von Ulrike Melsbach und Jonas Otte (Foto)
Sollte man sein Kind schon früh weg geben? Mama muss doch ihr Studium beenden oder will wieder arbeiten gehen und das Elterngeld gibt‘s auch nicht mehr so lange. Wir schicken also den Antrag für städtische Kitas ab – geht jetzt auch online – und kreuzen die nächstgelegene Krippe (die einzige in unserem Stadtteil) auf dem Formblatt an. Ein paar Tage später wird der Eingang bestätigt. Das ging ja fix! Und was ist nun mit dem Platz?
Seit August 2013 haben Kinder ab ihrem 1. Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Ab dem 2. Geburtstag ist der Platz (einkommensunabhängig) beitragsfrei, bundesweit nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit – für Wiesbadener sieht es anders aus.
Als „Betreuungsplatz“ gilt die Unterbringung des Kindes in einer Kindertageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Für zu Hause bleibende Kinder gibt es seit der „Herdprämien-Debatte“ bezüglich des Betreuungsgelds weniger Möglichkeiten der Unterstützung. Ist denn so ein Krippenplatz aber auch wirklich das Richtige für uns? Da bleibt das Kind fünf Tage die Woche und Teilzeit (mittags für 1-2 h heim) bringt uns wenig; ich muss schließlich nach Frankfurt zur Arbeit. Könnte man nicht zwei oder drei Tage die Woche selbst bestimmen?
Tagesmama/-papa
In Rheinland-Pfalz liegt die „Betreuungsquote“ der unter Dreijährigen in einer Kita oder bei einer öffentlich geförderten Kindertagespflegeperson aktuell bei etwa 30 Prozent; damit auf Platz zwei im Westen Deutschlands. Im wilden Osten ist es viel üblicher, die Kleinsten „außer Haus“ zu schicken. Im dortigen Länderschnitt werden 52 Prozent der „U3-Kinder“ familienergänzend betreut. Auf den Seiten einer Mainzer Tagespflegebörse suchen wir nach Personen, die im Umkreis wohnen und Betreuungsplätze frei haben. Viele sind das nicht; einige haben erst ab Herbst 2016 wieder Kapazitäten. Nach ein bisschen Telefoniererei bekommen wir aber in einem Monat einen Besuchstermin, bei einer sympathisch klingenden Frau, die nur zwei Fahrradminuten weg wohnt.
Etwas weniger als die Hälfte der oben genannten 30 Prozent werden von einer Tagespflegeperson betreut. Diese „Tagespapas und –mamas“ betreuen bis zu fünf Kinder, zumeist bei sich zu Hause. Die Betreuungszeiten lassen sich flexibler handhaben als bei Kindertageseinrichtungen, die Kosten werden anteilig vom Amt für Jugend und Familie übernommen. Hilfreich bei der Suche ist die Tagespflegebörse kinderbetreuungmainz.de Hier können sich Betreuungswillige registrieren. Sie erstellen ein Profil mit Kontaktdaten und aktueller Zahl der freien Betreuungsplätze, so dass Eltern sich schnell einen ersten Überblick verschaffen können; ein Gesuch kann ebenfalls gestellt werden.
Hat man schließlich den oder die Richtige/n gefunden, gibt es einen Betreuungsvertrag, in welchem man sich auf Zeiten, einen Stundenlohn (z.B. 7 Euro) und sonstige Notwendigkeiten und Eventualitäten einigt. Die Eltern treten zunächst in finanzielle Vorleistung; die Tagespflegeperson bekommt pro am Kind geleisteter Stunde 4,50 Euro durch das Jugendamt erstattet, was sie wiederum an die Eltern zurückreicht. Das funktioniert aber nur, wenn die Person eine entsprechende, vom Jugendamt anerkannte, Qualifikation hat (ebenfalls in der Börse einsehbar, ansonsten nachfragen). Tagespflege ist also die eher individuelle Variante.
Kindertagesstätten (Kitas)
Bei (Klein-)Kinderbetreuung denken die meisten erst einmal an die Kita. In einer Kindertagesstätte können – je nach Angebot der Einrichtung – Kinder zwischen acht Wochen und 14 Jahren tagsüber betreut werden. In einer Krippe findet man alle Knirpse, die noch keine drei Jahre alt sind. Der „klassische Kindergarten“ ist eigentlich für Drei- bis Sechsjährige gedacht. Schulkinder können in einem Hort betreut werden. Logischerweise kann nicht jede Einrichtung alle Sparten abdecken und wenn sie es doch tut, ist sie folgerichtig recht groß und somit weniger familiär. Klar, 20 Kinder in einer Einrichtung sind etwas anderes als 120.
Bezüglich der Trägerschaft muss man sich die Gretchenfrage stellen: 38 Mainzer Kitas werden von der Kirche getragen, 52 von der Stadt; außerdem gibt es 13 Elterninitiativen und 15 „sonstige“ Träger. Alle diese 118 Kitas lassen sich auf der Homepage der Stadt Mainz einsehen, nach Stadtteil oder Angebot (Krippe, KiGa, Hort, integrativer KiGa, Sonder-KiGa) sortiert. Etwas alternativer sind häufig die Eltern- Inis. In der von uns besuchten Kita entscheiden alle Familien gemeinsam, ob eine neue dazu kommt. Überhaupt ist alles basisdemokratisch dort. Auch die Kinder halten morgens ein regelrechtes Plenum mit den Erziehern ab, klären wer welche Dienste hat, und wer mit wem was unternehmen möchte. Es ist beeindruckend, wie organisiert und verantwortungsbewusst die Kleinen daher kommen.
Wir füllen einen Anmeldebogen aus, um auf die Warteliste zu kommen. Da wir ja erst in einem Jahr einen Platz möchten, rechnen wir uns gute Chancen aus. Allerdings sind hier monatlich Elterndienste plus -beiträge von 140 Euro fällig. Wenn man kein „Sommerkind“ hat, das zur Aufnahmezeit zwei Jahre wird, muss man unter Umständen außerdem für Monate bezahlen, in denen das Kind noch gar nicht kommen darf, um sich den Platz warm halten zu lassen. Kitas sollte man am besten mit der ganzen Familie besuchen. Je nach Einrichtung gibt es dafür feste Veranstaltungen oder man kann ausschließlich persönliche Hospitations- Termine machen.
Unter Umständen muss man wiederholt auf allen Kommunikationskanälen pochen, um jemanden zu erreichen, da es in Kitas naturgemäß hoch her geht. Eine unkomplizierte „Undercover“- Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, ist es, Kindersachenbasare zu besuchen, die häufig in den Kitas mit den dazugehörigen Eltern veranstaltet werden. Vor Ort und im persönlichen Gespräch kann man am besten merken, ob es „funkt“. Das Angebot kann noch so toll sein; wenn Eltern und Erzieher / Leitung nicht zueinander passen, wird es auf Dauer nicht gut gehen.
Die Platzvergabe in Kitas erfolgt nach den Kriterien des Trägers. Grundsätzlich haben Alleinerziehende Vorrang, außerdem werden meist Geschwisterkinder bevorzugt. Die Eltern sollten berufstätig / in Ausbildung / arbeitssuchend sein. Viele Einrichtungen binden sich außerdem an ihren Stadtteil. Ob ein Elternkollektiv oder ein Pfarrer das letzte Wort hat: In vielen Fällen landet man erst einmal auf der Warteliste. Wie man dann aufrückt, liegt auch wieder beim Träger, je nach Alter oder Eingang der Anmeldung.
Viele Familien melden sich in mehreren Einrichtungen an, um einen Platz zu bekommen. Das macht es schwierig, Bedarf und Angebot einzuschätzen und man ist gedrängt gleichzuziehen, weil man nicht weiß, in welcher Einrichtung Plätze von „Doppel-Anmeldern“ frei werden könnten.
Zu Hause & Sonstiges
Wer sein Kleinkind zu Hause betreuen (lassen) möchte, muss es sich „leisten können“. Das Betreuungsgeld, welches an das Elterngeld anschließen sollte, wurde nach kurzer Lebensdauer für verfassungswidrig erklärt. Zwar gibt es nun „Elterngeld Plus“, das verteilt aber lediglich die gleichbleibende Gesamtsumme auf 24 statt 12 Monate. Wenn es wirklich knapp wird, gibt es allerdings noch andere Leistungen wie Kinder-Zuschuss zum Kindergeld und auch Wohngeld lässt sich beantragen. Der Steuerzahler freut sich über den Kinderfreibetrag.
Zu Hause lassen sich natürlich auch die Großeltern einspannen, wenn sie denn in der Nähe wohnen. Mittlerweile gibt es übrigens diverse Projekte, um die Älteren mit den Jüngsten in Kontakt zu bringen, wie zum Beispiel „Großelterndienste“ mit Leih-Omas/-Opas. Die sind jedoch als bereichernde Angebote für beide Seiten gedacht und kein Ersatz für die eigene oder professionelle Betreuung der Kinder.
Eine Kinderfrau anzustellen ist eine weitere Möglichkeit, sein Kind zu Hause zu lassen, die vielleicht mehr Sinn macht, wenn mehrere Kinder im Haushalt leben. Doch nicht zuletzt ist der Kontakt zu anderen Kindern und „frühkindlicher Bildung“ wiederum der große Vorteil von Betreuungsformen außer Haus. Für einmalige Angelegenheiten bietet sich ein Babysitter an, für Notfälle (Krankenhausaufenthalt o.ä.) gibt es das Kinderschirm-Projekt des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter.
Fazit
Eltern haben es heute nicht so leicht. Aber wann hatten sie das jemals? Darum geht es ja auch gar nicht. Wir wollen ausfüllende Jobs, „Quality- Time“ mit unseren Familien und am besten noch spektakuläre Freizeitaktivitäten plus Selbstverwirklichung. Alles flexibel und individuell. Junge Familien müssen ihren persönlichen Weg durch den Alltags-Dschungel finden und dabei ist Hilfe bei der Kinderbetreuung eine wichtige Stütze, da wo die Großfamilie und der enge Dorfverband ausgestorben sind.
Die Stadt Mainz tut was sie kann, um gerade Eltern von Kleinkindern vielfältige Unterstützung zu bieten, aber nichtsdestotrotz reicht es (noch) nicht. Wir sind jetzt erst einmal zufrieden mit einer Kombination aus elf Stunden Tagesmama und bis zu fünf Stunden Oma- und Wahlonkel-Zeit pro Woche. Nun werden wir uns weiter durch Kindergarten-Homepages klicken und diese besichtigen, um dann auf Wartelisten gesetzt zu werden. Im Laufe des Jahres wird der Platz bei der Tagesmama wohl auf vier Tage / Woche aufgestockt. Wenn das mit dem Kindergartenplatz 2017 nichts wird, wäre es vielleicht auch gar nicht mal so schlimm, wenn es erst mal bei dieser Form bleibt. Wir haben auf jeden Fall seit unserer Zeit als Kleinfamilie gelernt, wie wertvoll Zeit ist: zum konzentrierten Arbeiten, alleine und miteinander.
Wichtige Adressen:
www.familien-wegweiser.de
www.kita.rlp.de
www.kinderbetreuungmainz.de
www.babysitter.de
Notfall: Kinderschirm (06131 – 616634)