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Wildwuchs.tv erobert Mainz – oder doch nicht?

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Von Felix Monsees
Fotos Elisa Biscotti

Die Frage nach dem Raum stellt sich in Mainz oft. Während bei Günter Jauch über das Thema „Luxusgut Wohnung“ und Mietpreisbremse debattiert wird, klären in Mainz ein Immobilienbesitzer und ein SPDMann die Frage mit den Fäusten. Die Zeitung schreibt über „Terrorund Chaoshäuser“, die von Steine schmeißenden Teenagern bewohnt werden. Die Mainzer Jusos fordern, man solle den Begriff „Enteignung“ enttabuisieren. Die Durchführung derselben gelingt den Hausbesetzern in der Oberen Au- und Nackstraße jeweils nur kurz. Seit zwei Jahren betreibt Michael Reinfrank die Weinraumwohnung in der Neubrunnenstraße und ärgert sich über Leerstände.

Als Selbstständiger sieht er die leeren Räume mit anderen Augen: schöne Veranstaltungen statt hässlicher Leerstände, lautet die Idee. Gemeinsam mit Moritz Eisenach vom Künstlernetzwerk „Musikmaschine“, Christian Hauf alias DJ Chappi (Klingt-Gut. com) und mit Unterstützung der Mainzer Zwischennnutzungsagentur „Schnittstelle5“, veranstaltet er seit diesem Jahr „Wildwuchs.tv“. Die monatliche Veranstaltungsreihe soll in leer stehenden Geschäften, Orten und Räumen stattfinden. So zumindest das Konzept. Dabei bekommen Musiker, Artisten, Comedians, bis hin zum Zauberer eine Bühne. Die Klammer der Veranstaltung ist nicht zuletzt der Wein, der ausgeschenkt wird. Aus seiner „Weinraumwohnung“ hat Reinfrank eine ganze Palette von Weinen mitgebracht. Die werden glasweise in drei Preiskategorien von 2,50 bis 4,50 Euro ausgeschenkt. „Von manchen Weinen habe ich auch nur zwei Flaschen dabei. Was leer ist, ist eben leer“.

Stadtunterstützung wenig spürbar

Bei Wildwuchs.tv handelt es sich aber nicht nur um eine „Weinparty“. „Wir wollen Stadtentwicklung kulturpolitisch angehen“, erläutert Eisenach. Und eine subkulturelle Weinveranstaltung passe doch gut in das „Great Wine Capital“. Dreimal scheiterte Wildwuchs.tv dabei jedoch an den erforderlichen Genehmigungen für die Leerstände und musste in letzter Minute auf Alternativen ausweichen. „Mein Traum wäre es, die alte Feuerwehrwache im Bleichenviertel zu bekommen“, schwärmt Eisenach. Aus Gründen der Haftung und des Brandschutzes sei dies jedoch nicht möglich, begründet die Stadt ihre Absage an das Konzept. Außerdem sei sie nicht Eigentümer der Location. Erst kürzlich fand dort eine Ausstellung mit Hilfe der Stadt in der alten Wache statt. Mit etwas mehr Engagement der Offiziellen wären diese Hürden überwindbar gewesen.

Nach Wiesbaden vertrieben

„Es gibt so viel Leerstände, aber man kommt nicht rein“, ärgert sich Eisenach. Die drei Wildwuchser sind im April über den Rhein nach Wiesbaden in das Kostheimer Restaurant „Rheinschanze“ ausgewichen. Circa 200 Mainzer sind ihnen gefolgt, hö- ren den Musikern zu und sitzen weintrinkend in der Frühlingssonne. Das Fernsehen ist auch dabei („Junge Kreative aus Mainz im Exil auf der anderen Rheinseite“, wird der SWR-Reporter ätzen). Andere Städte wollen das Konzept übernehmen, erklärt Musikmaschinist Eisenach. Mit der Stadt Bingen sei man in Verhandlungen für diesen Sommer. „Wir wollten mal sehen, ob Mainz schon bereit ist dafür.“ Bislang ist die Antwort auf die Frage nach zu bespielenden Leerständen wohl eher ein Nein. Am 14. Mai findet der nächste Wildwuchs-Abend statt. Ein Ort steht noch nicht fest.
www.wildwuchs.tv  www.facebook.com/wildwuchs.tv