgrund des Alkoholgehalts ist vom ständigen Konsum aber abzuraten. Ein typischer Geschmack seiner Heimat, erklärt Scholtbach, sind Humitas (8,70 Euro), Maispüree in knusprigen Filoteig gebacken mit Tomaten-Zwiebelsalat. Ein sehr intensiver Geschmack nach frischem Mais als Vorspeise. Für den kleinen Hunger gibt es Sandwiches und Burger (ab 10,90 Euro) und als Abschluss eine gar nicht so kleine Auswahl an Desserts (ab 4,10 Euro). Nicht auf der Karte verzeichnet ist das sensor-Rezept des Monats. Dort präsentiert uns das Steakhaus eine Creme von Pisco Sour, eine durch den Alkohol sehr geschmacksintensive Angelegenheit. Apropos Alkohol. Auch die Weine kommen ausnahmslos (bis auf wenige Weiße aus Rheinhessen) aus Chile.
Halbes Kilo Fleisch für 35 Euro
Doch nun zur Hauptsache: Fleisch. In der Küche haben die Steaks nur den Grill gesehen. Den Gast erreichen sie elegant auf einer Schiefertafel. Der erste Schnitt verrät, das Fleisch ist so gegart wie bestellt. Der erste Biss verrät: patagonische Rinder schmecken gut. Der günstigste Schnitt ist das 180 g Rumpsteak für 15,90 Euro. Den großen Fleischhunger stillt das halbe Kilo T-Bone für 34,90 Euro. Dazu gibt es als Beilage die unvermeidliche Ofenkartoffel mit Sour Cream. Empfehlenswert ist aus der langen Liste aus Beilagen zu bestellen. Dort herrschen chilenische Aromen, wie etwa im Quinoa-Risotto oder die Gewürzbutter mit Merken, einem geräucherten Chili-Pulver. Diese Besonderheiten machen das Patagonia nicht zu irgendeinem Steakhaus, sondern zu einem echten chilenischen Restaurant.
Rezept
Crema de Pisco Sour (8 Portionen)
Zutaten: 10 große Eigelbe, 250 g Zucker, ¾ Glas Pisco Sour (ohne Zucker), 100 g weiche Butter,1 Tl geröstete Limettenschale, 250 ml Sahne, Orangenscheiben und Mandeln zum Garnieren.
Eigelb mit Zucker in einem kleinen Topf schlagen, bis eine cremige Masse entsteht. Weiterrühren und Pisco Sour und Butter hinzufügen. Auf einer kleinen Flamme fünf bis sieben Minuten erhitzen. Nicht zum Kochen bringen, sonst stockt das Eigelb. Die Mischung durch ein Sieb in eine kleine Schüssel streichen. Limettenschale hinzufügen. Umrühren, mit Folie abdecken und mindestens vier Stunden, am besten über Nacht, in den Kühlschrank stellen. In einer Rührschüssel Sahne steif schlagen. Zunächst ein Viertel der Sahne vorsichtig in die Masse rühren, dann den Rest unterheben. In Kompottschalen füllen und mit Orangenscheiben und Mandeln verzieren. Gut gekühlt servieren.