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So wohnt Mainz: Back to the roots

Holzspielzeug als Hingucker

Oft sind es kleine Veränderungen, die den Alltag nachhaltig prägen. Vor dem Haus von Lisa Dennebaum in Bretzenheim prangt ein Zaun aus großen bunten Holzstiften – ein selbstgebautes Statement für Erfindergeist und Naturliebe. Dahinter: ein 70er-Jahre-Haus, das mit vielen Details von der Hingabe seiner Bewohner zur Umwelt zeugt. Lisa lebt hier mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern. Gemeinsam haben sie einen Weg gefunden, der Moderne einen Schritt voraus zu sein – ohne dabei die Wurzeln zu vergessen.

Garten-”Clubhaus” aus Sperrmüll-Sprossenwand und altem Bett

Eine Reise zurück zu den Wurzeln
„Auf dem Land aufzuwachsen prägt“, sagt Lisa lächelnd. Sie trägt passend zur Fastnacht bunte lange Ohrringe, die mit ihrem royalblauen Rock harmonieren. Ihre Eltern bauten Gemüse an, hielten Nutztiere und lebten einen Lebensstil, der ihr noch heute als Vorbild dient. Als praktizierende Hausärztin hat sie diese Werte mitgenommen und in den urbanen Alltag integriert. Im Garten des Hauses leuchten Obstbäume, ein Baumhaus in Regenbogenfarben. Daneben gibt es ein großes Gehege mit Hühnern und einen selbst gestalteten Spielplatz samt diverser Hochbeete. Alles an diesem Ort zeigt: Hier wird nicht nur gewohnt, hier wird gelebt.

Lisas Graspapier-Kalender ist nachhaltig produziert

Leben ohne Ballast
Der Schlüsselmoment für ihren Lebensstil kam im Sommer 2018. Lisa war hochschwanger mit ihrem Sohn Theo, als eine Hitzewelle Europa traf. „Es war, als würde die Natur uns ihre Grenzen aufzeigen“, erinnert sie sich. Die Hitze brachte sie dazu, intensiver über den Klimawandel nachzudenken und nach dessen Ursachen zu recherchieren. Diese Zeit wurde zum Wendepunkt: Sie begann, Gewohnheiten zu hinterfragen und Veränderungen umzusetzen. „Wir wollten unseren Beitrag leisten und unser Leben anpassen, unabhängig davon, wie andere leben.” Die Vorratskammer im Keller ist ein Paradies für Minimalisten: Nudeln, Linsen, Mehl, Öl – fast alles aus dem Unverpacktladen. Seit Jahren lebt die Familie vegetarisch, mit einem Fokus auf regionale und nachhaltige Produkte. Das Auto? Verkauft. „Wir kommen mit Fahrrädern und Carsharing aus“, erklärt Lisa. Die Kinder, sagt sie, lieben Zugfahrten ohnehin mehr als lange Autofahrten. Zero Waste ist bei Dennebaums keine Theorie, sondern Alltag. Putzmittel stellt Lisa selbst her, Geschenke wählt sie mit Bedacht aus, und die Windeln für ihre Kinder waren Stoffwindeln – zumindest ab dem Moment, als sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. „Das war eine der besten Entscheidungen.“

Lisa kauft überwiegend unverpackt ein

Gemeinschaft neu denken
Lisas Engagement für Nachhaltigkeit endet nicht an der Gartentür. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie in ihrer Kirchengemeinde eine Umweltgruppe mitgegründet: „Es geht darum, die Bewahrung der Schöpfung aktiv zu leben.“ Das zeigt sich in Kleidertauschpartys, plastikfreien Vorträgen und Aktionen wie dem Sammeln von Müll in der Nachbarschaft. Ihre Kinder sind mit Begeisterung dabei. Theo, der Jüngste, meldete sich vor kurzem freiwillig, um die Überreste des Silvestermülls von den Straßen zu sammeln. „Es gibt Hoffnung, wenn die nächste Generation solche Werte lebt.“

Bei den Dennebaums lesen alle gern

Ein Haus voller Geschichten
Das Haus selbst ist eine Ode an den Wandel. Die 41-Jährige und ihr Mann kauften es vor zwölf Jahren und sanierten es Schritt für Schritt: neue Fenster, eine moderne Heizung, nachhaltige Materialien. „Es musste viel gemacht werden, aber jetzt ist es unser Zuhause“, erklärt sie. Im Wohnzimmer sitzt die Familie oft zusammen vor dem alten Kaminofen, ein Lieblingsplatz aller. Secondhand- Möbel verleihen dem Interieur Charme. Besonders stolz ist Lisa auf einen Hocker aus dem Weltladen und den großen Sessel, den sie vor dem Sperrmüll rettete. „Alles hat hier eine Geschichte“, sagt sie. Sogar die Kleider schränke der Kinder erzählen von Nachhaltigkeit: Fast alles stammt aus Secondhand-Läden oder wurde von Freunden weitergegeben.

Platz für das gerettete Klavier im Keller

Herausforderungen und Visionen
Doch nicht alles ist einfach. „Manchmal frustriert es, wie wenig sich in der Politik bewegt“. Plastikdeckel an Flaschen statt großer Veränderungen? „Da möchte man manchmal verzweifeln.“ Trotzdem bleibt sie optimistisch. Ihre größten Erfolgserlebnisse sind die Momente, in denen sie sieht, wie andere inspiriert werden. „Wenn jemand nach einer Kleidertauschparty mit einem neuen Lieblingsstück nach Hause geht oder nach einem Vortrag übt, plastikfrei einzukaufen, dann hat sich der Aufwand gelohnt“. Lisa Dennebaum und ihre Familie zeigen, dass nachhaltiges Leben kein Verzicht, sondern ein Gewinn ist. Ihr Haus, ihr Garten, ihre Gewohnheiten – alles scheint zu sagen: Jeder Schritt zählt.

Text: Alia Hübsch
Fotos: Stephan Dinges

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