von Tina Jackmuth, Fotos: Jana Kay
Tenojoki, Baetica und Lingua Cultura – sensor stellt drei individuelle Reisekonzepte aus Mainz vor.
Die Leidenschaft zum Beruf machen. Christine Eckert, Renate Lingau und Peter Simon haben dies getan auf dem Feld des Reisens. Durch und in besonderen Reisekonzepten haben sie sich selbst verwirklicht. „Eine innere Sehnsucht hat mich schon mit 18 Jahren in den Norden gezogen“, erinnert sich Peter Simon, der seit über dreißig Jahren Skandinavien bereist und seit fünf Jahren unter dem Namen „Tenojoki“ (ein Grenzfluss zwischen Norwegen und Finnland) Reisen veranstaltet nach Schweden, Finnland, Norwegen, Lappland und auf die Lofoten. Unterwegs, Nomade sein, das ist für den studierten Geografen, Skandinavisten und Germanisten ein Wesenszug des Menschen. Der 52-Jährige, der auf Jahrzehnte lange Erfahrung als Reiseleiter zurückblickt, befasst sich gerne mit der Philosophie und Motivation des Reisens in der heutigen Zeit. Auf durchstrukturierten Touren anderer Reiseveranstalter wurde er das Gefühl nicht los, ein Ziel nach dem anderen einfach nur abzuklappern und an den wesentlichen Dingen vorbei zu hasten. „Das war nicht meine Bestimmung. Ich musste eigene Reisen entwerfen“, sagt Simon, vor allem weg von der Ziel- und Faktenversessenheit gewöhnlicher Studienreisen. „Es geht nicht darum, alles und noch mehr zu wissen, sondern ein Gefühl und das Gespür für das Gesehene und Erlebte zu entwickeln. Die Menschheit hat bewiesen, dass sie jedes Ziel erreichen kann. Wir kommen nackt auf den Mount Everest und das sogar ohne Sauerstoff. Heute stellt sich die Frage nach dem individuellen Ziel“, philosophiert er.
Vom Ziel zum Raum im hohen Norden
Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat Simon vor fünf Jahren begonnen, eigene Reisen zu konzipieren, unter dem Motto „Reiseziel zum Reiseraum“. Seine Wander-, Kunst-, Literatur- und Städtereisen in den hohen Norden folgen keinem strikten Programm, sondern ermöglichen den Teilnehmern, sich auf den jeweiligen Ort einzulassen, ihn wirklich zu erleben. Anstelle von Zahlen und Fakten treten Geschichten und Anekdoten, Mystik und Magisches. „Der Unterschied bei mir ist, mit Zeit und Ruhe nicht jedes mögliche und unmögliche Ziel erreichen zu wollen, sondern zu schauen, ob es in oder neben diesen Zielen Räume zu entdecken gibt und noch etwas anderes, als Stein und Zahl: nämlich mich selbst.“ Touren mit Peter Simon haben eine sehr persönliche Note. Sein neuer Favorit für dieses Jahr: Lappland im Herbst. www.tenojoki.de
Mit allen Sinnen und Rad unterwegs im Süden
Mit dem Mountainbike hat sich Christine Eckert vor zehn Jahren alleine auf den Jakobsweg begeben. In der Einsamkeit und Weite der Landschaft zwischen Pyrenäen und Santiago de Compostela wurde ihre Idee für Rad- und Aktivreisen geboren. Kurz entschlossen sattelte die gelernte Kauffrau, bis dato für einen Juristenverband tätig, im Alter von fünfzig Jahren um und gründete ihr Unternehmen „Baetica“. So hieß die römische Provinz, die 27 v. Christus dem heutigen Andalusien entsprach. Auf zahlreichen Besuchen bei ihren Eltern, die im südlichsten Zipfel Spaniens ihren Lebensabend verbrachten, entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Region. „Oft habe ich mich aber auch geärgert, wie lieblos ich durchs Land geführt wurde“, erinnert sie sich. Ihre Rad- und Aktivreisen für Gruppen bis maximal 14 Personen durch Andalusien, die Extremadura oder auf dem Jakobsweg sind liebevoll recherchiert und konzipiert. „Gruppenreisen mit mir, das ist wie mit Freunden unterwegs sein“, sagt die quirlige inzwischen 60-Jährige, die im Begleitbus immer dabei ist, aber auch noch selbst in die Pedale tritt. Schöne Landschaften, exklusive Unterkünfte und Verpflegung sollen auf ihren Radreisen alle Sinne berühren. Großen Wert legt Christine Eckert dabei auf die Auswahl von Touren abseits touristisch ausgetretener Pfade und authentische Erlebnisse. „Bei mir gibt es zum Beispiel kein Picknick und keine Halbpension ohne landestypische Produkte“, betont sie. Vor Ort arbeitet sie mit Guides zusammen, die mit Insiderkenntnissen, Liebe zu ihrem Land und deutschen Sprachkenntnissen punkten. Ein weiterer Unterschied zu anderen Anbietern von Radtouren in Spanien seien außerdem ihre hochwertigen Räder und Mountainbikes nach deutschem Standard. Seit neuestem gehören dazu auch E-Bikes. Für den Fall einer Panne ist ein einheimischer Fahrradtechniker immer mit dabei. Neben den Standard- Gruppenreisen, die sie drei Monate im Frühling und Herbst selbst begleitet, bietet sie für Individualisten (ab 2 Personen) auch Reisen „à la carte“ an und steht „Selbstfahrern“ als Expertin für Radtouren in der Mainzer Region zur Seite. Die Begeisterung, mit der sie ihr „Ein-Frau-Unternehmen“ betreibt, ist spürbar. Sie habe sich, sagt sie, damit einen Traum erfüllt und ihre Lebensaufgabe gefunden. www.baetica.de
„Kulturreisen“ mit Tiefgang
Eine Lesung auf dem Nil, unterwegs in Prag mit Martin Walser, Wagner in Riga, Glaubensgespräche mit Mönchen in der ägyptischen Wüste … der Reiseveranstalter „Lingua & Cultura“ mit Sitz in Laubenheim hat sich auf Reisen spezialisiert, die einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen und auf die Kultur eines Landes werfen. Jede Reise ist ein Unikat, welches sich um ein Event, einen Dichter, Literatur, Kunst oder aber philosophisch- religiöse Aspekte dreht. „Da, wo klassische Studienreisen aufhören, fangen wir an“, erzählt Renate Lingau stolz. Die 59-jährige ehemalige Gymnasiallehrerin ist der kreative Kopf des Unternehmens, das sie zusammen mit ihrem Mann vor 13 Jahren gegründet hat. „Mein Mann war damals in einem weltweit operierenden Unternehmen zuständig für die Betreuung diplomatischer Gäste und ich übernahm es, mich um die Diplomatenbegleiterinnen zu kümmern. Ich merkte, dass es mir Spaß machte und die internationale Ausrichtung meine Berufung ist“, sagt sie. Der Entschluss, nach der Kinderpause nicht wieder zum Lehramt zurückzukehren, sondern zur Touristik zu wechseln, war somit gefasst. Bereut hat sie ihn nie: „In der Schule war es meine Ambition, Jugendliche für Literatur zu begeistern“, sagt Renate Lingau. Heute möchte sie Menschen aktiv und authentisch für Kunst, Kultur und Kulturen begeistern. Insofern habe sie immer noch eine Art Lehrauftrag. Zehn bis zwölf Tage im Monat ist Lingau regelmäßig unterwegs, um jede noch so spezielle Tour selbst zu recherchieren und die erforderlichen Kontakte vor Ort zu knüpfen. Das Fachwissen für ihre „Kulturreisen“ mit Tiefgang bringt sie als Germanistin, Anglistin und studierte Theologin mit. Entsprechend hoch ist ihr Anspruch an die Reiseleiter. Für ihre Reisen engagiert sie renommierte Professoren, Experten oder Autoren. Inzwischen hat sie sich ein weltweites Netzwerk von Kulturschaffenden aufgebaut, arbeitet zusammen mit deutschen Literaturgesellschaften und Botschaften und pflegt persönliche Kontakte zu religiösen Vertretern in aller Welt. Das öffnet ihr Tür und Tor zu ganz besonderen Einblicken, die sie auf „ihren“ Reisen ermöglichen will. „Ich möchte auch zwischen Kulturen vermitteln und verstehe mich in diesem Sinne als Botschafterin“, sagt Lingau mit besonderem Augenmerk auf ihr Reiseangebot in muslimische Länder. Auch 2013 steht trotz anhaltender Unruhen wieder eine Reise zu den Wüstenvätern in Ägypten auf dem Programm. www.linguacultura.de
Wie Renate Lingau haben auch Christine Eckert und Peter Simon in dem, was sie heute tun, ihre Bestimmung gefunden. Vielleicht ist es das, was ihre Reisen so besonders macht. Ihr Mut, sich zu verändern und in unserer auf Sicherheit fixierten Gesellschaft etwas zu riskieren, hat sich für alle drei als Erfolg und Glück erwiesen. Wer sein volles Potenzial entfalten will, muss auch mal neue Wege gehen. Und wer weiß, vielleicht begegnet man seinem neuen und alten Ich auf oder durch eine dieser Reisen …