Sie gehören zum Leben in unserer Stadt wie das Markfrühstück oder die Fastnacht: die Mainzer Weinstuben. Bekannt sind sie nicht nur für ihre bürgerliche Küche, die regionalen Gerichte oder das gute Glas Wein vom nahegelegenen Winzerhof – vor allem auch die Geselligkeit wird in Mainz groß geschrieben und so ist es fast unmöglich, an einem Abend nicht mit anderen ins Gespräch zu kommen. Welche Weinstuben es gibt und wo sie zu finden sind – wir haben uns in der Innenstadt umgeschaut.
Weinhaus Michel
Die sechsköpfige Familie Michel ist wohlbekannt, denn Michels Erfolgsrezept ist ein einzigartiges Gesamtpaket aus Essen, Trinken, Feiern, Veranstaltungen und viel Menschlichkeit. Auf der Karte gibt es die Käsewerfelscher, das Winzer-Brettsche, die Meenzer-Fleischworscht oder Michels Pann und Speckkardoffele. Ihren Wein erzeugt die Familie in ihrem Weingut im rheinhessischen Weinolsheim. Um den 16 Rebsorten einen eigenen Charakter zu verschaffen, hat Astrid Michel entsprechende Weinpersönlichkeiten ins Leben gerufen. Figuren wie die „Könischin der Nacht“, die „Meenzer Hotvollée“ oder „Michel-Angelo“ geben dem Wein nicht einfach nur einen Namen – sie wurden auch von einer Illustratorin gezeichnet und von einer bekannten Fastnachterin mit mundartlichen Worten umschrieben. In Michels „Keller für Kenner“ finden pro Halbjahr zwischen zehn und zwölf Veranstaltungen mit Künstlern aus der Region und aus ganz Deutschland statt.
Weinhaus zum Spiegel
Das Weinhaus zum Spiegel in der Altstadt kann man nicht verfehlen. Läuft man durch die Augustinerstraße, steuert man direkt auf das Fachwerkhaus am Leichhof zu. Was man hier nicht findet und auch nicht riecht, sind Pommes oder Schnitzel. Denn der Spiegel ist noch eine echte Weinstube mit dem klassischen „Imbiss zum Wein“. Satt wird man trotzdem. Und nicht nur das – vor allem auch die Stimmung und die persönliche Beziehung zu den Wirten ist für viele ein Beweggrund, das Weinhaus immer wieder aufzusuchen. Auf der Karte gibt es Gerichte wie die Meenzer Nackische oder die warme Wurzelstange. Aber auch geräucherte Forellenfilets kann man hier bekommen. Durch die enge Beziehung zwischen dem Wirtspaar und ihren Gästen kommt es nicht selten vor, dass der Spiegel an manchen Abenden auch mal zu hundert Prozent von Stammgästen besucht ist.
Weinhaus Bluhm
Viel Persönlichkeit findet man auch beim Vater- Tochter-Duo Murielle und Pierre Stadelmann im Weinhaus Bluhm in der Badergasse. Murielle, die einzig „singende Köchin“ aus Mainz mit einer entsprechenden Gesangsausbildung, bezeichnet ihr Weinhaus als eine typisch elsässische Weinstube, eine Mischung aus Restaurant und Weinhaus: „Du kannst bei uns die besten Weine trinken und hast gleichzeitig die Möglichkeit, richtig gut zu essen.“ Die Karte ist französisch angehaucht – vor allem aber kocht Murielle sehr viel mit Kräutern und Gewürzen, und die Gerichte sind entsprechend geschmacksintensiv. Den Spundekäs bekommt man im Bluhm sowohl in seiner klassischen Form als auch in Variationen wie beispielsweise mit Blauschimmel oder Cognac. Ebenfalls auf der Karte haben die Stadelmanns Austern und Schnecken sowie Gerichte aus der israelischen Küche.
Weinstube Hottum
Zusammen mit dem Roten Kopp gehört das Hottum in der Grebenstraße zu den ältesten Weinstuben in Mainz. Wer hier nicht reserviert, hat wenig Chancen. Denn das Hottum ist ein eher kleines Haus, dafür umso gemütlicher. Auf der Karte findet man nicht nur die Klassiker wie das Schnitzel, die Frikadelle oder das Rumpsteak – im Hottum gibt es auch viele saisonale Gerichte. Das können Maultaschen sein oder im Winter auch der Rumtopf und das Wildgulasch mit Maronen. Auf der Getränkekarte führen die beiden Wirtinnen Christina Röskens und Sabina Ekinovic zahlreiche Weine vor allem von rheinhessischen Winzern.
Weinhaus Lösch
Wenige Gehminuten vom Mainzer Südbahnhof entfernt liegt das Weinhaus Lösch. Die Weinstube mit ihrer deckenhohen Holzvertäfelung genießt eine über 100 Jahre alte Tradition und zeichnet sich durch gemütlichen Weinhaus-Charme aus. Auf der Karte stehen beliebte Mainzer Gerichte wie Weck-Worscht und Woi oder der Handkäs mit Musik. Aber auch viel Saisonales wird im Wechsel angeboten. Passend zum Essen werden ausschließlich Weine aus den regionalen Anbaugebieten Rheinhessen, Rheingau und der Pfalz ausgeschenkt. Hier treffen sich Jung und Alt – eine vorherige Reservierung ist immer sinnvoll.
Weinbar Laurenz
Am Rande der Neustadt hin zum Bleichenviertel liegt das Laurenz, mit einem eher kleinen, dafür feinen Innenbereich – im Sommer mit großer Terrasse. Wer etwas edler dinieren und die besten Tropfen verkosten möchte, ist hier richtig. Jungköche zaubern regelmäßig starke Menüs, für deren Hauptspeisen zwischen 20 und 30 Euro locker gemacht werden müssen. Die Weinkarte liest sich wie ein Best-of: Rheingau, Pfalz, Nahe, Mosel, Baden, Franken, Burgund, die meisten Weine kommen aber aus Rheinhessen, etwa Wagner-Stempel, Battenfeld-Spanier, Juliane Eller, Kai Schätzel … da liegt die Flasche schon mal bei 60 / 70 Euro oder höher. Andreas Schnura, Christoph Rombach und auch Marcus Landenberger sind die Chefs, wobei Landenberger mit seinem Weinkeller nebenan auch als einziger Neustadt-Winzer bekannt ist.
Weinstube Rote Kopf
Ebenfalls Marcus Landenberger gehört diese Weinstube, etwas versteckt in einer Gasse hinter dem Gutenberg-Museum. Es befindet sich in der Denkmalzone Rotekopfgasse 2–6, zwischen Fischtor und Heiliggeist. Hier stimmen der Wein, das Ambiente, der Service und vor allem das Preis-Leistungsverhältnis. Die saisonal wechselnde Speisekarte bietet alles von Salaten, Kalbsfilet, dem Hähnchen Supreme und sogar Dry-aged Tomahawk bis zu den Klassikern Spundekäs, Wurstplatte usw… Die Weinkarte ist natürlich durch Landenbergers eigene Weine geprägt, zum anderen von solchen befreundeter Winzerkollegen, mit einer Flaschenweinkarte aus den Anbaugebieten Rheinhessen, Rheingau, Mosel, Ahr, Saar, Pfalz, Nahe, Baden, Elsass, Südtirol, Bourgogne und Burgenland. Eine Weinstube so traditionell und bodenständig wie der Inhaber.
Weinhaus Schreiner
Wer zu viel von der Welt da draußen hat, zieht die schwere Eingangstür zum Weinhaus Schreiner am besten fest hinter sich zu. Den Gast erwartet eine Umgebung, in der noch alles in Ordnung scheint. Urige Wirtshaus-Gemütlichkeit, herzhafte, bodenständige Gerichte und eine Vielfalt an Weinen sind die Gegenmittel, um sich einen Abend lang den Irrungen und Wirrungen des Alltags zu entziehen. Oberstes Gebot: Auf die Speisekarte gelangt nur, was die Saison hergibt und „was Laune macht“, versichert Wirt Ulrich Aßfalg. In Stockholm kochte er in früheren Zeiten für das Nobelpreiskomitee. Weitere Stationen führten ihn nach Rotterdam, München, Berlin, Paris und gar nach Jamaika. Als sich die Möglichkeit ergab, das Weinhaus Schreiner zu übernehmen, schlug Aßfalg ein und wechselte als Küchenchef vom „Schwarzen Bock“ die Rheinseite. Seinen Gästen bereitet er nun Gerichte wie „Kalbstafelspitz mit Mainzer Grüner Soße“, „Duroc Kotelett“ oder „Lammhüfte mit Pestokruste“. Als „flüssiges Dessert“ eignet sich der aus Lesbos stammende „Ouzo 46“. Sogar ein gekühltes „Bosch“-Bier lässt sich gut im Außenbereich genießen.
Ladendorfs Weinhaus
Funktional und modern kommt es daher. Gedämpftes Licht, zurückhaltende Farben und Möbel nach skandinavischem Vorbild beherrschen das Interior. Wer jedoch glaubt, es mit einer auf „schick gemachten“ Weinstube zu tun zu haben, liegt falsch. Ins Ladendorfs kommen junge wie ältere Gäste, um am Fuße der Gaustraße die besonderen Tropfen und Speisen zu genießen. Genau das war auch die Idee, die Silvia und Roland Ladendorf seit der Eröffnung 2016 im Sinn hatten. Nach dem Ausstieg aus dem Weinhaus Bluhm haben sie ihre Geschichte weitererzählt und diese um einige Kapitel erweitert. Das Ehepaar bringt es auf eine simple Formel: „Wir wünschen uns, dass Menschen bei sehr gutem Wein und gutem Essen zusammenkommen.“ Konkret bedeutet dies: Herzhafte Speisen (u.a. Handkäs‘, Rippchen, Wildbratwurst, Frikadellen) treffen auf Spitzenweine aus fast allen deutschen Anbaugebieten und natürlich auf ganz viel „Mainzgefühl“ inmitten herrlicher Altstadt-Kulisse.
Weinbar Onkel Oskar & Weinbar Dagobert
Mit dem Dagobert und Onkel Oskar verbreiten Lisa Triller und Sven Hillenbrand-Weisheit ihr „Traubenglück“ an der Rheinallee in der Neustadt und in der Dagobertstraße in der Altstadt. Name und Logo sind dem Onkel von Svens Ehefrau gewidmet, Oskar, der vor circa 80 Jahren hier wohnte und gerne Frauenkleider trug. Im Dagobert sind vorwiegend Frauen zu Gast, gibt Sven, leicht stolz, zu. Nichts scheint aufdringlich, weder die Beratung noch der hell gestaltete Innenraum um die rustikalen Backsteinwände. Wie im Onkel spielt bei den offenen Weinen Rheinhessen die Hauptrolle. Spezieller und absolut probierenswert sind die „Naturweine“ ohne Zusatzstoffe, Zuchthefe oder Schwefel. Gins, Craftbier und Longdrinks runden das hippe Konzept beider Weinstuben ab. Tapas, Salate mit Hunsrücker Hähnchen aus „artgerechter Freilandhaltung“, Focaccia, Pasta, saisonale Risottos und Desserts werden gekonnt zubereitet. Viele vegane Variationen kommen gut an.
Weinhaus Kurfürst
Im Kurfürst ist vieles noch wie früher: das Mobiliar, die Holzvertäfelung, die Zahlweise (ausschließlich Bargeld) und die seit Jahrzehnten treuen Gäste aus der Nachbarschaft. Vor 19 Jahren übernahm der „Meenzer Bub“ Christoph Balzer das alteingesessene Weinhaus. Damals war der Kurfürst noch für Rheingauer Rieslinge bekannt. Mittlerweile kommen alle Weine aus Rheinhessen, zu vergleichsweise moderaten Preisen. Senioren und Familien zählen zu den Stammgästen. Dazu passt, dass alle Hauptspeisen und Beilagen als kleine oder große Portion bestellbar sind. Die gutbürgerliche Küche ist berühmt für ihre Schnitzel, z. B. das „Frankfurter“ an Grüner Soße. Der großzügige Außenbereich mit seinen zahlreichen Pflanzen wirkt wie eine grüne Oase im Herzen der Neustadt.
Text Alexander Weiß, Alexandra Rohde, David Gutsche, Thomas Schneider