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Wachstumstreiber: Arbeitsmarkt verstärkt auf Zugewanderte angewiesen

Immer da, wenn eine helfende Hand benötigt wird:
Sami Khalifa unterstützt Menschen in ihrem Alltag

Nach einer leichten Entspannung hat die Arbeitslosigkeit in Rheinhessen wieder zugenommen. Das Beschäftigungswachstum in RLP wird dabei ausschließlich von ausländischen Beschäftigten getragen.

Nicht selten kommt es vor, dass Sami Khalifa nach einem langen Arbeitstag noch einmal Richtung Heidesheim aufbricht. Dort unterhält er auf einem Stück Land über zwanzig Bienenvölker. Auf die Vielfalt seiner Sorten ist er ebenso stolz wie auf das Zertifikat des Deutschen Imkerbundes, das so etwas wie der Ritterschlag für Hobby-Imker ist: „Frühtracht, Sommertracht, Linde und Akazie. Die Imkerei ist mein Ausgleich, sie tut mir gut“. Allein im vergangenen Jahr hat er 700 Kilogramm Honig gewonnen. Die Faszination für Bienen geht auf Samis Kindheit in Palästina zurück. Sein älterer Bruder zog damals ebenfalls Bienenvölker auf: „Er war dabei immer in Sorge, dass die mich stechen könnten. Ich habe deshalb erstmal Abstand von dem Hobby nehmen müssen.“ Das sollte sich ändern, als er im Jahr 1996 für das Medizinstudium nach Marburg ging. Der Zufall wollte es, dass er bei einem Senior eine Wohngelegenheit fand, der Imker war. Ihm half er im Alltag und konnte nebenbei sein Wissen über die Bienenkunde erweitern. Für Sami verbanden sich rückblickend gleich zwei Schlüsselereignisse in seiner Biografie: Das eine handelt von den Bienen, das andere von seinem beruflichen Werdegang.

Vom Ein-Mann-Betrieb zu 18 Beschäftigten
Älteren Menschen im Alltag zu helfen, wurde im Laufe der Jahre zu einem Thema, in das Sami immer tiefer eintauchte. Vor zwei Jahren gründete er in Mainz-Finthen „Sami’s Care“, ein Unternehmen, das auf die Betreuung und Assistenz von Senioren spezialisiert ist. „Wir wollen älteren Menschen in ihren eigenen vier Wänden helfen, so lange es ohne Pflegeeinrichtung möglich ist“, erklärt Sami. Der Schritt in die Selbstständigkeit war mit hoher Anstrengung verbunden: „Das erste Jahr war extrem. Ich habe sieben Tage die Woche gearbeitet und war rund um die Uhr erreichbar.“ Anfangs waren es zwanzig Senioren, die Sami versorgte, heute sind es 250: Einkaufen gehen, zum Arzt fahren, im Haushalt helfen – kurzum immer da sein, wenn eine helfende Hand benötigt wird. Sein Engagement und das unkomplizierte Agieren des stets gut gelaunten Sami Khalifa sprachen sich schnell herum. „Alleine konnte ich die Vielzahl an neuen Kunden aber unmöglich stemmen“, sagt er. Er begann sich umzuhören und stieß auf die Jobmesse der Arbeitsagentur, wo sich regelmäßig Unternehmen vorstellen. Diese und weitere Veranstaltungen der Agentur sind mitunter eine erste Gelegenheit, um einen Kontakt zwischen Arbeitgeber und zukünftigem Arbeitnehmer herzustellen.

Gründete vor zwei Jahren eine Firma für Alltagsbetreuung: Sami Khalifa

Zuwanderung als Chance für den Arbeitsmarkt
Gerade für Zugewanderte hätten sich die Messen als erfolgsversprechend erwiesen, so Heike Strack, Chefin der Mainzer Arbeitsagentur: „An unseren Infomessen, Speeddatings und Bewerbertagen in den letzten Monaten haben rund 1.500 Geflüchtete teilgenommen.“ Im Nachgang der Veranstaltungen sind Praktika und Einstellungen direkt vergeben worden. Insgesamt seien momentan in rheinhessischen Betrieben inzwischen über 1.200 Geflüchtete aus der Ukraine angestellt. Zum Vergleich: im Februar 2022 waren es noch 385 Personen. 4.700 Beschäftigte in Rheinhessen kommen aus den Asylherkunftsländern. Zuwanderung ist mittlerweile ein wesentlicher Faktor zur Sicherung des Arbeitskräftebedarfs in Rheinland- Pfalz. Seit 2023 wird das Wachstum hier ausschließlich von ausländischen Beschäftigten getragen. Selbst bei Aktivierung aller inländischen Potenziale wäre Rheinland-Pfalz auf eine höhere Arbeits- und Fachkräftezuwanderung angewiesen, um den Bedarf der Unternehmen zu decken und die durch demografische Effekte entstehenden Lücken zu schließen. „Das Institut für Arbeitsmarktbund Berufsforschung hat berechnet, dass nur mit einer jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Personen das Arbeitskräfteangebot in Deutschland bis zum Jahr 2060 nahezu konstant bleibt“, sagt Heidrun Schulz, Chefin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz- Saarland der Bundesagentur für Arbeit. Die Zahl der Beschäftigten mit deutschem Pass sinkt, wogegen der Anteil der ausländischen Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 10.300 oder 4,8 Prozent stieg, der Hauptanteil davon aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan. „Ohne ausländische Staatsangehörige würden in vielen Engpassberufen weitaus mehr Beschäftigte fehlen. So ist zum Beispiel in den Pflegeberufen, wo im vergangenen Jahr die Zahl der Deutschen um fast 1.000 Personen gesunken ist. Dieser Rückgang wurde aufgefangen durch Fachkräfte aus Drittstaaten in der gleichen Größenordnung“, so Schulz.

Olga kam vor zwei Jahren mit ihrer Familie aus der Ukraine und arbeitet heute bei „Sami’s Care“

Großer Einsatz im Job
Vom Arbeitswillen der Zugewanderten konnte auch Sami Khalifa profitieren. Das zeigte sich, als eine Gruppe ukrainischer Frauen im Anschluss an die von der Arbeitsagentur veranstaltete Jobmesse geschlossen auf ihn zuging, um Interesse an Mitarbeit zu bekunden. Gemeinsam mit der Arbeitsagentur organisierte er kurzerhand einen Info-Abend am Firmensitz in Finthen, wo alle Fragen rund um die Aufgaben und Anforderungen beantwortet wurden. Im Anschluss haben sich zehn Frauen aus der Ukraine beworben – sie alle sind heute bei „Sami’s Care“ beschäftigt. Von den 18 Mitarbeitern stammen 14 Beschäftigte aus der Ukraine. Heute sagt Sami, dass er sich kaum bessere Arbeitskräfte vorstellen könne. „Herkunft spielt für mich überhaupt keine Rolle. Das Maß an Arbeitseinsatz, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ist unter den angestellten Damen aus der Ukraine beachtlich“, sagt Sami, der immer wieder auf zwei Faktoren hinweist, die ihm bei seinen Beschäftigten wichtig sind: „Zum einen betrifft das die Sprache, zum anderen die Denkweise.“ Die meisten der Klienten haben einen klar geregelten Tagesablauf. „Da muss einfach alles stimmen.“ Unpünktlich zu erscheinen, sei ein absolutes No-Go. Viele Arbeitskräfte, die ihm vom Jobcenter vermittelt wurden, hätten nach längerer Arbeitslosigkeit oftmals Schwierigkeiten damit gehabt. Anders sei dies bei seinen Beschäftigten aus der Ukraine, die Sami als Wachstumschance für den Arbeitsmarkt begreift. Eine von ihnen ist Olga. Sie fand den Weg zum Unternehmen klassisch über eine Stellenanzeige in der Tageszeitung. Mit ihrer Familie kam die 34 Jahre alte Mutter von zwei Kindern vor zwei Jahren nach Mainz. Die Arbeit bedeute ihr viel, da der tägliche Umgang mit Menschen auch dafür gesorgt habe, dass sie die deutsche Sprache erlernen konnte. Und auch das Autofahren sei inzwischen für sie zur Selbstverständlichkeit geworden. „Ich habe sie gleich dazu ermutigt, mit dem Dienstwagen zu fahren. Auch die Mobilität ist ein wichtiger Faktor, um das Ankommen für die Menschen in ihrer neuen Heimat zu erleichtern“, sagt Sami, ehe wieder das Telefon klingelt: „Da muss ich jetzt unbedingt rangehen. Ich werde gebraucht.“

Text Alexander Weiß Fotos Stephan Dinges

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