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So wohnt Mainz: Landsmannschaft Merovingia Gießen zu Mainz

Text: Nicola Diehl
Fotos: Frauke Bönsch

„Wollt ihr Bier oder Kaffee?“, begrüßt uns Ingo Reinheimer (32, ehem. Design-Student) von der Landsmannschaft, als wir an einem eher tristen Mittwochmittag das Versammlungszimmer im Verbindungshaus betreten. Vier „Burschen“ und ein „Alter Herr“ sitzen an massiven Holztischen – bereit, uns Rede und Antwort zu stehen. Und über ihnen thront selig in altdeutschen Lettern „Ein Trinkgefäß, sobald es leer, macht keine rechte Freude mehr“ von Wilhelm Busch. Bier spielt also eine zentrale Rolle.
Burschenschaften – vor allem schlagende – das sind jene kameradschaftlichen Seilschaften, mit denen wir ewige Trinkgelage, nach rechts liebäugelndes Gedankengut und gefährliche Fechtduelle verbinden. Dass es auch um „Ernst in der Wissenschaft und Treue in der Freundschaft“ geht, so das Motto der Merovingia, wird häufig außer Acht gelassen. Außerdem sind gerade Landsmannschaften betont ohne politische Richtung. Von außen deutet lediglich das Wappen auf die ausgefallene Wohngemeinschaft hin. Blau, Weiß und Gold sind ihre Farben, abgeleitet vom hessischen Löwen-Emblem. Fünf derartige Gruppierungen existieren in Gonsenheim, eine weitere liegt nur ein paar Straßen weiter. Das Haus der Merovingia ist Wohnstätte für sieben der rund 15 Aktiven, wie man die studierenden Mitglieder einer Burschenschaft nennt. Einer von ihnen ist Johannes Vortisch, Student der evangelischen Theologie. Mit seinen 21 Jahren, eingekleidet in Band, Mütze und Anzug, wirkt er sehr erwachsen und beantwortet unsere Fragen mit ausgefeilter Eloquenz. Er kam gezielt zur Landsmannschaft, weil er vorher Sportfechter war, ein Familienwappen trug und „das ja dann ganz gut passte“. Außerdem sei die Miete sehr günstig. Dafür sorgen die berufstätigen „Alten Herren“, die mit ihrem Jahresbeitrag eine große Finanzspritze für die jungen Merovinger leisten.Ob man sich in dem Haus ohlfühlt, ist Geschmackssache. Der traditionelle Gedanke spiegelt sich in den Räumen: im Treppenhaus historische Bilder, die Gardinen eher muffig und von oben blitzen Säbel und die Konterfeis aller Verbindungsmitglieder auf uns hinab. In den Wohnetagen wird es schon etwas undisziplinierter. Das strikte Frauenverbot wird dort mit lebensgroßen Postern leichtbekleideter Damen kompensiert – ein Männerhaushalt eben. Und der verteilt sich auf drei Etagen samt Kellerbar mit Tresen, Billardtisch und Zapfanlage. Ganz oben liegen die Wohnräume. Der erste Stock beherbergt neben dem blauweiß-güldenen Versammlungsraum Küche und Chargenzimmer. Schwere, dunkle Holzmöbel verkleiden die Wände und alte Bücherschinken schlummern in den Regalen. Der Geruch von Elite und Macht ist deutlich spürbar. Schließlich ist das Chargenzimmer die Zentrale der Verbindungköpfe: Von insgesamt drei Chargen (Ämtern, früher auch Dienstgrad im Militär) erfüllt der Ranghöchste die Repräsentantenfunktion, während sich der zweite dem Fechttraining widmet und der Dritte den Schriftverkehr abwickelt. Sogar die Studienleistung der jungen Männer wird kontrolliert. „Wenn man das Gefühl hat, dass das Studium unter dem ein oder anderen Bier leidet, wird auch schon mal ein Alkoholverbot verhängt“, erzählt Johannes.
Und dann ist da noch der Fuxmajor, der seine Füxe, sozusagen die Verbindungs-Frischlinge, zu echten Burschen aufzieht. Am Ende müssen die eine mündliche Abschlussprüfung und die Fuxenpartie überstehen, um ihre Tauglichkeit als Mann unter Beweis zu stellen. Fuxenpartie nennt man die erste Mensur (Fechtkampf), die ein jeder Merovinger schlagen muss. „Eine Woche vor dem Kampf fängt das Kribbeln an, aber wenn es so weit ist, dann ist man einfach konzentriert und zieht sein Duell durch“, erzählt Jura-Student Thomas Franz (21). Ein Schmiss findet sich in keinem der Gesichter. Als wir jedoch in den eiskalten Fechtraum schlendern und Johannes seine Mütze vom Kopf zieht, blitzen neben seinem akkuraten Seitenscheitel dann doch zwei kleine Narben hervor. Und die sind tatsächlich vom letzten Fechtkampf, wie uns Ingo versichert.
Etwas mulmig wird einem dann schon zumute, wenn man sieht, wie der schmächtige 21-Jährige die riesige Klinge wild, aber doch koordiniert durch die Luft wirbelt. Dabei steht er stramm, eine Hand hinterm Rücken, die andere fest am Griff der Waffe. Beim offiziellen Gefecht bestimmen tatsächlich scharfe Waffen das Duell. Auch ein Kettenhemd gehört dann dazu. So sind auch stets zwei Alt-Herren-Ärzte anwesend und eilen mit Nadel und Faden zu Hilfe, wenn doch mal ein Hieb die Haut zerfetzt.

www.merovingia.org

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