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Interview mit Oliver Backhaus, Leiter des Mainzer Altenheims

Wie sind Sie Leiter des Mainzer Altenheims geworden?
Ich war vorher Geschäftsführer beim Deutschen Roten Kreuz in Frankfurt und wollte mich beruflich verändern. So kam es vor etwa sieben Jahren zu Kontakten zum Mainzer Sozialdezernat und zu ersten Gesprächen. Zudem gab es einen Sanierungsauftrag der Stadt. Es war sogar im Gespräch das Altersheim zu privatisieren. Ich übernahm also die offene Stelle des Geschäftsführers und Heimleiters in Personalunion, mit dem Auftrag den Sanierungsprozess zu starten.

Was zeichnet das Altenheim aus?
Wir sind mit 230 Bewohnern eine der größten Einrichtungen in Rheinland-Pfalz. Wir liegen mitten im Stadtzentrum, mit einer tollen Gartenanlage mit Fischteich und Hühnern, Klanginstrumenten, einem Wasserspiel und Fühlkästen. Dazu kommen die wirklich gute Pflege, Betreuungsleistungen sowie Unterhaltungsprogramme. Es ist ein sehr beliebtes Haus und wir sind eine offene Einrichtung. Hier kann jeder kommen und gehen, wie er möchte. Es gibt alle Betreuungsformen von niedrig bis hoch und wir haben zusätzlich die Tagespflege nebenan im ehemaligen Weinlokal Flehlappe untergebracht.

Wie geht das Altenheim mit Corona um?
Wir haben schon früh Maßnahmen getroffen, bevor die Politik welche beschlossen hatte. Alle externen Veranstaltungen und / oder Besuche durch Externe wurden untersagt. Die Bewohner wurden gebeten, die Einrichtung nicht zu verlassen. Zum Glück haben wir den Park! Dort konnten sie sich mit Angehörigen mit Abstand hinter dem Zaun sehen und sich auch an der frischen Luft bewegen. Das hat gut geklappt. Wir haben keine Covid-Fälle bei uns. Eine Gefahr bleibt bestehen, weil die Mitarbeiter ein- und ausgehen. Hier haben wir entsprechende Regeln. Um die Tagespflege tut es mir leid, die mussten wir im März schließen, um die Heimbewohner zu schützen.

Wie gehen die Menschen damit um?
Die meisten Bewohner sagen, „wir haben schon so viel erlebt, das wird auch vorbeigehen“. Eine kleine Gruppe ist aber genervt von den Regeln; verständlich, denn es gibt Einschränkungen im Heimalltag. Aber die Bewohner dürfen zusammensitzen. Solange keiner Symptome hat, sollen sie ein lebenswertes Leben führen. Wir haben sonst größere Probleme mit der normalen Grippe. Einigen sehr engagierten Angehörigen fällt es schwer, ihre Eltern nicht so viel und intensiv sehen zu können. Es fehlt am nötigen Kontakt. Sterben muss aber niemand allein. Wir geben Schutzausrüstung aus, damit der letzte Moment miteinander verbracht werden kann. Das wäre sonst das Schlimmste – für alle Beteiligten. Auch in Zeiten von Corona sollte Menschlichkeit nicht verloren gehen.

Jetzt kommen langsam Lockerungen, was ist bei Ihnen geplant?
Wir arbeiten eine kontrollierte Besuchsregelung aus. Damit soll ein Stück weit Normalität erreicht werden. Die Angehörigen können dann mit Maske und Handschuhen unter Einhaltung des Abstands in einen dafür vorgesehen Raum gehen und ihre Angehörigen treffen. Die Termine dafür werden vorgegeben. Und dann muss man weitersehen.

Kommen Sie eigentlich aus Mainz?
Geboren bin ich im Ruhrgebiet und als Kind mit meinen Eltern nach Mainz-Marienborn gezogen. Ich bin hier zur Schule gegangen und habe danach eine Ausbildung zum Großund Einzelhandelskaufmann gemacht und wollte dann eigentlich ins Ausland nach Australien. Aber ich habe mich doch für das Studium entschieden und an der Fachhochschule BWL mit Schwerpunkt Krankenhauswesen studiert, war aber währenddessen im Ausland in Kanada und danach für mehrere Monate in Australien. Dann habe ich zwei Jahre als Assistent in einem Einkaufsverbund gearbeitet, aber wollte mehr ins Soziale und habe mich auf eine Anzeige des Roten Kreuzes beworben. Mit Erfolg, zuerst in Mainz, dann in Offenbach und später als Geschäftsführer in Frankfurt. Gerade die Zeit in Frankfurt war toll, durch die ganzen Großveranstaltungen wie Fußball-WM, Marathon, Iron Man und die Pferderennbahn; ohne Zweifel etwas Besonderes.

Und warum geht man von dort wieder nach Mainz?
Nach zehn Jahren war es an der Zeit, etwas anderes zu machen. Durch meine Doppelfunktion hier als Heimleiter und Geschäftsführer schätze ich die Nähe zu den Menschen. So etwas kann man nicht in Euro bezahlen. Meine Eltern haben mir beigebracht, dass man von Älteren viel lernen kann an Lebenserfahrung. Und den Senioren am Ende ihrer Lebenszeit eine schöne Zeit zu ermöglichen – eine bessere Arbeit kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Außer naja … auf der Bühne stehen, das würde mich noch reizen. Ich singe gerne, war lange im Gospelchor und trete noch ab und an auf Hochzeiten oder anderen Feierlichkeiten auf.

Und reisen Sie auch noch gerne?
Ja, allerdings nicht mehr in die entlegensten Orte. Mit fortgeschrittenem Alter wägt man die Strapazen des Anreisens ab. Hinzu kommt das Niveau der medizinischen Versorgung in manchen Ländern. Ich war häufig mit dem Roten Kreuz in Rumänien und Griechenland. Da hätte ich heute ein wenig Bedenken. Wenn einem dort etwas passiert, dauert es teilweise lange bis die Versorgung greift und man in ein Krankenhaus kommt. Ich fahre daher auch gerne einfach durch Rheinland- Pfalz und Hessen mit meinen zwei Oldtimern und kehre hier und da ein.

Wie empfinden Sie die Corona-Zeit für sich persönlich?
Der Kontakt zu guten Freunden, auch das Körperliche beim Sport, sich nahe zu sein, die fehlende Berührung, das stimmt mich schon traurig. Zudem, in meiner Position im Alternheim mit der Arbeit mit gefährdeten Menschen ist das Thema noch mehr im Bewusstsein. Ansonsten gehe ich damit entspannt um. Ich finde es auch übertrieben, Masken im Auto zu tragen oder wenn man spazieren geht. Es ist wichtig, eine Balance zu finden. Ansonsten fehlt mir das Essen gehen, Kaffee & Kuchen und all das, einfach in der Gastronomie zusammenzusitzen und zu babbeln.

Haben Sie schon Pläne für den Ruhestand?
Ich werde wahrscheinlich mit einem Wohnmobil reisen. Das finde ich entspannt. Das hat früher mit meinen Kindern schon Spaß gemacht und später mit mehr Platz und Möglichkeiten, das stelle ich mir schön vor. Gerne Richtung Süden, Sonne, Meer, Spanien, Portugal, Italien, Kroatien, dorthin wo Karl May gedreht wurde. Und Skandinavien reizt mich noch. Also quer durch Europa.

Interview David Gutsche Foto Jana Kay