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sensor-Kolumne im November: Dr. Treznok wäre gern mal lustig

DrTreznok
Ich möchte so gern etwas Heiteres schreiben, vielleicht darüber, was unser Stubentiger Miau so alles treibt, oder über fröhliche Menschen, die lachen und tanzen. Die Welt ist so verrückt, dass ich eigentlich nicht mehr über Krisen, Kriege, Freihandelsabkommen oder Terrorgefahren reden will. Und selbst wenn ich die Presse nicht Lügenpresse nenne, so traue ich ihr doch nicht, schließlich schreibe ich selbst für die Presse, und mir selbst traue ich auch nicht.

Da ich nicht weiß, ob ich überhaupt ausreichend und richtig informiert bin, lasse ich nun die drängenden Themen sein und widme mich der Leichtigkeit des Seins. Das kann ich mir auch leisten. Ich gehöre zwar in Deutschland zu den ökonomisch Armen, aber global betrachtet bin ich steinreich. In Deutschland zu verhungern ist praktisch unmöglich, und sogar als Hartz-4-Empfänger besitze ich ein Smartphone mit Flatrate und Selfie- Funktion bei der Kamera.

Warum also soll ich nicht musizieren und singen und ein sorgenfreies Leben voller Liebe, Wohlstand und Glück propagieren? Irgendwie krieg ich es aber nicht hin mit der Heiterkeit und der Leichtigkeit des Seins. Immer wieder kommt mir die eine oder andere Krise in den Sinn, die ich alle nicht wirklich verstanden habe. Warum nochmal haben wir den Banken 600 Milliarden Euro geschenkt? Schon bin ich wieder draußen aus dem Flow der sinnlosen Fröhlichkeit. Oder ich denke plötzlich an den Syrien-Krieg und frage mich, wer wohl recht hat: diejenigen, die behaupten, Assad bekämpfe den IS, oder diejenigen, die behaupten, Assad kooperiere mit dem IS.

Ich glaube, ich bin inzwischen nachhaltig traumatisiert von diesen ganzen Krisen und Kriegen, über die ich widersprüchliche Meldungen bekomme, selbst aber nichts davon wirklich nachprüfen kann. Ich kann ja schlecht nach Syrien reisen und Assad befragen. Selbst wenn, wüsste ich nicht, ob er mir die Wahrheit sagt. Und allein aus sprachlichen Gründen würden wir uns vielleicht missverstehen. Es wäre dumm von mir, eine Kolumne über Assad zu schreiben, ich sollte lieber ein heiteres und unverfängliches Thema wählen, bei dem ich nichts falsch machen kann und mir die Leserherzen zufliegen.

Wenn ich über unseren Stubentiger Miau schreibe, mache ich sicher nichts falsch. Es gibt zwar Menschen, die keine Katzen mögen, aber das sind wenige, und Katzenhasser gibt es so gut wie keine. Viele Menschen sind von Katzen fasziniert und lieben diese Tiere. Aber schon schweben düstere Gedanken daher: Miau ist ein Opfer der Haustierindustrie, wir haben ihn aus dem Tierheim gerettet und können es uns leisten, weil wir in Deutschland leben, wo selbst Katzen nicht verhungern müssen. Die meisten Menschen auf der Erde sind nicht so privilegiert. Haustiere wie Miau sind dort unbezahlbarer Luxus oder werden gegessen.

Ich will natürlich nicht, dass Miau gegessen wird. So ist die Heiterkeit schon wieder dahin. Was ist, wenn bald die allergrößte Krise ausbricht, vor der uns das Bundeskanzleramt schon gewarnt hat, mit dem Aufruf, Vorräte anzulegen? Was machen wir, wenn die Vorräte an Putenfleisch und Katzenfutter zur Neige gehen, wenn auch meine persönlichen Salami- Vorräte aufgebraucht sind und wenn dann noch Angela Merkel vorbeikommt und uns Miau wegnimmt, weil wir stattdessen fünf flüchtige Afrikaner beherbergen sollen? Oder, noch schlimmer, eine vegane Diktatur kommt an die Macht und verbietet Katzenfutter, Putenfleisch und Salami?

Es fällt mir wirklich schwer, fröhliche und unbeschwerte Propaganda zu verbreiten, zumal nun auch noch November ist, ein dunkler und melancholischer Monat, der nach Friedhof riecht. Frei und leicht ist vielleicht ein Sommerwind, aber der Sommer ist vorbei. Ich rechne eher mit nasser Kälte, was dafür spricht, viel auf dem Sofa rumzulümmeln, am besten mit einem schnurrenden Miau neben mir. Vielleicht lassen mich ja Assad, Merkel und das Freihandelsabkommen irgendwann in Ruhe. Einfach nur mal grundlos gute Laune haben und Miau streicheln, das wärs doch.