Seit einem Jahr ist es still geworden um den „Montmartre von Mainz“. Mit der Eröffnung einer neuen Galerie Ende September gibt es jetzt wieder Bewegung in der Gaustraße. Ist damit die kritische Masse für ein Mainzer Kunstviertel erreicht?
Vom kommenden Trubel ist noch nichts zu spüren, als Alessandra Nobilia am Donnerstagvormittag vor ihrem Laden in der unteren Gaustraße steht und sich mit einem Passanten unterhält. Die Bilder der ersten Ausstellung „Square One“ sind bereits gehängt; nur die Möbel müssen noch arrangiert werden und das Licht bereitet Nobilia Sorgen: In etwas mehr als 24 Stunden will sie hier ihre neue Galerie „arte]n“ eröffnen.
„Kunst ist etwas, das uns nach oben schauen lässt. Sie führt den Betrachter weg vom Alltag“, begründet die gelernte Galeristin Nobilia ihre Entscheidung, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Sie will Mensch und Kunst zusammenbringen und freut sich über jeden Besucher. In ihrer vorherigen „Heimat“, der renommierten Galerie „van der Koelen“ in Mainz Bretzenheim, war Laufkundschaft eher selten. Hier bewegen sich die Szene und internationale Klientel gezielt. Trotzdem arbeitet sie parallel weiter für ihre Mentorin Dorothea van der Koelen. Das sei, so versichert sie, „weit mehr als eine wirtschaftliche Notwendigkeit.“
Synergieeffekte eines Kunstquartiers
arte]n zeigt konkrete und minimalistische Kunst und bietet damit eine gute Ergänzung zu den benachbarten Galerien „Hellbusch“ und „Art Mayence“. Mark Hellbusch sieht daher jetzt die Chance für die Gaustraße, zu einem Galerieviertel aufzusteigen: „Mainz steht von der Größe her an der Schwelle.“ Ein Kunstquartier bringe nur Vorteile, denn Galerien machten sich untereinander keine Konkurrenz. „Drei Bäckereien machen keinen Sinn, drei Galerien schaffen dagegen Synergie-Effekte“, so Hellbusch. Für Nobilia war dieser Gedanke mit ein Grund, sich hier anzusiedeln. Mit gemeinsamen Vernissagen kann auch ein weiter entfernt lebendes Publikum nach Mainz gelockt werden, glaubt sie.
Politik als Hilfe für die Kreativszene?
In der Vergangenheit gab es bereits Ideen, durch kommunale Programme Galerien oder andere Vertreter der Kreativwirtschaft anzulocken. Doch das sehen Hellbusch und Ulla Brede-Hoffmann (SPD), Ortsvorsteherin der Altstadt, kritisch. „Dies ist nicht Sache der Politik“, sagt Hellbusch. Brede-Hoffmann steht einem Mehr an Kreativwirtschaft grundsätzlich positiv gegenüber, eine städtische Initiative mache aber nur Sinn, wenn man Anlass zur Hoffnung habe. Aber genau daran zweifelt die Ortsvorsteherin. Generell hohe Mieten in der Altstadt und ein mangelndes Interesse der Vermieter sind große Hürden. „Die Mieten sind oft so hoch, dass Unternehmer mehrere Monate in Vorkasse gehen müssen, bis ihr Geschäft den nötigen Umsatz erwirtschaftet. Für Start-Ups ist das kaum zu leisten“, klagt sie. Dabei gibt es genügend Ideen, die beiden Gruppen zusammenzubringen: Hellbusch erinnert an das Berliner Modell, in dem sich Künstler zusammentun, um leer stehende Räume zu nutzen. Brede-Hoffmann schlägt Staffelmietverträge vor, die sich am Umsatz des Mieters orientieren könnten.
Für Alessandra Nobilia ist der Einstieg jedoch gelungen. Zufrieden sitzt sie am Samstag nach der Eröffnungs-Vernissage in ihrem Laden. Um die fünfzig Besucher hatten sich am Vorabend in die nur wenige Quadratmeter große Galerie gedrängt. Ob es der Gaustraße gelingen wird, sich als Galerieviertel einen Namen zu machen, hängt nun von allen Beteiligten ab: Galeristen müssen sich weiter auf das Abenteuer Gaustraße einlassen und Vermieter unnötige Hürden aus dem Weg räumen. Erst dann können die Kunden das Angebot eines Kunstquartiers in Mainz wahrnehmen.
Text: Andreas Schröder
Fotos: Jonas Otte