Sind Sie die erste weibliche Domkantorin in Deutschland?
Nein, es gibt deutschlandweit schon ein paar Damen mit diesem Titel. In München gibt es sogar die erste und bisher einzige Domkapellmeisterin. Aber in Mainz bin ich die erste Frau im Amt. Und die Leute, denen ich begegne, reagieren bisher positiv darauf. Ich glaube, es findet ein Öffnen in der Kirche statt im Hinblick auf Frauen in solchen Positionen.
Was macht eine Domkantorin den ganzen Tag?
In Mainz sind wir neben dem Domkapellmeister zu zweit im Amt des Kantors / der Kantorin. Mein Kollege ist traditionell Leiter des Mädchenchores. Mein Aufgabengebiet sind die Gesangsklassen und Singklassen an Schulen in Trägerschaft des Bistums, wie z.B. am Theresianum und an zwei Grundschulen sowie die Stimmbildung bei den Chören am Dom. Dazu kommen Chorproben, Verwaltungstätigkeiten und ich übernehme auch Aufgaben innerhalb der Liturgie.
Ist es schwierig, für die Kirche nach der Missbrauchs-Thematik zu arbeiten?
Nein. Natürlich sind diese Erkenntnisse erschreckend und erschütternd. Aber alles wird nach und nach aufgearbeitet. Wir hier in der Dommusik arbeiten sehr offen und transparent. Alle Mitarbeiter ohne Ausnahme und sogar die Sänger der Chöre durchlaufen ab einem gewissen Alter z.B. Präventionsschulungen. Die Eltern vertrauen uns ihre Kinder an und wir nehmen dieses Vertrauen sehr ernst.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit Kindern?
Die Arbeit mit Kindern ist zauberhaft. Es ist eine Beschäftigung, die sehr ehrlich ist. Kinder spiegeln alles wider. Wenn ich fröhlich in die Stunden hinein gehe, gehen die Kinder auch fröhlich wieder hinaus. Natürlich muss man sich auch mal Gehör verschaffen. Dennoch ist es eine wundervolle Aufgabe, mit Kindern das Singen und deren Stimmen zu entdecken. Ich fühle mich durch die Arbeit sehr geerdet.
Sie singen auch als Solistin auf Konzerten. Was macht mehr Spaß, das Singen oder das Lehren?
Sicherlich habe ich früher mit dem Gedanken gespielt, hauptsächlich als Sängerin zu arbeiten. Aber ich habe während meines Studiums entdeckt, dass mir das Unterrichten Freude bereitet. Und beides zusammen, Singen und Lehren, ergibt für mich die perfekte Mischung. Ich brauche beides: das Singen als Solistin und die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Werk, aber auch das Unterrichten und das Vermitteln gesangstechnischer und musikalischer Inhalte.
Mensch
Kommen Sie aus einem musikalischen Elternhaus?
Ich bin in einem Dorf in Bayern aufgewachsen, in einem Elternhaus, in dem klassische Musik oder gar Operngesang keine Rolle spielte. Mein Vater war aber sehr musikalisch und hat Tuba gespielt. Ich habe mit dem Akkordeon begonnen und bin später zum Klavier gewechselt. Meine Stimme habe ich in der Schule im Chor entdeckt. Ich hatte einen großartigen Musiklehrer und Chorleiter, der mich zur Musik und zum Gesang gebracht hat. Der hat mich auch Anfang November für die Uraufführung eines Requiems in meiner Heimat engagiert. Dadurch schließt sich für mich ein Kreis.
Wie finden sie das musikalische Angebot in Mainz
Prinzipiell finde ich das Angebot hier nicht schlecht. Wir haben viele Chöre, es gibt unfassbar viele Angebot an der Uni, der Bachchor, das PCK, das Theater, Jazz… Wenn man möchte, kann man jeden Tag etwas finden. Das ist schon gut für eine eher kleine Landeshauptstadt. Und nebenan sozusagen gibt es ja auch noch die Theater und Opernhäuser in Wiesbaden oder Frankfurt.
Welche Musik hören Sie privat?
Mein Herz schlägt für die späte Romantik und die Zeit danach, Richard Wagner oder Strauss. Ansonsten höre ich oft bewusst gar keine Musik, weil ich beruflich so viel damit zu tun habe. Pop und Rock höre ich mal im Radio, um auf dem Laufenden zu bleiben für den Austausch mit den Jugendlichen. Als Teenie war ich Fan von Lenny Kravitz und The Cure. Das bin ich eigentlich immer noch, nur höre ich es nicht mehr oft.
Gibt es sonst noch Hobbys außer der Musik?
Ich fahre gerne Ski, gehe schwimmen, ich liebe Literatur, Kunst und Sprachen, vor allem Französisch. Wann immer es geht bin ich in Paris, wo ich letztes Jahr vier Monate gelebt habe. Früher oder später werde ich auch dorthin ziehen, spätestens im Ruhestand. In diese Stadt bin ich verliebt! Paris ist laut, hektisch und voll, aber es gibt mir eine gewisse Freiheit. Ganz zu schweigen von dem unglaublich großen kulturellen Angebot. Und Paris ist von Mainz nur vier Stunden mit dem Zug entfernt.
Mainz ist ja auch recht frankophil. Was gefällt Ihnen hier und was nicht?
Ich mag die Atmosphäre und das milde Klima. Die Mainzer sind herzlich, offen und feiern viel und gerne, das ist mir sympathisch. Man kommt schnell ins Gespräch. Ich habe hier Freunde und Familie gefunden, und das nicht nur in Gonsenheim, wo ich wohne. Was mir nicht gefällt…? Es kann höchstens vorkommen, dass das viele Reden auch manchmal anstrengend sein kann. Und ganz selten kann die Beschaulichkeit der Stadt auch klein auf mich wirken. Aber wenn dieser Fall eintritt, dann fahre ich nach Paris und freue mich, wieder zurück zu kommen.
Interview David Gutsche Foto Jana Kay