Ein gut gelauntes „Hello“ singt Künstlerin Susana de Val von ihrem Balkon, als die Nachmittagssonne noch einmal alles gibt und sich filmreif über das beschauliche Wohngebiet legt. Die Straße „Am Hechenberg“ liegt in einem ruhigen Viertel in Mainz-Hechtsheim. Drumherum ist es grün, es wird gejoggt, geradelt, Kinder spielen auf einer abgelegenen Wiese, und die Nachbarn grüßen im Vorbeigehen. „Hier bin ich aufgewachsen. Einige der Anwohner kennen mich, seit ich ein kleines Kind war“, sagt Markus Haub. Sein Vater war einer der ersten Grundstückseigentümer, die ein Haus in der Straße bauten. Das war Mitte der 60er Jahre und weil er Gefallen an der Umgebung fand und sich eine gute Gelegenheit bot, baute er 1980 nebenan gleich noch ein zweites. Das Planen und Bauen von Häusern war für den Konstrukteur und Handwerker, der in diesem Jahr verstarb, eine Leidenschaft. „Ich glaube das Wort ‚solide‘ hätte seine Arbeitswei- se sehr gut beschrieben“, so der Sohn, der sich die Frage stellen musste, wie es mit dem Haus weitergeht.
Begegnung in Barcelona
Markus Haub und seine Partnerin Susana de Val lebten in den Jahren zuvor überwiegend in Barcelona, wo sie sich auch kennenlernten. Vor etwa 15 Jahren entschloss sich Markus, der in Pforzheim Automobildesign studierte, seine Festanstellung aufzugeben, um eine neue Herausforderung anzugehen. Als Freelancer bekam er weiterhin Aufträge aus der Autobranche und hatte nebenbei die Möglichkeit, seiner Kunst nachzugehen. Der Mix aus Fotografie, Grafikdesign und Malerei fand Anklang in den Galerien, weshalb er sich seitdem nur noch dem kreativen Schaffensprozess widmet. Mit seiner Frau verbindet ihn auch, dass beide in dieser Hinsicht im Gleichklang denken und leben. Denn auch in Susanas Hauptberuf hatte die Kunst eine gewisse Bedeutung. Die gebürtige Madrilenin
widmete sich zunächst der Psychologie und arbeitete in einem Zentrum für traumatisierte Menschen. In den Therapien setzte sie auf Malerei; doch auch im privaten Bereich nahm für sie vor allem abstrakte Kunst einen immer größeren Stellenwert ein. In Spanien, wo das Ehepaar heute noch eine Wohnung hat, verknüpften sie schließlich eins mit dem anderen. Während beide unter der Woche mit Bildern beschäftigt waren, standen die Wochenenden im Zeichen der Begegnung mit anderen Menschen: „Ausstellungen, Konzerte, Partys – jeder konnte spontan vorbeikommen“, so Susana. Zurück in Deutschland entschlossen sie sich dazu, dieses offene Konzept mit dem „Studio h49“ nach Mainz zu übertragen: „Irgendwann haben wir uns gefragt, warum wir das nicht einfach auch hier machen. Hechtsheim ist zwar nicht so groß wie Barcelona, aber auch am Rhein gibt es Menschen, die vielleicht an einem solchen Ort interessiert sein könnten“, glaubt Markus.
Neue Wegmarken
Mit dem Ansatz, die Geschichte des Hauses unter ein anderes Thema zu stellen, begann die mehrmonatige Sanierung. „Zunächst ging es an die Möbel. Einen Teil gaben wir weg, einen anderen nutzten wir neu“, so Susana. Der Boden des mittleren Geschosses, wo die „Wohnzimmergalerie“ entstand, bekam einen Zementbelag, der anschließend mit einem speziellen Lack überzogen wurde. Im unteren Stockwerk gibt es ein Büro und im obersten befindet sich die Wohnung des Paares. In einem der hinteren Räume der Galerie liegt nun das Atelier mit Blick in den großen, schönen Garten. Allein im Eingangsbereich zieht das neonrote Gäste-WC wohl die meisten Blicke auf sich: „Wir wollten damit einen Konterpart zum überwiegenden Weiß und Grau setzen. Ähnlich wie mit dem pinken Gartenhaus, das aus der grünen Umgebung hervorsticht. Im Baumarkt wurde ich beim Kauf der Farben schon komisch angeschaut“, sagt Markus. Um eine transparente Umgebung zu schaffen, wurde die Hälfte der Küchenwand herausgenommen und durch Rauchglas ersetzt. Der Treffpunkt für Familie und Freunde ist aber zumeist das große Wohnzimmer. Dort hängen einige der Werke der beiden Künstler, wie etwa ein Teil aus der Serie „Racing Legends“, die sportlichen Flitzer, die eine Leidenschaft von
Markus sind. Den großen Esstisch darin ließen sie von einem Schreiner aus Ingelheim maßanfertigen. An der angrenzenden Wand erinnert eine Reihe aus Tellern an einen Roadtrip mit einem alten Porsche durch die Alpen. Zu Wegmarken wie den „Gotthard Tunnel“ oder „Sankt Bernhard“ entstanden diese skizzenhaften Zeichnungen, die anschließend von einer Keramikerin aus Barcelona gebrannt wurden. Draußen bietet sich viel Platz für alle denkbaren Veranstaltungen. „Wir haben eine kleine Bühne für Konzerte. Vorstellbar wären hierzu Skulpturen- Ausstellungen oder Tanzkurse. Wer auch immer etwas Schönes umsetzen will, kann es
bei uns tun“. Vom Garten aus lässt sich an wolkenlosen Tagen bis in die Hechtsheimer Weinberge blicken – während des Lockdowns eine Wohltat: „Es ist neu und schön, sich um die Pflanzen zu kümmern und dabei den Wechsel der Jahreszeiten zu beobachten“, sagt Susana. In einem Beet steht dennoch ein Schild mit Pfeilen, die nach „Barcelona, Madrid, Mainz“ zeigen. Das Paar ist eben in Europa zuhause.
Text Alexander Weiß Fotos Marla Dähne