Vor 6 Jahren wurde die Mainzelbahn eingeweiht mit über 20 Kilometern Strecke. Es gab einigen Zoff in Hechtsheim, geklagt hat aber niemand, wie Jochen Erlhof, Geschäftsführer der Mainzer Mobilität zufrieden feststellt. Nun sind neue Bundesgelder da, der ÖPNV passt in die Klimapläne, und Bürger sollen weniger aufs Auto als auf Bus und Bahn setzen. Es gibt also ambitionierte Pläne, die Straßen der Stadt wieder einmal aufzureißen und bis 2030 mit Trassen zu versehen, die vom Heiligkreuzquartier in Weisenau bis an den Dom und von dort durch die Bleiche und die komplette Neustadt bis an den Zollhafen / Kaiser-Karl-Ring führen.
Betont wird dazu der Stadtratsbeschluss von 2020, der konkret drei (Bau-)Abschnitte definiert: ein kurzer Abschnitt in der Binger Straße, die Anbindung des Heiligkreuzviertels in Weisenau sowie der „Innenstadtring“ vom Dom über die Bleiche und Bauhofstraße, quer durch die Neustadt. Während es zur Binger Straße bereits ein „Bürgerbeteiligungsverfahren“ gegeben hat, befinden sich die anderen Projekte noch in der Prüfphase.
Binger Straße
Etwa 250 Meter lang ist die Strecke zwischen Münsterplatz und Alicenplatz, die bald Gleise erhalten soll. Dann können die vom Schillerplatz kommenden Straßenbahnen, die in Richtung Bretzenheim und Lerchenberg wollen, am Münsterplatz links abbiegen und zur Haltestelle Hauptbahnhof West fahren (und umgekehrt). Die Fahrzeiten der Bahnen würden, da sie nicht mehr über den Bahnhofsvorplatz müssen, deutlich verkürzt. Dieser „Bypass“ soll die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßenden Bus- und Tramhaltestellen auf dem Bahnhofsvorplatz entlasten. Mit der Umgestaltung soll sich auch die Situation für die Radfahrenden und die Fußgänger verbessern. Es handelt sich zwar nur um einen kurzen Abschnitt, dessen Umgestaltung aber durch die Lage als Haupteinfahrt und -ausfahrt in die Stadt sehr schwierig zu meistern ist. So muss etwa der Durchgangsverkehr, der vom Alicenplatz über die Binger Straße und die Große Bleiche zur Rheinstraße fährt, reduziert werden. Daher ist geplant, die Durchfahrt durch die Große Bleiche an deren Ende im Bereich des Ernst-Ludwig- Platzes für den motorisierten Individualverkehr zu sperren. Als Ausweichstrecke biete sich die Parcusstraße / Kaiserstraße an. Beim „Einsetzen“ der Straßenbahn wird zudem eine „Zeitinsel“ geschaffen. Das heißt: Wenn die Straßenbahn in der Fahrbahnmitte hält, muss auch der Auto- und Radverkehr stoppen, damit die Fahrgäste sicher über diese „Zeitinsel“ gehen und in die Tram einsteigen können. Dazu wird eine Ampelanlage für die Autos und Fahrräder installiert. Im Mai soll die Entwurfsplanung beginnen, im folgenden Planfeststellungsverfahren können Bürger Einwendungen einreichen. Nach einem Stadtratsbeschluss Ende 2023 könnten 2024 die Bauarbeiten beginnen.
Heiligkreuzviertel
Im Heiligkreuzviertel sollen einmal 6.000 Menschen leben, die ersten Wohngebäude sind bezogen. Dass dieses Neubaugebiet an das Straßenbahnnetz angeschlossen werden soll, darüber herrscht im Stadtrat Konsens. Für Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger genießt der Anschluss des großen Neubaugebietes daher Vorrang vorm Innenstadtring. Welche Trasse hier infrage kommen würde, wird noch untersucht. Dabei ist durchaus mit Protesten der Anlieger in der Oberstadt zu rechnen. Soll die Tram an der Phillipsschanze von den bestehenden Gleisen abbiegen und vorbei am Katholischen Klinikum über die Straße An der Goldgrube bis zur Hechtsheimer Straße fahren, um so zum Heiligkreuzviertel zu kommen? Böte sich ein Abzweig am Pariser Tor an, um durch die von Kleingärten geprägten Bereiche in Richtung Hechtsheimer Straße zu gelangen? Oder soll die Tram eine etwas weitere Schlaufe fahren, um an der Ecke Geschwister-Scholl-Straße/ Emy-Roeder-Straße abzubiegen und so das Heiligkreuzviertel zu erreichen? Untersucht wird für eine mögliche Trasse der gesamte Bereich zwischen Goldgrube und Emy-Roeder-Straße.
Innenstadtring: Alt- und Neustadt
Am spektakulärsten gestaltet sich die Planung für die Innenstadt. Neue Gleise durch den Stadtkern und die Neustadt sollen mit den bestehenden verknüpft werden. So könnten vom Schillerplatz aus Gleise durch die Ludwigsstraße vorbei an der Quintinskirche in die Schusterstraße und Flachsmarktstraße verlaufen. Von dort aus geht es weiter über die Bauhofstraße in die Neustadt und da über die Hindenburgstraße und Sömmerringstraße bis zu den vorhandenen Gleisen im Bereich Bismarckplatz / Kaiser-Karl-Ring. Soweit die Theorie. Doch die Strecke durch die baumbestandene Hindenburgstraße stieß im Ortsbeirat Neustadt bereits auf Kritik. Auch Steinkrüger sieht die Idee einer Tramlinie durch die Hindenburgstraße skeptisch.
„Das ist eine der schönsten Alleen von Mainz.“ Geprüft werden daher auch Alternativrouten: zum Beispiel durch die Rheinallee bis zum Zollhafen. Ins Gespräch kam kürzlich sogar eine Trasse durch die komplette Wallaustraße. Zudem soll auch eine Tramstrecke durch die Große Bleiche geprüft werden. Projektleiter Christian Jakobs betont, es gebe noch keinerlei Festlegung für eine dieser Neustadt-Varianten. Für die Hindenburgstraße spreche, dass dies die kürzeste und damit auch schnellste Strecke sei. Vom Stadtkern aus könnte die Tram über die Bauhofstraße und Hindenburgstraße fahren, am Rande des Goetheplatzes entlang über die Kreyßigstraße, um dann auf die vorhandenen Gleise am Kaiser-Karl-Ring zu stoßen. Alter Baumbestand in der Hindenburgstraße könnte dort vom Ausbau tangiert sein, wo Haltestellen eingerichtet werden oder Kurven eingebaut werden müssten, so Jakobs. Wie viele Bäume dafür gefällt werden müssten, sei derzeit nicht zu sagen. Der Allee-Charakter der Hindenburgstraße bliebe jedenfalls erhalten. Auch bei einer Streckenführung über die Rheinallee wären einige Bäume betroffen, verdeutlichte MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof. Bei dieser Lösung in der Nähe zum Neubaugebiet Zollhafen läge die Strecke allerdings am Rand der Neustadt. Vom Stadtkern über die Flachsmarktstraße kommend könnte die Straßenbahn nach rechts in die Großen Bleiche abbiegen, um beim Schloss auf die Rheinallee zu stoßen. Neu in der Debatte taucht die Wallaustraße – zwischen Hindenburgstraße und Rheinallee – auf. Dabei würden die von der Bauhofstraße kommenden Straßenbahnen einige Meter über die Kaiserstraße fahren und den 117er Ehrenhof kreuzen, um in die Wallaustraße zu gelangen bis hin zum Kaiser- Karl-Ring. Es würde also zuckeln zwischen Mietwohnungen in einer schmalen Straßen, Parkplätze würden wegfallen, Raumnot, Lärm und weitere Probleme wären die Folge. Manch einer fragt sich, warum in einer Stadt wie Mainz, in der alles fußläufig gut zu erreichen ist, überhaupt eine Straßenbahnstrecke durch die Neustadt gebraucht wird. Es gibt diverse – auch bestehende grüne – Mobilitätsmöglichkeiten, dazu Anschlüsse am Kaiser-Wilhelm- Ring und Zollhafen. Warum nicht maximal einen Sackbahnhof, der vor dem Goetheplatz endet?
Alternativlos?
Die Altstadt sei das Ziel vieler Mainz-Besucher und die Neustadt der bevölkerungsreichste Stadtteil. Beide müssten besser ans Straßenbahnnetz angeschlossen werden, sagt Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger. Johannes Köck, Leiter der Angebotsplanung bei der MVG, betont, dass es beim Innenstadtring nicht darum gehe, „die Straßenbahnen im Kreis fahren zu lassen“. Vielmehr sollen neue Linienangebote geschaffen werden, damit Fahrgäste zum Beispiel aus Vororten wie Gonsenheim oder Hechtsheim schneller an ihr Ziel im Stadtkern kommen. 15 Monate laufen nun verschiedene Formate der Bürgerbeteiligung, in denen bisher oft nur viele städtische Mitarbeiter zu sehen sind. Zudem erarbeitet die Stadt parallel „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung“, damit nichts aus dem Ruder laufe. Ob es einen Bürgerentscheid wie bei der Citybahn in Wiesbaden gebe werde, lautete eine Frage bei der Beteiligung bereits: „Das sieht die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung nicht vor“, antwortete Christian Jakobs von der MVG. Entscheiden über das Projekt soll der Stadtrat. So etwas wie den Bürgerentscheid zum Bibelturm will man auf alle Fälle vermeiden …
Infos zum Straßenbahn-Ausbau:
www.m-wie-zukunft.de
Text David Gutsche (zu Teilen aus der Allgemeinen Zeitung)