von Linda Rustemeier und David Gutsche; Fotos: Elisa Biscotti
Sie sind dunkel, verraucht und laut. Die Rede ist nicht von Clubs, denn da gilt das Rauchverbot – die Rede ist von Shisha Bars. Seit ein bis zwei Jahren sprießen die Läden wie Pilze aus dem Boden. sensor brach auf, das Mysterium um die Wasserpfeifen-Locations zu erkunden und stieß auf ein Mischmasch aus spätpubertierendem Balzverhalten, After Work Entspannung und Fußball-Gangstern.
Zuerst sei jedoch der Begriff erklärt: Eine Shisha (auch Sheesha) ist eine Wasserpfeife arabischen Ursprungs. In der Shisha wird meist Tabak mit Fruchtaromen oder ähnlichen Geschmacksrichtungen geraucht. Der Rauch wird durch ein Bowl genanntes, mit Wasser gefülltes Gefäß gezogen. Durch das Wasser wird der Rauch gekühlt und Schwebstoffe sowie wasserlösliche Bestandteile teilweise herausgefiltert. Dann zieht man durch einen Schlauch und Mundstück den Rauch ein. Es ist inzwischen unbestritten, dass der Konsum von Wasserpfeifen gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Nichtsdestotrotz boomt das Geschäft: Alleine in der Mainzer Innenstadt kamen wir auf elf Bars und mehrere Zubehör-Shops.
House of Smoke (Gärtnergasse 1, Ecke Große Bleiche)
„Shisha Bars sind die neuen Kebap- Läden“ sagt Geschäftsführer Jannick Erben. Seit wenigen Monaten hat der große recht stylishe Laden auf. Viele junge Leute hängen hier ab. Von einem großen Flatscreen wabert Musik-TV, zumeist House. FußballÜbertragungen sind geplant. Im Gegensatz zu vielen anderen Läden sieht es sauber und nach angenehmer Atmosphäre aus. „Wir haben viele Mädels. Dann kommen auch die Jungs“, weiß Erben. Eintritt ist ab 18 Jahren – wie in allen Läden – und so darf gechillt werden zu Rauch und allerlei (auch alkoholischen) Getränken. Die neue Ausgeh-Alternative für junge Leute? Am Wochenende geht’s bis open end. Zwanzig wechselnde Geschmacksrichtungen stehen auf dem Programm – 6,50 Euro macht die Pfeife, Ice 1 Euro extra. Bei Ice wird die Rauchsäule zusätzlich gekühlt durch einen Kühleraufsatz, was dem Pfeifenschlauch den Look einer Bazooka gibt. Fast alle Läden bieten die „Bazooka“ mittlerweile an. Der Rauch ist dann kühler und milder – Geschmackssache. Besonderheit im House of Smoke: Die Shishas und Tische sind discomäßig beleuchtet. Das gibt dem ganzen Laden Club-Touch. W-Lan ist vorhanden, Studi-Rabatt 10 Prozent auf die Gesamt(!)-Rechnung.
Scarabeus (Kaiser-Karl-Ring 15, am Arsch der Neustadt)
Unter marokkanischer Leitung steht das Scarabeus am Rande der Neustadt. Der Besitzer Herr Sama misstraut uns zuerst (wie leider so viele Besitzer), wird dann aber gesprächig. Seit Oktober führt er den kleinen dunklen, orientalisch anmutenden Laden. Die Klientel ist hier unter sich: Türken, Italiener und Marokkaner hauptsächlich. 5 Euro macht die Pfeife, Ice-Aufsatz kostet nichts extra. Ein Uhr ist Schicht im Scara, Wochenende 2 Uhr. Für Fußball ist auf zwei Bildschirmen gesorgt, Fingerfood am Start – woanders eher eine Seltenheit. Knapp 20 Geschmäcker sind im Angebot. Musik: traditionell orientalisch.
Ambiente (Peter Cornelius Platz 8 / Kaiser Wilhelm Ring)
Nicht weit weg vom Scara liegt das Ambiente, das erst kürzlich eröffnet wurde. „Da parken immer sehr teure Autos davor“, erzählt ein Freund. Die beiden Geschäftsführer mit arabischem Hintergrund sind nach anfänglichem Desinteresse und Skepsis doch recht nett. Auf der Homepage steht: „Die Shisha-Lounge der Zukunft“ – und ein wenig sieht es auch danach aus: edel, doch leger. Die Möbel sind aus geschwärzten und abgeschliffenen Holz-Paletten gebastelt, Musik ein wenig zu laut: R’n’B, HipHop, House. Besonderheit: Die beiden Chefs kommen eigentlich aus Frankfurt und betrieben dort bisher einen Tabakgroßhandel. Also finden sich im Ambiente viele, teils edle, Tabaksorten. Auf der Karte stehen etwa 100 (!) Geschmacksrichtungen – top in Mainz. Als wir da waren, war jedoch tote Hose, kein einziger Gast. Trotz Geschäftssinn und Erfahrung in Frankfurt liegt der hiesige Laden leider etwas abseits. Dazu kommen Probleme mit Ämtern, die bisher den Alkohol- Ausschank noch nicht lizenziert haben. Man ärgert sich. 7 Euro kostet die Pfeife, Ice oder Tabak Intense 1 Euro Aufschlag. Eigentlich ein ganz feiner Laden, wo man durchaus hingehen kann. Ob das Konzept jedoch einschlägt, bleibt abzuwarten.
Babylon (Gärtnergasse 4)
Das Babylon befindet sich schräg gegenüber vom House of Smoke und ist doch irgendwie meilenweit entfernt: Das Ambiente wirkt eher ungepflegt, obwohl die Mitarbeiter einen netten Eindruck hinterlassen. Ab 17 Uhr werden die Pforten geöffnet. Die Shisha kostet 6 Euro, Cocktails und Longdrinks ab 5 Euro. 20 Geschmacksrichtungen finden sich hinter der recht großen Bar mit Liegebereich im hinteren Abteil. Rot-puffige Beleuchtung – dennoch finden auch „normale“ Menschen ihren Weg hierher. Wer es nicht so stylish mag wie im House of Smoke und eher etwas anonymer und verranzt, ist hier gut aufgehoben.
La Luna (Hintere Bleiche 8)
Gleich ums Eck, neben dem Palatin Kino, liegt das La Luna. Als wir dort waren, war es voll, und das an einem Montag. Vor der Tür lungern meistens Teenager mit flotten Sprüchen rum: „Da sind mehr Typen als Frauen drin. Scheiße.“ Drinnen tatsächlich alles voll mit Halbstarken, Handys, alle cool und lässig am smoken auf Lunge und dem Versuch, Ringe geübt in die Luft zu blasen – kleine Flirts nicht verschmähend. Ob hier alle schon 18 sind? Die Besitzer scheint es nicht zu scheren, sie sind viel zu gestresst hinter der Theke. Als wir uns setzen, sind fast sämtliche Geschmäcker aus und uns werden die falschen Getränke gebracht. Dafür kostet die Shisha nur 5 Euro und man kann Proletengehabe im Feld studieren und lautes Geschrei im Sekundentakt genießen. Eher etwas für jüngere Mitbürger – oder starke Nerven.
Sultana & Bistro Bagdad (Binger Straße 15)
Sogar direkt nebeneinander in der gleichen Straße liegen diese beiden „Bars“. Eine weitere Gemeinsamkeit ist der Shisha-Preis von nur 5 Euro sowie das notorische Misstrauen beider Chefs uns gegenüber. Man will nicht mit uns reden, denkt wir wären von sonst wo, nur nicht von der Zeitung. „Ja, mein Freund, ich weiß wer du bist“, sagt der Irokese vom Bistro Bagdad. Ja, wer bin ich denn, möchte ich gerne wissen, aber mehr als „sein Freund“ weiß er dann auch wieder nicht, trotz gezeigter Visitenkarte und Zeitung. Die Facebook Fotos sehen nach Fun aus, das Bagdad hat dort sogar knapp 1.000 Fans. Die Läden wirken aber trotzdem ein wenig asso und kümmerlich. Das Sultana schmückt ein TV Schirm, auf den der einzige Gast stiert. Das Bagdad punktet mit Cocktails ab 4 und Longdrinks ab 3 Euro sowie W-Lan.
Medina Lounge (Holzhofstraße 16)
Die Medina Lounge ist mit ihren 10 Jahren die gefühlt älteste Shisha Bar von Mainz. Das Highlight: Ein mittlerweile verrußter Sandboden erzeugt halbwegs angenehmes Wüstengefühl. Das Ambiente ist überwiegend orientalisch – der Innenraum mit einem Beduinen-Zeltdach überspannt und stilechten Lampen an den Wänden verziert. Die Möbel passen zwar nicht so richtig rein und scheinen ihre beste Zeit auch schon hinter sich zu haben: Eng rote Lederoptik-Couch auf der einen Seite, Holztische mit Bierzelt- Atmosphäre auf der anderen Seite. Die Besucher und Gangsta Hip- Hop-Beschallung erinnern an Euro- Palace Zeiten. Das Bar-Team erklärt uns liebevoll die Eis-Bazooka und empfiehlt uns neben den 10 Standard Sorten auch die Tabaks der Woche, zum Beispiel Cola-Drachen. Normale Shishas gibt’s ab 7 Euro, die Bazooka kostet stolze 10 Euro. Fußball läuft hier auch, deswegen ist am Wochenende auch schon ab 15, statt unter der Woche ab 18 Uhr geöffnet.
Palmyra (Holzhofstraße 34)
Neben dem Restaurant Palmyra führt eine Tür an der Küche vorbei die Treppe hinunter in die dazugehörige Shisha Bar. Von 18 bis 24 Uhr und am Wochenende bis spät in die Nacht, kann hier durchgeraucht werden. Großer Vorteil: Bis elf Uhr können viele Speisen der syrisch-libanesischen Küche genossen werden. Unter der Woche finden sich eher ältere Gäste ein, am Wochenende wird’s jugendlich frisch. Betreiber Feri Bahra hat „15 bis 20 Tabaksorten um den Dreh“. Auch eine Eis-Shisha wird angeboten. Am Mittwochabend war leider nichts los, aber am Wochenende kommen angeblich mehr Gäste. Die Einrichtung ist gemütlich, stilecht und überall hängen bunte orientalische Gemälde. Sogar Bauchtanz gibt’s auf Wunsch dazu.
Ishtar (Neutorstraße 13)
Diese kleine (Cocktail)Bar in der Mitte der Neutorstraße hat einen überschaubaren Raum mit ebenso überschaubarer Gästezahl. Alles etwas eng, aber auch ganz gemütlich. Es gibt zwar keine trendy Eis-Shisha, aber dafür elf Geschmacksrichtungen ab 6 Euro. Leider läuft auch hier wieder Gangsta Hip-Hop. „Bei uns kann man ab 18 Jahren trinken und rauchen. Die meisten Gäste sind ab 20 aufwärts“, erzählt der im Irak geborene Betreiber Randy Ramsy. Essen gibt es jedoch nicht. Ein Flatscreen sorgt für zusätzliche Unterhaltung. Seit einem Jahr gibt es den Laden schon, der von 17 bis 1 Uhr, am Wochenende bis 2 Uhr besucht werden kann. Die Getränke könnten günstiger sein.
Shishandra (Lauterenstraße 37, Fischtorplatz)
Erst seit Anfang Oktober ist das ehemalige Sesamé unter neuem Namen im Keller wiederbelebt. Die Miete sei schon drin, scherzt der in Kabul geborene Said Parwez. Er will sogar noch ausbauen – im Obergeschoss und auch davor. Gerne hätte er im Winter ein Feuer draußen, leider haben die Behörden das aber nicht erlaubt. Gäste kommen so einige, sogar als wir erst kurz vor Mitternacht eintrudeln. Weil er keine Shishabar nach seinem Geschmack in Mainz finden konnte, hätte er kurzerhand selbst eine aufgemacht… Zwar gibt es auch hier die Eis-Bazooka, aber wir nehmen auf Empfehlung den Traube-Minze Mix mit leckerem frischen Pfefferminztee und Honig. Finger- & Grillfood ist in Planung. Montags ist Shishatag für 5 Euro, sonst ab 7 Euro. Mittwochs ist immer Studinight, alle Cocktails gibt’s für 5, Shisha für 6 und Bier für 2 Euronen. Helle oder wechselnde Farben, gute Betreuung mit Geschichten vom Betreiber und eine stilechte Einrichtung sowie Musik sorgen für das richtige Shisha-Feeling. „Wenn ihr schon mal woanders eine bessere Shisha geraucht haben solltet, was ich nicht glaube, müsst ihr nichts zahlen“, behauptet Parwez beim Rausgehen selbstsicher.
Fazit
Mainz hat eine große Auswahl an Shisha Bars mit unterschiedlichem Qualitätsangebot. Allen gleich ist ein gewisses Misstrauen gegen journalistische Recherche. Ob es wohl zu viel schlechte Presse oder Erfahrungen in der Vergangenheit gab? Manch ein Laden konnte uns im Praxis-Check nicht vom Gegenteil überzeugen. Hier und dort ist ein Chef oder Betreiber aufgetaut, aber es hat gedauert. Vielleicht bleiben auch deswegen einige Läden mit ihrem Klientel eher unter sich. Löbliche und offenere Ausnahmen, die wir guten Gewissens auch wegen ihrer Qualität empfehlen können, sind das House of Smoke, Ambiente, Palmyra, Medina und Shishandra. Allerdings sind auch diese Läden teils auf Hektik, laute Mukke und Fußball eingestellt, so dass gediegenes Chillen oder eine ruhige Unterhaltung eher schwieriger wird. Wer es also relaxter mag, muss dann wieder mit den kleineren Dirty-Läden vorlieb nehmen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Unser Tipp also für zukünftige Entrepreneure auf dem Shisha- Bar-Sektor: Eröffnet doch mal einen entspannten und doch auch Spaß/Flirt-mäßigen Laden, mit nicht allzu hämmernden Bässen, groß genug, gemütlich, sauber, freundlich und offen – und am besten auch noch mit ein wenig Speise-Angebot – so was fehlt noch in Mainz und könnte laufen. Ansonsten wünschen wir gutes Durchziehen mit dem mehr oder weniger vorhandenen Angebot.