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Österreicher in Mainz / Die Mainzer Ösi-Connection

8 bis 9 Mio. Menschen leben im unteren Anhängsel von Bayern. Das sind etwa 10 Prozent der deutschen Einwohnerzahl. Würde man beide Länder zusammennehmen, dann wäre jeder 10. hier ein Österreicher. Ist es so vielleicht zu erklären, dass es so viele Ösis in Mainz gibt, 500 an der Zahl?

Oder ist es einfach die historische Verbindung bis in die Bismarckzeit (und darüber hinaus bis zu den dunklen und braunen Kapiteln) und die beinahe gleiche Sprache? Doch Österreicher ist nicht gleich Österreicher, da gibt es große Unterschiede. So ist ein Bayer ja auch nicht mit einem Hamburger in einen Topf zu werfen. Aus neun österreichischen Bundesländern stammen sie: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark, Tirol, aus Vorarlberg und Wien. Wien ist zugleich Bundeshauptstadt und einwohnerstärkste Stadt des Landes. Die Wiener sollen außerdem etwas „grantliger“ sein als ihre Kollegen aus der „Provinz“.

Was also ist dran an den österreichischen Klischees? Und welche Österreicher haben in Mainz das Sagen? Warum heißt die Kartoffel dort Erdapfel, das Hackfleisch Faschiertes und die Tomate Paradeiser? Lässt ein Österreicher wirklich keine Gelegenheit für Kaffee und Kuchen aus? Lieben alle die Berge und den Wintersport? Und können sie alle Walzer tanzen? Wir machen uns auf die Spur der bekanntesten Österreicher in Mainz, den Nachfahren von noch berühmteren Österreichern wie dem Dichter Stefan Zweig, Komponist Mozart, Analytiker Freud, Onkel Adolf, Sänger Falco, Gouverneur Arnold Schwarzenegger und DJ Özi.

August Moderer

kommt aus der Steiermark (Graz) und ist Chef der städtischen Veranstaltungssparte „Mainzplus“. Ein weltoffener Typ, der früher auch Jahre durch die Welt getingelt ist, auf Kreuzfahrtschiffen und in der Hotellerie. Vor mehr als 20 Jahren wurde er von London nach Mainz berufen, ins City Hilton, hatte aber überhaupt keine Lust darauf und wollte möglichst schnell wieder weg. Daraus wurde jedoch nichts, denn die Stadt warb ihn damals ab und er ist bis heute geblieben. Das gleicht er durch zahlreiche Fernreisen aus, am liebsten nach Asien, wo er sich jedes Jahr einer Ayurveda- Entgiftungskur unterzieht.

Moderer lebt mittlerweile gern hier, fast wie in Graz am Fluss. Die Mainzer seien wie die Österreicher: sehr gesellig und feierten gern. „Ich fühl mich mittlerweile mehr als Mainzer als als Österreicher. Aber mit dem Herz bin ich noch Österreicher und habe auch noch die Staatsbürgerschaft.“ Er liebt die Berge und überquerte auch schon die Alpen und bald vielleicht auch den Himalaya: „Berge sind für mich wie meditieren. Das fehlt mir hier als Einziges: Schnee und Berge.“ Moderer hat die Deutschen schon immer bewundert, dieses Korrekte, die Strebsamkeit und die wirtschaftliche Power: „Bei uns die Südländer, die nehmen das nicht so genau. Ich komm wahrscheinlich gar nicht mehr klar mit der österreichischen Mentalität.“

PD Dr. med. univ. Dr. med. Katrin Lorenz

geboren 1978 in Innsbruck / Tirol leitet heute das Klinische Studienzentrum der Augenklinik der unimedizin. Sie lebte vorher bereits bei München und hat in Österreich Medizin studiert und einen Teil ihrer Facharztausbildung absolviert. Als einzige machte Lorenz zuerst einmal schlechte Erfahrungen mit Deutschland. Denn sie musste in Mainz erst noch als Ärztin im Praktikum (AiP) arbeiten, obwohl das AiP in Deutschland bereits abgeschafft war. Das bedeutete u.a. viel weniger Geld im Monat. Ärgerlich. Als sie in Österreich promovierte, wurde die Promotion nicht als akademischer Grad anerkannt, sondern nur als Berufsdoktorat. Also musste sie hier auch nochmal eine zweite Promotion machen, innerhalb von nur wenigen Monaten, um hier auch habilitieren zu können. Insgesamt ist sie heute aber mehr als zufrieden mit ihrem Job, schätzt jedoch in Tirol die Arbeitsbedingungen: keine Überstunden und gute bezahlte Nachtdienste. Als Tirolerin vermisst sie vor allem die Berge und den Wintersport. Gerade in Innsbruck ist das ja wunderschön. Viermal im Jahr ist sie noch dort. Den Dialekt hält sie jedoch bis dahin gut unter Kontrolle, dafür schätzt sie einen Kaiserschmarrn oder eine leckere Topfengolatsche (Quarktasche). Walzer tanzen kann sie übrigens nicht, habe aber laut eigener Aussage den Hochzeitswalzer überlebt. Gratulation!

Dr. Andreas Brandtner

geboren 1965 in Linz ist Direktor der Universitätsbibliothek (UB). Kulturell interessierter Kosmopolit, Karrierebzw. Weiterentwicklungsorientiert, was seine Persönlichkeit angeht. Ist vom stellv. Chefposten der Wiener Universitätsbibliothek 2010 zum Chef der Mainzer UB aufgerückt. Familie (Frau und Sohn, 11) lebt weiterhin in Wien, wo er alle 14 Tage übers Wochenende hinfährt. Mainz ist also Berufs- & Wohnort (Hartenberg), aber Wien nach wie vor so etwas wie Heimat. Brandtner ist wie die meisten Wissenschaftler kein volkstümelnder Österreicher, sondern kunst- und theaterinteressiert, schätzt daher nicht so sehr Mainz, dafür aber das Rhein-Main-Gebiet mit Zielen wie Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Mannheim und sogar Bonn (Bundeskunsthalle).

Die Wiener Kaffeehäuser vermisst er dennoch, die Wiener dagegen nicht so sehr. Die seien manchmal so furchtbar grantig. Wintersport: Ski mit 6 Jahren gelernt. Wiener Schnitzel, Palatschinken, Walzer im Gymnasium. Abschluss mit dem Tanzkränzchen als 16-Jähriger. Kein Nationalstolz, aber er weiß aus sicheren Quellen, dass es dort ausgeprägte Ressentiments gibt. Viele Österreicher hielten die Deutschen für Besserwisser, Rechthaber, Chefsein-Müsser und für zu (eckig) laut. Erwischt…

Eugen von Heider

1972 geboren in Zell am See (Salzburger Land / Europa-Sportregion) ist Koch des Restaurants Hahnenhof. Zell ist ein traumhafter Urlaubsort, wenn auch sehr touristisch. Doch Eugen ging trotzdem nach Salzburg, dann München, Frankfurt und schließlich nach Mainz. Hier zuerst in die Alte Patrone und seit 2008 in den Hahnenhof am Frauenlobplatz. (In Mainz gibt es noch den Berghof in Mainz-Marienborn als österr. Restaurant, Anm. d. Red.) Eugen wollte eigentlich mal in die Schweiz und Hongkong – international Karriere machen – es ist dann aber anders gekommen und er ist wie einige andere hier „kleben“ geblieben.

Auch wenn er sich das Wohnen in Österreich gerade nicht mehr vorstellen kann, ist er doch mit dem Herzen noch von dort. Erst recht mit seinem wundersam jährlich zunehmenden Dialekt. Der Koch is(s)t gerne in der Natur und hat selbstverständlich eine Vorliebe für gute Speisen. Das sieht man auch im Hahnenhof, bekannt für das Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn, Palatschinken, panierte und gebackene Speisen. Mittlerweile trinkt er aber lieber eine Weinschorle als das österreichische Nationalgetränk Bier. Walzer-Kenntnisse: „Ich tu lieber so als ob…“

Univ.-Prof. Dr. Falko Daim & Dr. Andrea Stockhammer

Falko Daim (* 28. Februar 1953 in Wien) ist ein österreichischer Mittelalterarchäologe. Seit 2003 ist der gebürtige Wiener Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) in Mainz, zu dem auch das Schifffahrtsmuseum gehört. Daim ist ein waschechter Wissenschaftler und interessiert sich eher wenig für österreichische Klischees, obschon er jeden Monat nach Wien reist und noch stark verbunden ist mit dieser Stadt, auch durch Forschungsprojekte. Seine Frau (Andrea Stockhammer, geb. 1971 in Wien) lebt und arbeitet ebenfalls in Mainz im Kultusministerium als Regierungsdirektorin für das Unesco-Weltkulturerbe.

Beide haben einen achtjährigen Sohn, der einen weniger ausgeprägten Dialekt sprechen soll. Sie wohnen im schönen Nahetal und werden voraussichtlich auch ihren Lebensabend fern der Heimat verbringen – auch wenn er den österreichischen Apfelstrudel sehr vermisst und sie vor allem die Wiener Kaffeehäuser. Immerhin befindet sich am Schillerplatz das Café Blum, welches beide sehr für ihren Kuchen schätzen. Mit Wintersport hat er es nicht so sehr, seine Frau ist dagegen eine begeisterte Ski-Läuferin. Im Walzertanz hat er den Goldkurs absolviert, aber auch hier sei seine Frau besser (drei Jahre Tanzschule, 6.-8. Klasse, sehr zu empfehlen. Sie habe sogar schon größere Bälle eröffnet).

Karim Onisiwo

geboren am 17. März 1992. Österreichischer Fußballspieler auf der Position eines Stürmers und Flügelspielers. Er steht beim 1. FSV Mainz 05 unter Vertrag. Aktueller Marktwert: 2 Mio. Euro. Karim wurde als Sohn eines Nigerianers und einer Wienerin in Wien geboren und hatte durch Eltern und Freunde schon immer viel Kontakt zum Fußball. Als 15-jähriger war er einer der torgefährlichsten Spieler seiner U-17-Mannschaft. Aufgrund seiner Leistungen in der Regionalliga wurde er rasch von österreichischen und europäischen Klubs umworben.

So setzte der SK Rapid Wien viel daran, ihn zu engagieren. 2015 meldeten mit RB Leipzig und dem 1. FC Nürnberg zwei deutsche Vereine ihr Interesse an. Er unterschrieb aber am 5. Januar 2016 einen bis 2019 datierten Vertrag hier in Mainz. Im letzten Jahr wurde der 25-Jährige zum ersten Mal Vater, in der Länderspielpause zudem erneut in die österreichische Nationalmannschaft berufen. Bekannt ist Onisiwo für einen schnellen Antritt und mutige Dribblings. Ein baldiger Durchbruch zu konstanten Leistungen würde ihm helfen, dem derzeit drohenden Stempel des „ewigen Talentes“ zu entkommen. Mainz 05 gilt hierfür als geeignetes Pflaster. Viel Glück!

Autor: David Gutsche

Vielen Dank an Frau Gunsam und die Gesellschaft Österreicher in Mainz 

 

1 response to “Österreicher in Mainz / Die Mainzer Ösi-Connection

  1. Ein sehr interessanter Beitrag, wenn mich auch die Formulierung „Anhängsel von Bayern“
    etwas entfremdet. Allerdings sollte man meinen, dass bei sorgfältiger Recherche auch
    erwähnt werden sollte, dass es in Mainz mehr als die „Promis“ gibt.
    Tatsächlich treffen sich jeweils am letzten Freitag im Monat die „Österreicher in mainz“
    zu einem Gedankenaustausch bzw. zu einem anspruchsvollen Programm.
    Ein Hinweis auf „UNS“ und auf unsere Homepage wäre schön gewesen.

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