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Tanz der Moleküle


Text: Heidrun Fleischer
Fotos: Katharina Dubno

Der ein oder andere mag noch aus eigenen Tanzkurszeiten wissen, wie viel Mühe es gekostet hat, Tänze wie Samba, langsamer Walzer und Tango zu lernen. Sich gegenseitig nicht auf die Füße zu treten, die Schrittfolgen richtig auszuführen und dabei auch noch im Takt zu bleiben, stellt so manchen vor eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Wer Tanzen als Wettkampfsport betreibt, sieht sich dagegen ganz anderen Problem gegenüber. Isabel Matthes (29 Jahre) und Jörg Gutmann (34 Jahre) vom Tanz-Club Rot-Weiss Casino Mainz e.V. (TC RWC Mainz) zeigen, dass Tanzen harte Arbeit ist und trotzdem sehr viel Spaß macht.

Seit fast zehn Jahren tanzen sie zusammen Turniere in Standrad und Latein – und das sehr erfolgreich: in der höchsten deutschen Standard- und der zweithöchsten Latein-Amateurklasse. Im Alter von fünfzehn Jahren kamen sie über Tanzschulen und Jugendtanzgruppen zu ihrem Sport und sind dabei geblieben. Als nichtgebürtige Mainzer führte beide ihr Studium ins Rhein-Main-Gebiet und seit 2001 treten sie gemeinsamen auf Turnieren für den TC RWC Mainz an. Aber auch abseits der Tanzfläche sind sie ein Paar. „Das Schöne daran ist, dass Tanzen ein Hobby ist, das man zusammen machen kann – das einen verbindet“, sind sich beide einig.

Gerade erst von einer ihrer Trainingseinheiten aus Italien zurückgekehrt, stehen Isabel und Jörg nur zwei Tage später schon wieder in der neuen Sporthalle an der Weserstraße in Gonsenheim – hier hat der TC RWC Mainz im Sommer seinen Clubraum bezogen – auf der Fläche. Die Beiden müssen einen hohen Leistungsanspruch an sich haben, schließlich nehmen sie an etwa zwei Wochenenden im Monat an Wettkämpfen teil. Trainiert dafür wird an sechs Tagen die Woche. Den einzigen trainingsfreien Tag füllt der 34-Jährige mit Kursen im Breitensport aus, die er selbst unterrichtet. „Tanzen ist unser Hobby, da bleibt keine Zeit mehr für andere Hobbies“, sagt Isabel. Für Freunde oder einen gelegentlichen Kinobesuch nehmen sie sich trotzdem Zeit. Andere körperliche Betätigungen wie Inlineskaten, Badminton, Krafttraining und Stretching kommen aber meistens dem Tanzsport zu gute.

„Ich mag Tanzen, weil es eine sehr ästhetische Sportart ist, da ist viel für das Auge dabei“, erklärt Isabel. Nicht nach harter Arbeit soll es auf der Tanzfläche aussehen, nicht Anstrengung ausdrücken, sondern den Zuschauern Freude und Spaß vermitteln – deswegen die schöne Kleidung und die aufwendige Vorbereitung vor dem Turnier. Etwa zwei Stunden planen sie zum Schminken ein. „Für die Zuschauer ist es manchmal schwer zu erkennen, was gut gemacht wurde und was nicht“, sagt Jörg. „Es ist nicht wie beim Fußball: Tor und eine Mannschaft hat gewonnen.“ Kriterien wie Charakteristik, Balance und Bewegungsablauf fließen in die Entscheidungen der Wertungsrichter mit ein.

Ob Isabel und Jörg sich wünschen, dass ihr Sport in der Öffentlichkeit mehr Beachtung findet? Natürlich, aber das sei schwer umzusetzen, gerade weil es eine subjektive Sportart ist. Die beiden erzählen von Negativschlagzeilen wie etwa Doping, die auch im Tanzsport zu finden sind. Das sei zwar sehr unschön, aber dadurch wachse wenigstens das Verständnis für das Tanzen als Leistungssport. Turniertanzen? Ist das denn Leistungssport? Auf jeden Fall erklärt Isabel. „Ein Tanz ist vergleichbar mit einem 800-Meter-Lauf.“ Bei einem Turnier absolviert ein Tanzpaar schon mal fünfundzwanzig davon. Um das durchzustehen, ist regelmäßiges Training nötig.

Jedes Paar investiert aber nicht nur reine Trainingszeit, denn Tanzen ist ein teurer Sport. Die Kleidung, zahlreiche Übernachtungen und private Trainingsstunden müssen bezahlt werden. Nur wenige Tänzer können alleine vom Tanzen leben. Anders als in anderen Sportarten müssen Tanzvereine um jeden Sponsor kämpfen. Und so gehen auch Isabel und Jörg acht Stunden am Tag arbeiten.

www.tanzen-in-mainz.de
www.gutmann-matthes.de