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Mai Kolumne: Dr. Treznok hat Luxusprobleme


Am Ostersamstag war ich auf dem Weg zu einer Verabredung, als mir ein ungewöhnlicher Demonstrationszug am Höfchen entgegenkam. Viele mir unbekannte Menschen zerrten Hunde durch die Stadt und trugen Transparente mit der Aufschrift „Zeig Rassismus die rote Karte“. Meine Verabredung hatte erst kürzlich Besuch aus Nigeria, ein Besuch, der fast ein Jahr lang vorbereitet werden musste, weil ständig die Unterstellung kam, dass alle Nigerianer illegal in Deutschland bleiben wollen. Meine Freundin musste ihre Finanzen offen legen und für ihren Besuch bürgen, unendlich viele Papiere und Bescheinigungen mussten besorgt werden, die bürokratischen Schikanen schienen kein Ende zu nehmen. An diesen Rassismus musste ich denken, als mir die Hundemeute entgegenkam, und ich freute mich, dass nun auch Hundehalter sich dagegen zur Wehr setzen.

Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass die Hunde-Demonstration keineswegs Bezug nahm auf diesen Rassismus. Vielmehr ging es darum, dass so genannte „Kampfhunde“ nicht als gefährliche Hunderassen eingestuft werden sollten. Der vermeintliche Anti-Rassismus richtete sich also gegen die Einteilung der Hunderassen. Mit dem real existierenden Rassismus hatte das nichts zu tun. Pikanterweise waren alle Demonstranten hellhäutig und alle Hunde trugen Maulkörbe. Dass Anti-Rassismus bedeuten sollte, hellhäutig zu sein und den zu Verteidigenden Maulkörbe anzulegen, war zu viel für meinen Verstand. Schnell flüchtete ich mich zu der Freundin und berichtete ihr entsetzt über das neue Verständnis von Rassismus und Anti-Rassismus. Auch sie war fassungslos, hatte sie doch erst vor einigen Wochen hautnah erlebt, was Rassismus wirklich bedeutet. Wir fragten uns, ob die Unterscheidung von Rotkraut und Weißkraut vielleicht auch Rassismus sei, oder ob als nächstes eine Demonstration durch Mainz läuft, die sich für die Gleichstellung von roten und weißen Zwiebeln einsetzt.

Das ja noch zumindest unfreiwillig komisch. Wenn dagegen eine große Tierrechtsinitiative Juden mit Schweinen vergleicht, indem sie den industriellen Massenmord der Nazis mit der industriellen Massentierhaltung gleichsetzt, dann hört der Spaß auf. Zumindest die Juden fanden diese vor einigen Jahren gelaufene Werbekampagne – zu Recht – unsittlich und menschenverachtend und erstatteten Anzeige wegen Antisemitismus und Volksverhetzung.

Nun möchte ich niemandem sein Haustier madig machen, und die Erhöhung der Hundesteuer ist ein berechtigtes Ärgernis. Ich selbst lebe seit einigen Jahren mit einem Stubentiger namens „Miau“, der sehr viel schnurrt. Ich glaube nicht, dass es sich um einen Rassekater handelt, und es ist mir auch egal. Vielleicht ist es ja auch ein Ausdruck von Rassismus, dass ich mir überhaupt ein Haustier in der Stadt halten kann. Rosemary aus Nigeria war erst einmal ziemlich erstaunt, in vielen Wohnungen Katzen oder Hunde vorzufinden. Haustierhaltung ist dort weitgehend unbekannt, es sei denn, die Tiere sind zur Ernährung wichtig. Ansonsten kann man sich dort Kuschelkatzen oder Rassehunde nicht leisten, da man ja vom globalen Rassismus betroffen ist und die Zinsen für die Weltbank-Kredite abbezahlen muss. Es wäre interessant zu erfahren, was Rosemary vom anti-rassistischen Engagement der Hundehalter hält.

Zum Schluss sei erwähnt, dass man im Bundestag seit einiger Zeit darüber debattiert, Zirkuselefanten in Deutschland zu verbieten, weil die armen Tiere vielleicht psychisch krank werden könnten. Im vergangenen Jahr haben 70.000 Menschen in Deutschland Frührente beantragt, weil sie aufgrund zunehmenden Leistungsdrucks oder Mobbings tatsächlich psychisch krank geworden sind – Tendenz steigend. Darüber spricht man im Bundestag nicht. Die eventuell bedrohte Gesundheit von vielleicht 50 Elefanten ist dann eben doch wichtiger als die tatsächlich ruinierte Gesundheit von 70.000 Menschen. Ob das auch was mit Rassismus zu tun hat?