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Mehr als zwei sind viele – Zu Besuch bei einer kinderreichen Familie

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Von Ulla Grall  Fotos Frauke Bönsch

Beim „Verband kinderreicher Familien in Deutschland e.V.“ gilt als kinderreich, wer mindestens drei Kinder hat. Der Verein ist eine Selbsthilfeorganisation, in der sich große Familien gegenseitig unterstützen. Allgemein werden Familien mit vier und mehr Kindern als kinderreich angesehen, doch die sind selten geworden. Familie Dix gehört zu den 0,025 Prozent der Familien in Deutschland, die sieben Kinder haben. Nach gängigem Maßstab also „sehr viele“.

Gelassenheit und Umgangsformen

„Überall, wo die Türen offen sind, kann fotografiert werden“, lädt uns Mutter Ilka Dix (43) ein. Das wiederum hat zur Folge, dass einige der Dix´schen Juniors mit einem Aufschrei aus dem Wohnzimmer stürzen, um ein paar weniger repräsentable Ecken auf Vordermann zu bringen. Die Eltern lachen. Vater Thomas (45) erklärt: „Gerade wurde der Flur gestrichen, darum ist sowieso noch nicht alles wieder so ganz an Ort und Stelle.“ Die beiden sehen das gelassen. Gelassenheit ist überhaupt ein Merkmal der ganzen Familie, wie auch der beeindruckend höfliche und rücksichtsvolle Umgangston der Kinder untereinander. „Wohlerzogen“ könnte man sagen; und das hat nichts mit „zur Artigkeit dressiert“ zu tun.

Theresia (16) und Klara (14) sind hübsche Teenager und vertragen sich wunderbar. Elisabeth, das Küken der Familie, ist 6 Jahre alt und kommt nun in die Schule. Stolz führt sie die selbstgebastelte Schultüte vor. „Nach 15 Jahren haben wir Abschied vom Kindergarten genommen“, sagt Ilka Dix. Niklas, mit 20 Jahren der Älteste, überragt seine Mutter um mehr als Haupteslänge. „Er hat gerade einen Mietvertrag abgeschlossen für seine erste eigene Wohnung“, erzählt der stolze Vater. Sebastian, der Zweitälteste, ist 18 und wohnt bereits seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause, er macht in Karlsruhe eine Ausbildung.

„Es ist schön, an den Wochenenden nach Hause zu kommen“, meint er. „Da ist immer was los. Es ist schon ein Unterschied, wenn man plötzlich alleine wohnt.“ In sein Zimmer unterm Dach ist die 12-jährige Johanna eingezogen, aber wenn der große Bruder kommt, zieht sie zu ihren Schwestern und überlässt ihm wieder sein Bett. Sicher gibt es unter den Geschwistern auch mal Streit. „Naturgemäß müssen die Kinder auf manches verzichten“, sagt Thomas Dix. Das aber ist auch ein Zeichen von Geschwisterliebe. Und da ertönt die Klingel vom Eismann und der neunjährige Clemens bietet spontan seiner Schwester Elisabeth an, von seinem Geld ein Eis zu spendieren.

Familienkalender mit neun Spalten

Seit letztem Jahr arbeitet Ilka Dix in Teilzeit – „nach 17 Jahren Erziehungsurlaub am Stück“, wie ihr Mann anmerkt. In der mobilen Krankenpflege fühlt sich die ausgebildete Krankenschwester in ihrem Element. „Aber der Job ist nichts zur Selbstverwirklichung, sondern für die Familie.“ Etwas finanzielle Aufbesserung für die Haushaltskasse, denn mit dem Vater als Alleinverdiener sind finanzielle Eskapaden nicht drin. „Die günstigeren Baulandpreise waren auch mit ein Grund, aufs Land zu ziehen“, sagt er, und seine Frau meint: „Aber auch die Natur und die Möglichkeit für die Kinder, viel draußen zu sein.“ Dafür nimmt Thomas Dix den täglichen Weg zum Arbeitsplatz in Mainz in Kauf.

Am Abend ist dann für die Eheleute nicht viel Zeit für lange Gespräche. „Wenn ich rechtzeitig daheim bin, bringe ich die beiden Jüngsten ins Bett“, sagt er. „Weil ich mehr Zeit für die Familie haben will, ruht auch mein Blog übers vegane Grillen.“ Seit einiger Zeit ernährt sich die Familie nicht nur fleischfrei, sondern möglichst ohne Tierprodukte.

An der Wand hängt der Familienkalender, in den alle Termine eingetragen werden. „Den mache ich selbst“, so der Papa, „weil es keinen zu kaufen gibt, der genügend Spalten hat.“ Der Terminplaner ist auch fotografische Chronik und zeigt Eltern und Kinder bei ihren Aktivitäten. „Es ist uns wichtig, dass jedes Kind Sport treibt und ein Instrument spielt“, sagt Thomas. „Das sind zwei Säulen unserer Erziehung.“ Das Ehepaar liebt die Natur und wandert gerne. „Und wenn wir erst mal unterwegs sind, finden das auch die Kids toll“, lacht Ilka.

Vergangenes Jahr ging sie auf dem Jakobsweg von Porto nach Santiago – alleine, ohne die Familie. „In dieser Zeit habe ich es genossen, mit den Kindern den normalen Tagesablauf zu erleben“, erinnert sich Thomas. Dieses Jahr war er es, der auf dem Küstenweg nach Santiago de Compostela eine Auszeit von der Familie nahm. Die Marschroute hängt noch an der Tür, seine Erfahrung beschreibt er in einem Blog. „In zwei Jahren wollen wir gemeinsam den Rest des Weges laufen“, und sie ergänzt: „Gerne auch einen Teil mit den Kindern.“

Religiosität ist ein weiterer Ankerpunkt der Familie. „Es ist der Glaube, der uns trägt“, sagt Thomas Dix. „Und unsere Freunde, die uns immer helfen.“ Das Paar kann viele Beispiele aufzählen, wo bei den größeren und kleineren Alltags-Katastrophen die Freunde hilfreich eingesprungen sind. „Und über allem steht die Liebe“, strahlt Ilka. Das klingt nicht theatralisch, sondern ganz selbstverständlich. Sie meint, was sie sagt. Die Pilgermuschel tragen beide als kleinen Anhänger um den Hals.

Gemeinsam in die Ferien

„Eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn alle Kinder aus dem Haus und mein Mann und ich alleine sein werden“, sagt Ilka Dix zögernd; ihr Mann lächelt jedoch versonnen: „Doch, ich schon…“, und Ilka wieder: „Vielleicht geht ja die Zeit mit den Kindern nahtlos über in die Zeit mit Enkeln.“ Nun sind aber noch Ferien angesagt „Vielleicht ist das der letzte Urlaub, den wir alle gemeinsam machen“, bedauert Ilka. Die Familie freut sich auf das Ferienhaus in Latium, unweit von Rom. „Dorthin ging unsere Hochzeitsreise und es war unser Traum, einmal mit allen Kindern da zu sein.“ Die Reise ist ein Geschenk der Großeltern. Zu Weihnachten hatten Ilkas Eltern den selbst gestalteten Reisegutschein als Puzzle überreicht: „Jeder packte sein Puzzleteil aus. Und es war wie immer aufregend, alle Teile zusammenzusetzen.“