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ÖDP bezweifelt die Zukunftsfähigkeit des Ludwigsstraßen-Konzepts

Der Fahrplan für die Ludwigsstraße ist abgesteckt (wir berichteten). Wirkliche Einwände gibt es bisher kaum, alle scheinen sich einig zu sein. Nur die ÖDP wagt einen kritischen Vorstoß: „Der Siegerentwurf steht fest. Da das längst festgezurrte Konzept des Investors den Wettbewerbsteilnehmern kaum Spielraum für städtebauliche Ideen und stadträumliche Verbesserungen vorsah, haben uns die Ergebnisse nicht sonderlich überrascht“, kritisiert Ingrid Pannhorst, Baupolitische Sprecherin der ÖDP. „Präsentiert wurde den Mainzerinnen und Mainzern eine banale Eventarchitektur ganz im Stil marktschreierischer Mall-Fassaden ohne jeden lokalen Bezug. Die Lieblosigkeit gipfelt in der blamablen Gestaltung der Ludwigsstraße Nr. 1, der westlichen Flanke zum Gutenbergplatz. Alles in allem haben wir jetzt die Briefmarkenlösung, vor der uns unsere Baudezernentin bewahren wollte.“
Die ÖDP-Stadtratsfraktion fordert daher die Verwaltung auf, neben den Zeichnungen auch die dreidimensionalen Modelle der prämierten Entwürfe auszustellen, ohne die eine sachgerechte Entscheidung des Stadtrats, der in Kürze über das Projekt abstimmen soll, nicht möglich ist. Diese 3D-Modelle sind für das Verständnis der Bebauung an der Ludwigstraße sowie die Aufstockungen der anliegenden Pavillons von entscheidender Bedeutung und für eine Beurteilung der geplanten Architektur notwendig. Außerdem sollten die Wettbewerbsergebnisse über einen längeren Zeitraum als nur zwei Wochen der Öffentlichkeit präsentiert werden.

„Klimawandel und Ressourcenknappheit sind limitierende und katalysierende Faktoren für die Entfaltung von Trends“, so zu lesen in der Publikation „Anregungen für das Weiterdenken zur Stadt von Übermorgen“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vom November 2019. „Das Papier plädiert für einen öffentlichen und offenen Diskurs für gesellschaftliche Zielvorstellungen, ähnlich denen der Ludwigsstraßen-Foren. Leider fielen die wesentlichen Beschlüsse aus diesen Foren der Geschäftsidee des Investors zum Opfer“, stellt Pannhorst fest.

Unter dem nicht mehr abzustreitenden Klimanotstand und der Aufheizung der Innenstadt ist das den Wettbewerbsentwürfen zugrundeliegende Konzept nicht zeitgemäß, stellt die ÖDP fest. Das in bunten Bildern beworbene Funktionskonzept, ein Mix aus Kultur, Handel und Erlebnis in einer großräumigen Glashalle mit Showtreppe verschleiert den Blick auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen, wie Klimawandel, Konjunktureinbruch, Digitalisierung und Verdrängung ansässiger Betriebe. „Ein Hotel mit ca. 150 Betten in 1A Lage gefährdet bestehende Betriebe, die gerade unter der Corona-Krise ums nackte Überleben kämpfen“, so Stadtratsmitglied Dagmar-Wolf-Rammensee. „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und deswegen ist ein grundsätzliches Umdenken auch für die Gestaltung unserer Stadt notwendig: „Weniger ist Mehr“ und „Qualität zahlt sich aus“. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg eines Bauprojektes sollte auch das Gemeinwohl im Interesse aller Bürger und Bürgerinnen in die Entscheidung einbezogen werden“, betont Wolf-Rammensee, die auch Sprecherin für Einzelhandel und Wirtschaft der ÖDP-Fraktion ist.

Die Corona-Krise stellt einen Brandbeschleuniger für den Einzelhandel, die Gastronomie und die Hotellerie dar. Im Zuge dieser veränderten Situation benötigen wir mehr denn je ein umfassendes Zukunftskonzept für die Innenstadt. Das sollte nicht vordergründig die bestmögliche wirtschaftliche Verwertbarkeit, sondern die sozialen und ökologischen Belange, die Zukunftsfähigkeit lokalen Handels, sowie die Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten in den Mittelpunkt stellen.

2 responses to “ÖDP bezweifelt die Zukunftsfähigkeit des Ludwigsstraßen-Konzepts

  1. Zurzeit werden im Schaufenster des Deutsche Bank-Pavillons auf der Ludwigsstraße die Wettbewerbsentwürfe für den Neubau des geplanten Einkaufszentrums ausgestellt. In der AZ vom 18. Mai 2020 waren die vorgelegten Entwürfe gelobt worden: Ein „vielfältiges Ensemble auf hohem, architektonischem Niveau“, oder: „Ein sehr differenziertes Fassadenbild“.
    Ich habe mir die Entwürfe mit hohen Erwartungen angesehen, war dann aber sehr ernüchtert: Die bisherige höhen-strukturierten Pavillons werden in allen gezeigten Entwürfen durch mehrere Betonblöcke ersetzt; diese haben mehrere Reihen mit hohen, bis zum Geschoßboden Boden reichende Langfenstern, wie man sie heutzutage überall, aber wirklich überall sieht. Der von vielen gewünschte Domblick ist nur von der vorderen Präsenzgasse und nur von dort zu erkennen – nein, nicht ganz: auch vom Dachrestaurant ist ein Blick auf den Domturm möglich. Die in den früheren Präsentationen viel gelobte Fassadenbegrünung gibt es nur für einen Teil der Hotelfassade.
    Und ob alle Platanen auf der Ludwigsstraße erhalten bleiben, das bleibt sehr fraglich.
    Und für diese Betonklötze soll die bisherige, vor Jahren preis-gekrönte Bebauung abgerissen werden?

    1. Man muss in diese Entwürfe schon detailliert einsteigen, um die darin verborgenen Gurken und Kröten zu erkennen. Mit ein wenig „gefällt mir nicht“ ist das nicht getan. Wie beim Wettbewerb zum Gutenbergmuseum läuft die Beurteilung bislang ausschließlich über die süffig gerenderten Perspektiven, die explizit ein Werkzeug der Blendung sind. Das bringt man Architekturstudenten so bei uns hat sich zu einem eigenen Genre der Darstellung entwickelt. Die Musik spielt in den Schnittzeichnungen und Grundrissen, die Laien nicht lesen können – schon gar nicht unkommentiert im Schaufenster des Deutsche Bank Pavillons. Gravierend ist das Fehlen des Eindrucks am Modell, und zwar vergleichend im Foto zwischen den Lösungen. Wieso die dort nicht auch – wenigstens als Fotis – ausgestellt sind, mag verstehen wer will. Das Salz in der Suppe sind aber die Protokolle des Preisgerichts, auf die eine Öffentlichkeit Anspruch hat. Leider haben solche unbeholfenen Kommunikationen in Mainz eine gewisse Tradition.
      Emil HÄDLER

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