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Rockkeller „Alexander The Great“ schließt: Nur noch Einzel-Veranstaltungen

Schon länger gärt es in der Hinteren Bleiche, nun zieht Michael Vogt vom Rockkeller „Alexander The Great“ zum Januar die Reißleine. Wie er auf einem Statement bei Facebook mitteilt, habe dies unterschiedliche Ursachen.

Zum einen hat sich nach Corona sehr viel verändert. Die Gäste blieben danach aus, für das Partyvolk von heute seien ältere Rock-Clubs nicht mehr angesagt.

Auch wirtschaftliche und bauliche Gründe spielten eine Rolle. Das Gebäude, soll eines Tages abgerissen werden, und ein Umzug komme nicht infrage. Der Investor fischer+co sollte dort ein neues Kino bauen, doch nun hat die Stadt selbst dafür kein Geld mehr. Auch wenn sich der Club zum Teil im Keller befindet, ist die Zukunft des Gebäudes aktuell mehr als fraglich.

Zudem müssten Investitionen getätigt werden, für die kein Geld da ist.

Heißt: die Pacht läuft noch weiter. Mit einzelnen Events und Konzerten, Vermietung, wird es noch etwas Programm geben, aber wesentlich weniger als bisher. Die Terminplanung bis 31.12. bleibt davon unberührt.

Clubs in der Bredouille?

Auch im Rockkeller „Caveau“ ist man gewarnt. Auch hier finden sich ähnliche Bedenken. Vor kurzem kam es beinahe zur Schließung, die nochmal abgewendet werden konnte. So reden manche von einem Clubsterben, jedoch hat Mainz immer noch sehr viele Clubs, Bars und Locations, sowie Feste und Veranstalter. Nur um mal einige zu nennen: schonschön, Dorett, Postlager, KUZ, Finns, roxy, comodo, bellini, red cat, schick, imperial, roof 175, buerro am postlager, Kucaf … eingebettet zudem in Wiesbaden und Frankfurt, mit einem sehr großen Kulturzentrum Kommissbäckerei an der Rheinallee in Planung und vielen weiteren Locations, Veranstaltern und Festen.

Von einem Clubsterben kann also nicht wirklich die Rede sein, doch schon von einem veränderten Ausgeh-Verhalten. Diego Sepulveda, der Besitzer des Roxy dazu: „Wir sehen eine sehr positive Entwicklung. Aber natürlich können wir nicht sagen, wie die Lage bei den anderen Clubbesitzern aussieht“.

Dauerthema Bürokratie

Auch andere Besitzer sehen die Einschätzung des Clubsterbens ein wenig differenzierter. Fabian Heubel vom Alten Postlager: „Der Begriff ist geläufig, manchmal empfindet man das selber auch so. Aber ob das objektiv zutrifft, ich weiß es nicht.“ Bei einem aber ist er sich sicher: die Antwort auf die Frage, wer an dieser Entwicklung Schuld trägt, sei nicht so einfach, wie man denke. „Als erster Schuldiger wird meistens die Politik gesehen, das entspricht natürlich nicht der ganzen Wahrheit. Es gibt klare Vorgaben durch Bau- und Ordnungsamt, die müssen sich als öffentliche Behörden nun mal sehr strikt an das Gesetz halten“, räumt Heubel ein. Hier habe es in den letzten Jahren keine Verschärfung der Regeln gegeben, die bestehenden Vorgaben seien lediglich strenger kontrolliert worden.

Laut Steven Riedl, dem Besitzer des Techno-Clubs Roof 175, sei die aktuelle Situation aber ohnehin schon unübersichtlich: „Was wir feststellen, ist, dass uns von allen Seiten Steine in den Weg gelegt werden. Die Vielzahl an jetzt schon geltenden bürokratischen Vorschriften macht es uns schwer“. Sicher, für einen Techno-Club ist die Situation wegen den abweichenden Öffnungszeiten noch kritischer. Und natürlich sollte man nicht die regeltreuen Menschen verurteilen, sondern die Regeln, an die sie sich halten müssen. Erstens sagt das aber noch nichts über die Sinnhaftigkeit der Regeln an sich aus. Und zweitens muss man kein Clubbesitzer sein, um die Erfahrung zu machen, dass sich Deutschland an vielen Ecken und Enden in den Wahnsinn regelt.

Das Ausgehverhalten der Jugendlichen hat sich verändert

Doch die Bürokratie ist von den vielen Gründen für den Rückgang von Nachtclubs eher ein Nebenschauplatz. Heubel sieht eher einen gesellschaftlichen Wandel als Ursache, lässt seine bisherige Zeit in Mainz Revue passieren: „Ich lebe seit 18 Jahren hier, und in dieser Zeit hat sich am Ausgehverhalten junger Menschen vieles geändert. Damals waren die Clubs auch am Mittwoch und Donnerstag voll, zwischen Freitag und Samstag sah man keinen Unterschied.“ Heute seien unter der Woche nur ein, zwei Clubs gut gefüllt, die Besucherzahlen an Freitagen sind im Vergleich vor der Corona-Pandemie rückläufig. Die Samstage seien zwar weitestgehend stabil. Doch auch hier gebe es hin und wieder schlechte Tage, viele Betreiber würden dann über fast leere Innenstädte klagen.

Andere Verhaltensweisen hätten sich ebenfalls geändert. Dating zum Beispiel findet immer häufiger in der digitalen Welt statt, Apps dafür gibt es wie Sand am Meer. Wer heute jemanden kennenlernen möchte, den zieht es nicht unbedingt in einen Nachtclub. Auch der Alkoholkonsum würde bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stetig weniger, merkt Heubel an. Sepulveda gibt ihm Recht: „Gerade alkoholfreie Getränke erfreuen sich insbesondere bei den jüngeren Generationen zunehmender Beliebtheit.“ Gerade hier käme es darauf an, durch alternative Angebote dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Wer sein Konzept nicht anpasst, bleibt auf der Strecke

Ein anderer Punkt ist die veränderte Musiklandschaft. Vor 15, 20 Jahren war zum Beispiel Rock sehr beliebt. Caveau, KUZ, Alexander the Great bedienten fast nur dieses Genre, im Red Cat und Schon Schön lief an speziellen Abenden nur Rockmusik. „Heute wäre das undenkbar, weil Rock nicht mehr so richtig in Mode ist“, sagt Heubel. Er wisse, wovon er spreche, schließlich veranstalte er selbst zwei bis drei mal im Jahr Rock-Events. Mit viel Marketing und noch mehr Glück kommen etwa 250 Leute – angesichts der sonstigen Gästeanzahl bei der gewohnten Musik fast schon traurig.

Deswegen müssen eben die Clubs schließen, die es nicht schaffen, die Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppe zu erkennen und das Programm an die aktuellen Trends anzupassen. „Wer es nicht hinbekommt, die nachrückenden Jahrgänge anzusprechen, der bleibt auf der Strecke.“ Dabei spielt auch die Einwohnerzahl eine Rolle. Mainz ist mit seinen knapp 220.000 Einwohnern zwar mit Abstand die größte Stadt in Rheinland-Pfalz, landet aber im bundesweiten Vergleich nicht mal unter den Top 30. Die Logik dahinter liegt auf der Hand: Je kleiner eine Stadt, desto schwieriger gestaltet sich die Suche nach genug Publikum für die Nische, die man trotz wechselnden Trends und Geschmäckern besetzt halten möchte.

Die Vergnügungssteuer bleibt die größte Sorge

Die Gründe sind damit so vielfältig wie die Wahrnehmung des Problems. Während der Eine das Clubsterben für real hält und sich betroffen wähnt, findet ein Anderer diese Ansicht insgesamt für übertrieben. Wiederum andere fühlen sich selbst nicht betroffen, ohne etwas über die Gesamtsituation sagen zu wollen oder können. Oder sie versuchen sich an einer vermittelnden Position, welche die Gründe für das Problem mit sachlichen Vorschlägen kombinieren, wie man es lösen könnte.

So unterschiedlich diese Perspektiven ausfallen, in einer Sache sind sich alle einig: „Unsere größte Befürchtung ist, dass die Vergnügungssteuer 2025 wieder eingeführt wird. Deutschland hat sowieso schon eine extrem hohe Steuerlast, und eine zusätzliche Vergnügungssteuer auf Eintrittsgelder in Höhe von 20% wie hier in Mainz würde uns vor große Probleme stellen“, hält Riedl fest. Und nicht nur ihn, denn gerade Technoclubs sind häufig auf Zusammenarbeit mit externen Veranstaltern angewiesen. Wenn diese jetzt noch neben Gagen für DJs, Reisekosten und Booking-Gebühren eine solch hohe Vergnügungssteuer zahlen sollen, müssten sie wahrscheinlich in andere Städte mit besseren Bedingungen gehen.

Kai Walldorf, Gründer der Mainzer Techno-Veranstaltungsreihe Helix Events, ist einer dieser Veranstalter. Er bestätigt Riedls Befürchtungen: „ Wegen den zusätzlichen Belastungen würde uns eigentlich nichts anderes übrig bleiben, als uns auf andere Städte im Rhein-Main-Gebiet zu beschränken.“ Laut ihm sei die Clubszene in Mainz für private Investoren unattraktiv. Die Stadt hätte kaum Immobilien zu bieten, die sich für Clubs eignen und den Bebauungsplänen entsprechen. Außerdem gebe es in Mainz nur wenig geeignete Orte für Outdoor-Veranstaltungen, auch die besonderen Event-Locations würden immer weniger werden.

Hinzu kommen die Getränke- und Energiepreise, die wegen der Inflation der letzten Jahre deutlich gestiegen sind. Auch die Gagen für DJs sind in den letzten Jahren um ein Vielfaches höher geworden, was gerade in der Technoszene zu Problemen führt: „Eigentlich müssten wir viel höhere Eintrittspreise verlangen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Ein solcher Preis ist für viele Gäste aber nicht tragbar, deswegen halten wir uns zurück“, erklärt Walldorf. Rücklagen seien bei den meisten externen Veranstaltern und Clubbesitzern nicht vorhanden, entsprechend ist die finanzielle Situation vieler Kulturbetriebe schon jetzt alles andere als rosig.

Die umstrittene Steuer war gegen Ende der Corona-Pandemie ausgesetzt worden, um die finanziell angeschlagenen Betreiber finanziell zu unterstützen und so dass Mainzer Kulturleben wieder in Schwung zu bringen. Umstritten deswegen, weil sie eigentlich nur für Bordelle und Casinos gedacht war. Der Bundestag hatte bereits 2021 einen Antrag beschlossen, dass Clubs mit nachweisbar kulturellem Bezug als Anlagen für kulturelle Zwecke und nicht als Vergnügungsstätten definiert werden sollen. „Ähnlich wie beim Thema Tanzverbot befinden wir uns hier gefühlt in den 50er Jahren. Hier wird Kultur mit Prostitution und Glückspiel gleichgesetzt“, kritisiert Heuber.

Immer mehr Kommunen schaffen Vergnügungssteuer ab

Bei einem Gespräch Riedls mit OB Haase während einer Bürgersprechstunde zeigt dieser sich offen für die Argumente der Clubbesitzer. Laut ihm ist nicht nur die Gleichsetzung von Nachtclubs mit Vergnügungsstätten im eigentlichen Sinne schwer nachvollziehbar. Fraglich ist auch, wie man angesichts des hohen bürokratischen Aufwands die vergleichsweise geringen Einnahmen rechtfertigt. Haase spreche sich deswegen für eine vollständige Abschaffung der Steuer aus. Gleichzeitig betont aber er auch, er alleine könne das nicht entscheiden, dafür sei letztendlich der Stadrat zuständig.

Jedenfalls trifft Haase mit seiner Haltung den Zeitgeist: Auf kommunaler Ebene haben sich in den letzten Jahren Großstädte wie Dortmund, Bochum, Düsseldorf, Essen zu einer Reduzierung oder Abschaffung der Steuer entschieden. Mit den steuerlichen Erleichterungen will man so die Nachwirkung der Pandemie bekämpfen. In all diesen Fällen war das Signal an die Clubbetreiber deutlich: Ihr seid nicht einfach nur zur Vergnügung da, sondern ein unverzichtbarer Teil der Kulturbranche. Die Mainzer Politik wäre also gut beraten, wenn sie lieber diese Steuer sterben lässt als ihre vielfältige Clublandschaft. Nach Steuer-Erleichterungen sieht es aktuell in der Stadt aber auch nicht aus.

David Gutsche & Felix Werner

 

 

 

 

 

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