Jetzt soll es also doch so weit sein. Nach monatelangen Verhandlungen mit der Stadt und Fischer+Co (wir berichteten), werden die Betreiber Jochen Seehuber und Eduard Zeiler den Betrieb von Capitol & Palatin zum 28. Oktober einstellen, kurz vor Beginn des FILMZ-Festivals. In den Gesprächen mit Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse habe sich leider keine andere Möglichkeit eröffnet, schreiben sie in einer Pressemitteilung: „Es war uns eine Ehre, zu einem der wertvollsten Phänomene, das die Menschheit zustande gebracht hat, einen kleinen Beitrag zu leisten: Das Kino.“
Dabei sah es gerade nicht schlecht aus: Durch die Biontech-Steuern war die Stadt erstmals in der Lage die Palatin-Immobilie in der Bleiche zu retten und nach Abriss und Neubau wieder als Kino erstrahlen zu lassen, so die Pläne. Alleine für das Projekt der Ausstattung der Säle wurden satte 2 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Auch die Capitol-Immobilie will die Stadt kaufen und als Kino sichern.
Doch das können die Betreibern dennoch nicht verkraften, denn die mindestens drei Jahre Bauzeit und damit Schließung am Palatin könnten sie wirtschaftlich nicht überstehen und die Stadt könne rechtlich gesehen auch keinen finanziellen Ausgleich leisten, als auch keine Ausgleichs-Location für diese Zeit in Mainz finden.
Wie also schon des Öfteren angekündigt, hat man sich nun zu diesem Schritt entschlossen. Doch was heißt das konkret? Dies könnte einen Interimsbetrieb im Capitol bedeuten mit neuen Betreibern, so wie auch im Palatin nach Ende der Bauzeit – ein Neustart hier ist mglw. frühestens 2027 wieder möglich, wenn Abriss und Neubau flott laufen. Der Stadtrat hatte dem weiteren Betrieb schon zugestimmt. Es wäre allerdings ein herber Verlust, die starken bisherigen Macher zu verlieren, die für ihr Programm viele Preise eingeheimst haben und fraglich, ob sich überhaupt neue Betreiber fänden – jedoch wäre immerhin ein Verbleib der Kinos gesichert.
Auch die Zukunft des CinéMayence bleibt im Zuge dessen weiterhin interessant sowie die des FILMZ-Festivals, welches laut Kulturdezernat gesichert sein soll, fragt sich nur wo…
Statement von OB Nino Haase und Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (6. April)
Wir nehmen die Nachricht der beiden Kinobetreiber zur Einstellung des Betriebes der Kinos Capitol und Palatin zu Ende Oktober mit Bedauern zur Kenntnis. An beiden Spielorten hatten die Betreiber ein sehr erfolgreiches und weit über die Stadtgrenzen hinaus gewürdigtes Programm etabliert, das neben dem Blockbusterangebot und dem Angebot des kommunalen Kinos eine wichtige Säule in der Mainzer Kinolandschaft darstellt – und das kulturelle Angebot in der Stadt deutlich bereichert hat. Dieses Angebot will die Landeshauptstadt Mainz weiterhin und in gesicherten Strukturen langfristig festigen.
Daher hat die Stadtverwaltung seit dem Bekanntwerden des Verkaufs der Immobilie Hintere Bleiche 6-8 alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und formalen Möglichkeiten ausgeschöpft, um nicht nur den Investor vom Erhalt des Kinostandorts zu überzeugen, sondern diesen auch im Hinblick auf die Niederlegung und den Neubau des Gebäudes für die Zukunft zu sichern.
Die Landeshauptstadt Mainz steht kurz davor, die Erdgeschossfläche, die für den Kinobetrieb genutzt werden soll, zu erwerben. Darüber hinaus ist es erklärtes Ziel, auch das Capitol als renommierten Kino-Standort zu erwerben. Dazu hat die Stadtverwaltung Kontakt mit der Eigentümergemeinschaft des Gebäudes aufgenommen. Der Erhalt der beiden Kinostandorte als Programmkinos ist für die Landeshauptstadt Mainz zur Stärkung der Sparte Film und Kino von entscheidender Bedeutung. So sollen die Kinos als wichtiger Bestandteil der Mainzer Kulturszene dauerhaft erhalten und gestärkt werden.
Dies war auch Inhalt einer Beschlussvorlage der Verwaltung, die von den Fachausschüssen und dem Stadtrat einstimmig beschlossen wurde. Derzeit bereitet die Verwaltung ein öffentliches Bewerbungsverfahren vor, in das eine externe Expertin eingebunden wird, um den professionellen Kinobetrieb sicher zu stellen. Die öffentliche Ausschreibung soll vor der Sommerpause 2023 den Gremien vorgelegt werden. Ein weiteres Ziel der Landeshauptstadt Mainz besteht darin, einen kontinuierlichen Kinobetrieb im Capitol auch nach Oktober 2023 zu gewährleisten.
Selbstverständlich ist uns die große Bedeutung von Programmkinos für die Vielfalt des Film- und Kinoangebotes in unserer Stadt bewusst, bekräftigen Oberbürgermeister Nino Haase und Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse. Daran arbeiten wir weiterhin mit hoher Priorität und sind überzeugt, dass wir eine gute Lösung erreichen werden. Auch wenn sich im aktuellen Fall die persönlichen Vorstellungen der Kinobetreiber nicht mit denen der Stadtverwaltung deckten, so können wir mit den zuletzt gefassten Beschlüssen eine langfristige Stärkung der Mainzer Kinolandschaft und unserer filmwissenschaftlichen Szene erreichen.
Mainzer Ampelkoalition mit voller Unterstützung für die Pläne der Stadtverwaltung
Mit Bedauern nehmen die Fraktionsvorsitzenden der Ampel, Sylvia Köbler-Gross (GRÜNE), Jana Schmöller (SPD) und David Dietz (FDP), die geäußerten Pläne der bisherigen privat wirtschaftlich tätigen Betreiber von Capitol und Palatin zur Kenntnis, dass diese nun doch den Betrieb zum 28. Oktober 2023 einstellen werden. Gerade in Anbetracht der intensiven Bemühungen von Verwaltung und Politik überrascht diese sehr kurzfristige und ohne Angabe von Gründen getroffene Entscheidung sehr.
Nichtsdestotrotz sehen die drei Fraktionsvorsitzenden das Streben der Stadtverwaltung, den langfristigen Erhalt und die Förderung der Programmkinolandschaft in Mainz, auf der Zielgeraden und sagen ihre vollumfängliche Unterstützung dafür weiterhin zu: „Es herrscht in Mainz der breite politische Konsens, sich für das Thema einer möglichst vielfältigen Kinolandschaft einzusetzen. Dies unterstreicht auch die einhellige Zustimmung zu den vorgebrachten Plänen der Verwaltung in allen damit befassten städtischen Gremien. Für uns als Koalition ist darüberhinausgehend sehr wichtig, auch nochmals klarzustellen, dass wir ganz konkret den Erwerb beider Standorte der bisherigen Kinos Capitol und Palatin durch die Stadt favorisieren, um so auf möglichst Jahrzehnte den Betrieb zu sichern.
Außerdem wird die Verwaltung, wie vom Stadtrat beschlossen, sehr zeitnah eine Ausschreibung unter Beteiligung externer Fachkenntnis – dabei handelt es sich voraussichtlich um ein Büro, dass bereits in anderen Städten vergleichbare Prozesse erfolgreich begleitet hat – starten, die es zum Ziel hat, Betreiber:innen für diese Art von Kinos zu gewinnen. So wird unter anderem die Innenausstattung der/des Standorte/s bewusst minimalistisch gehalten, so dass das Feld an Bewerber:innen breit gefasst werden kann und im Anschluss die Gewinner:innen der Ausschreibung die Kinos nach ihrer Expertise einrichten können.
Umso bedauerlicher finden wir die Entscheidung der bisherigen Betreiber, diese Chance nicht nutzen zu wollen, respektieren dies aber natürlich. Jedoch muss im Zuge der langjährigen öffentlichen Debatte um das Capitol und Palatin auch nochmals klargestellt werden, dass es zwar formelle, sehr enggefasste Handlungsmöglichkeiten für Kommunen gibt, Kulturprojekte zu fördern, aber eben nur diese. Strukturförderung muss und darf es geben, jedoch können und dürfen einzelne wirtschaftlich orientierte Betriebe, wie eben jenes der bisherigen Betreiber, nicht gesondert mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.
Abschließend möchten wir auch nochmals unseren besonderen Dank allen am Prozess beteiligten Personen aus Verwaltung, Politik, Öffentlichkeit sowie den Bauträgern ausdrücken.“
Capitol- und Palatin-Betreiber räumen letzte Unklarheiten aus
Nicht nur Sylvia Köbler-Gross und Jana Schmöller haben sich „überrascht“ zu unserer Schließung geäußert, auch Frau Grosse hat das in der Presse bereits getan. Das verärgert uns doch sehr, weil nämlich Frau Grosse seit Monaten über die bevorstehende Schließung Bescheid weiß, was in einem Gesprächsprotokoll auch vermerkt und belegt ist.
Der Abriss wurde für Frühjahr 2024 angekündigt und infolgedessen müssen wir längerfristige Verträge dementsprechend kündigen oder auslaufen lassen. Beispielsweise stehen die Projektoren unter einer konstanten und sehr teuren Wartungs- und Reparatur-Garantie. Die läuft im August 2023 aus und wir hätten sie zum Fortbestand der Garantie spätestens im März für zwei Jahre verlängern müssen. Reparaturen an Kinoprojektoren sind aufgrund der massiven Beanspruchung keine Seltenheit und verursachen schnell Kosten im fünfstelligen Bereich. Wir gehen also für den Restbetrieb zwischen August und Oktober ein hohes Risiko ein und müssten der Vernunft nach eigentlich sogar früher schließen.
Über all das wusste Frau Grosse Bescheid. Ganz davon abgesehen, dass es in Sachen Familie überaus schwierig ist, wenn man nicht weiß, ob man in einem Jahr noch einen Job hat. Wir haben nie direkt Geld von der Stadt erwartet oder gar gefordert, sondern im Gegenteil Verständnis für die rechtliche Situation geäußert.
Eine Ausschreibung ist also die logische Folge, nur leider gibt es diese Ausschreibung aktuell nicht! Frau Grosse spricht von ihr seit Langem, aber sie hat erst nach(!) Bekanntgabe unserer Schließung erstmals einen Zeitraum für einen Termin genannt! Wir hätten also de facto teure und verbindliche Verträge zur Weiterführung abschließen müssen, ohne die geringste Sicherheit, uns damit nicht zu ruinieren. Zudem wäre das Capitol nach dem Abriss des Palatins alleine nicht wirtschaftlich tragbar. Wir hatten die Idee, hierzu einen Förderverein zu gründen, der mit städtischen Zuschüssen den Solo-Betrieb des Capitols gewährleisten könnte. Frau Grosse meinte, das könnte klappen, nur müssten wir dazu logischerweise erstmal die Ausschreibung gewinnen, also jene, die noch nicht existiert. Wir sind einfach nur schockiert und finden eine öffentliche Richtigstellung mehr als angebracht!
Altstadt-SPD drückt ihr Bedauern über das Aus von Capitol und Palatin aus – und fordert Überbrückungslösungen
Der Entscheidung von Jochen Seehuber und Eduard Zeiler, die Programmkinos Capitol und Palatin nicht weiterbetreiben zu können, bedeute einen großen Verlust für Mainz, stellt Bjoern Witczak, Vorsitzender des SPD Ortsvereins Mainz Altstadt, fest. „Es ist schade, dass es der Verwaltung nicht gelungen ist, zusammen mit den Betreibern ein anderes Ergebnis zu erzielen“. Sein Stellvertreter Fabian Christen ergänzt: „Wir bedauern es sehr, dass die Betreiber sich gezwungen sahen, ihr Angebot Ende Oktober einzustellen – was angesichts der existenziellen Dimension sicherlich eine schwierige Entscheidung war. Umso größer ist der Dank, den wir als Altstadt SPD den beiden engagierten Betreibern, Jochen Seehuber und Eduard Zeiler und ihren Mitarbeiter:innen für 14 Jahre preisgekrönte Film- und Veranstaltungsvielfalt aussprechen möchten“. Die Kinos bieten nicht nur Unterhaltung und Anregungen für seine vielen Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern auch eine Vorstellungsbühne für die vielfältige (Sub)Kulturszene in Mainz.
Die Lücke, die die Schließung der Programmkinos schon in einem halben Jahr auftun wird, gilt es in der Zeit bis zum Neubau am Ort des Palatin schnellstmöglich zu füllen. Das ist gerade für eine Landes-, Medien und Kulturstadt wichtig. Hier ist die Stadt gefragt, unkompliziert kreative Lösungen zu unterstützen. Beispielsweise in der Form von großen und wiederholten Open Air-Kinos, die bereits in der Vergangenheit in kleinerer Form großen Anklang gefunden hatten. Anbieten würde sich unter anderem der Ernst-Ludwig-Platz an der Großen Bleiche, die im Sommer im Zuge der Aufwertung des Regierungsviertels ohnehin für den Verkehr gesperrt werden soll. „Konkret sollte die Stadtverwaltung hier Ausweich- und Veranstaltungsflächen finden und prüfen, ob sie Initiativen mit Kino-Technik unter die Arme greifen kann“, schlägt Christen vor.
Was die zukünftige Unterbringung der Programmkinos betrifft, betont Christen, dass die Stadt nicht an die bisherigen Standorte gebunden sei. Es sei eine Überlegung wert, Capitol und Palatin mit dem CinéMayence in einem Filmkunst- oder Kulturhaus zusammenzubringen – wie es in der Vergangenheit bereits vorgeschlagen wurde. Zum einen könnten sich kommunales Kino und Programmkinos gegenseitig Zuschauerinnen und Zuschauer verschaffen. Zum anderen könnte das Film- um ein gastronomisches Angebot bereichert werden. Derartigen Platz gäbe es im Neubau am Ort des Palatin nicht, dort würde das Kino auf das Erdgeschoss beschränkt. Am Ausschreibungsverfahren sollten Kulturschaffende eingebunden werden – darunter auch die Initiative Mainz für Kino, die sich für den Erhalt von Palatin und Capitol eingesetzt hat.
Foto: Stephan Dinges
Wer kann sich leisten, drei Jahre (oder länger) ohne Einkommen zu sein? Die Entscheidung von Seehuber und Zeiler ist verständlich, nichtsdestotrotz überaus bedauerlich. Ob sich die Mainzer Kinokultur jemals wieder zu alter Höhe wird aufschwingen können??? (Cinestar ist da jedenfalls nicht wirklich ein Beitrag)
Aber halt – vielleicht gäbe es eine Lösung: Wie wäre es mit Open-Air-Kino im Römischen Theater? Nun ja, der Denkmalschutz würde da mitreden wollen… (Und wenn nur historische Filme gezeigt würden??? Äh, war nur´n Vorschlag)