Zum 3. Oktober wird es eine zweitägige Deutschlandparty in Mainz geben. Nach wie vor suchen Stadt und Land ehrenamtliche Helfer, um dieses bundesweit bedeutende Event zu betreuen. Die Mainzer müssen sich ordentlich ins Zeug legen, immerhin hat sich Angela Merkel angekündigt, deren Wiederwahl zur Bundesmutti schon jetzt feststeht. Wer am zweitägigen Mainzer Einheitsbrei mitkochen möchte, kann sich bei der Stadt um einen Null-Euro-Job bewerben. Dass ich, Dr. Treznok, einer der bedeutendsten aktuell lebenden Lyriker, dieses Jahr mein 25-jähriges Mainz-Jubiläum feiere, ist dabei ganz untergegangen.
Ich arbeite seit 25 Jahren ehrenamtlich für diese Stadt, die ich kulturell und ästhetisch bereichere, und das ganz uneigennützig. Ich lebe bescheiden von Hartz IV, weil ich weiß, dass die Stadt verschuldet ist, und ich bin bereit, durch meinen Verzicht auf ein angemessenes Gehalt diesen Schuldenberg abzutragen.
Natürlich wird auch das Event zur doppeldeutschen Keinheit (denn noch niemals vorher waren deutsche Grenzen so umrissen wie seit der Wiedervereinigung, Anm.d.R.) Geld in die leeren Kassen spülen. Angela Merkel wird, wie ihr kürzlich verstorbener Ziehvater aus Oggersheim, Saumagen im Weinhaus Wilhelmi bestellen, und die antideutschen Demonstranten werden den Umsatz in den Dönerbuden im Bleichenviertel in astronomische Höhen treiben. Man rechnet mit 500.000 Besuchern. Das sind fast so viele wie zum Rosenmontagszug. Daran kann man sehen, dass der diesjährige Doppeltag der Deutschen Keinheit fast so bedeutend ist wie die Fassenacht.
Umso mehr wundert es mich, dass für mich selbst immer noch keine Feier ausgerichtet wurde. Ich flüchtete im Mai 1992 nach Mainz und habe mich seitdem mit Herz und Hirn für diese Stadt engagiert. Von der Stadtverwaltung habe ich nie eine angemessene Entlohnung erhalten und auch nicht verlangt. Denn für diese beste aller deutschen Landeshauptstädte, die mich vor 25 Jahren so liebevoll aufgenommen hat, binde ich gerne täglich unentgeltlich meinen Schlips, um völlig selbstlos das Stadtbild zu verschönern.
Was hat dagegen Angela Merkel für Mainz getan? Warum wird der Tag der doppeldeutschen Keinheit, der 2017 noch nicht mal ein Jubiläumsjahr erlebt, von Stadt und Land und der ganzen Republik ausgerechnet in Mainz gefeiert, und das sogar zwei Tage lang, während mein 25jähriges Jubiläum off enbar völlig ausgeblendet wurde? Mein ununterbrochener ehrenamtlicher Einsatz für diese Stadt ist den Damen und Herren im Rathaus noch nicht mal ein bescheidenes Fest wert, mit alkoholfreien Cocktails und Fleischwurst. Und vielleicht könnte mir unser Oberbürgermeister Michael Ebling als Anerkennung meiner unermüdlichen Bemühungen, unsere Stadt noch schöner, noch lebens- und liebenswerter zu machen, einen (kleinen) Blumenstrauß überreichen.
Ich gebe zu, Helmut Kohl hat die Politik in Mainz entscheidender geprägt als ich und es vom Archetyp pfälzischer Lebenskultur zum Kanzler der Einheit geschaff t. Eine steile Karriere, bei der ich nicht mithalten kann. So gesehen ist der Tag der doppeldeutschen Keinheit auch für die Hauptstadt von Rheinland-Pfalz interessant. Nun ist Mainz aber nicht die Pfalz, Helmut Kohl ruht in Frieden, und warum die Übernahme der DDR durch den imperialistischen Westen ausgerechnet in diesem Jahr wichtiger sein soll als mein Jubiläum als Kultur-Bereicherer ist mir schleierhaft. Ich erwarte ja noch nicht einmal ein zweitägiges Event. Ein kleines Dankeschön wäre schon angemessen. Ich werde mich auf jeden Fall nicht um einen Null-Euro-Job als Hilfsarbeiter bewerben, nur weil irgendwann mal in Berlin eine blöde Mauer abgerissen wurde. Aber wer weiß, vielleicht passiert ja doch noch irgendetwas und mein unermüdlicher Einsatz für Mainz wird doch noch wahrgenommen. Vielleicht lädt mich ja sogar Angela Merkel ins Weinhaus Wilhelmi zum Saumagen ein. Verdient hätte ich es.