Text: Sophia Weis
Fotos: Daniel Rettig
In einem sind sich alle Türsteher einig: Ein zu hoher Alkoholpegel ist der Hauptgrund, einen Gast nicht in den Club zu lassen. „Wenn ich merke, dass jemand nicht mehr klar denken kann, kommt er hier nicht rein, auch wenn das manchmal zu einer heftigen Diskussion vor der Tür führt“, sagt Patrick, Türsteher im Kumi Klub und fügt hinzu: „Ich hab lieber ein bisschen mehr Stress vor dem Club, als dass mir derjenige drinnen Ärger macht.“ So mancher Besucher, der sich abends daneben benimmt, findet am nächsten Tag reumütig den Weg zurück und entschuldigt sich für sein Verhalten. „Im Idealfall kann man dann auch mal gemeinsam darüber lachen“, meint Andreas, Hüter der Tür im Red Cat.
Früher war der Beruf Türsteher verschrien als 1-Euro-Job, den jeder, der ein paar Muckis und einen Gewerbeschein hatte, ausführen konnte. Heute ist der Zugang nicht mehr so leicht. Anwärter auf eine Anstellung bei einer Sicherheitsfirma müssen ein 80-stündiges Seminar bei der IHK ablegen. Hier werden rechtliche Rahmenbedingungen, Sicherheitstechnik und Unfallverhütung gebüffelt, aber auch der richtige Umgang mit Menschen und das Verhalten in Gefahrensituationen. Am Ende des Seminars wird eine kostenpflichtige Sachkundeprüfung abgelegt, eine Art Führerschein für Türsteher. Und der ist wichtig, denn nur wer seinen Kompetenzbereich genau kennt, kann in brenzligen Situationen eingreifen, ohne mit einer Anzeige rechnen zu müssen. Das hilft nicht nur im Umgang mit den Gästen, sondern auch mit den Kollegen, da jeder seine Grenzen kennt. Loyalität unter Türstehern ist allen sehr wichtig: „Haut einer ab, wenn es gefährlich wird, ist das ein No Go“, sagt Alex vom Red Cat. Außerdem sollte jede von einem Türsteher getroffene Entscheidung von den anderen akzeptiert und unterstützt werden. „Man darf sich unter keinen Umständen gegenseitig in den Rücken fallen, sonst verliert der Gast den Respekt vor einem“ meint Peter, Türsteher in Ullis Nachtschicht.
Ullis Nachtschicht
Peter hat ein besonders hartes Arbeitspensum: Werktags ist er Steuerberater, des Nachts stehr er an der Tür der Nachtschicht. Viel auszumachen scheint ihm das nicht, im Gegenteil, er hat sichtlich Spaß an seiner Arbeit. Auch im KUZ und im Red Cat war er schon Türsteher, insgesamt übt er den Beruf seit 16 Jahren aus. Besonders lieb sind ihm Gäste, die offen sind und gern neue Leute kennenlernen. Da die Nachtschicht eher zu den Clubs gehört, die man zu späterer Stunde betritt, sind die Besucher hier nur selten nüchtern, wenn sie an Peter und seinen zwei Kollegen vorbei müssen. „Wenn sie sich benehmen können, ist das aber kein Problem“, grinst er. Nur Jogginghosen sollte man nicht anhaben, wenn man in der Nachtschicht auf Einlass hofft. Die meisten Unstimmigkeiten gibt es nach Peters Aussage mit größeren Männerhorden, die unbedingt noch Frauen kennenlernen möchten und dann meistens etwas über das Ziel hinausschießen. Zur Eskalation kommt es hier aber so gut wie nie, denn der Club ist sehr klein und die Türsteher haben einen guten Überblick über mögliche Unruhestifter. Auch das Team besteht nur aus wenigen Leuten, die sich alle schon lange kennen. Deshalb herrscht unter den Mitarbeitern ein sehr gutes, fast schon familiäres Verhältnis: „Wir trinken gern mal ein Sektchen zusammen“, schmunzelt Peter und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Trotzdem wäre ich lieber DJ geworden, die kriegen die hübschen Mädchen und müssen später nicht mehr aufräumen.“ Lange wird er nicht mehr als Türsteher arbeiten, in zwei bis drei Jahren will er den Job an den Nagel hängen. Das habe aber nur etwas mit seinem Alter zu tun, nicht mit der Tätigkeit an sich.
Schon Schön
Vor dem erst vor kurzem eröffneten Schon Schön stehen zwei besonders sympathische Türsteher. Beziehungsweise ein Türsteher und eine Türsteherin: Sülo und Janine haben hier das Sagen. Die beiden sind nicht nur beruflich ein gutes Team, sondern auch privat ein Paar. Und Janine steht ihrem Freund in nichts nach: Die hübsche 27-Jährige ist Kick-Boxerin und hat es schon bis zum World Cup geschafft. Dadurch bekam sie auch die entsprechenden Kontakte in die Szene und steht mittlerweile bereits seit neun Jahren an der Tür. Ganz ‚nebenbei‘ ist sie außerdem Diplom-Wirtschaftsingenieurin. Auch Sülo kam über den Kampfsport zum Türstehen und kann auf eine lange Laufbahn in diesem Beruf zurückblicken. Angefangen hat er vor 18 Jahren in Berlin, arbeitete dort im Metropol und im 90 Grad, später dann ging er nach Hamburg und Frankfurt und stand an der Tür verschiedener Clubs und Gaststätten. Seit sechs Jahren ist er Türsteher in den wechselnden Clubs der Großen Bleiche 60 in Mainz. Zuletzt residierte hier das zero und seit letztem Herbst das Schon Schön. Janine und Sülo arbeiten gern in der jetzigen Location, denn sie genießen das volle Vertrauen des Besitzers Norbert Schön und auch das Publikum empfinden sie als angenehm. „Was aber gar nicht geht sind unfreundliche oder sturzbetrunkene Leute. Die werden sehr schnell aggressiv und lassen den notwendigen Respekt vermissen“, sagt Sülo. Außerdem hat er durch seine Zeit in Berlin ein gutes Auge für Leute, die Drogen konsumieren. Auch die haben keine Chance auf Einlass. Ansonsten gibt es aber keine Einschränkungen, solange potentielle Gäste zum Publikum im Club passen. „Ein freundliches Miteinander ist wichtig, dann gibt es auch keine Probleme an uns vorbei zu kommen“, so der gelernte Kfz-Mechaniker. Im Gegensatz zu seiner Freundin hat er nach wie vor noch großen Spaß am Weggehen. Janine hingegen kann beim Party machen nur schwer abschalten. Die Türsteherin in ihr ist immer dabei und hat ein wachsames Auge auf die Leute um sie herum. „Das kann ganz schön anstrengend sein, für mich, aber auch für meine Mitmenschen“, lacht sie.
Kumi Klub
Rein optisch kommt Patrick dem gängigen Türsteher-Klischee sehr nahe: Er ist kräftig gebaut, hat eine Glatze und Tätowierungen. Trotz 15 Jahren Berufserfahrung wirkt er aber nicht abgeklärt, sondern macht sich Gedanken um das Weggeh-Verhalten so mancher Gäste: „Das Publikum hat sich verändert. In den letzten Jahren gibt es weniger Berührungspunkte mit den jungen Leuten als früher. Vielleicht liegt das aber auch an meinem Alter“, lacht der 35-jährige. Bedenklich findet er die steigende Gewalt unter Frauen. „Überhaupt ist der Umgang miteinander aggressiver geworden und es wird viel mehr harter Alkohol konsumiert, häufig bis gar nichts mehr geht.“ Angefangen hat Patrick auf Abi-Partys und Veranstaltungen an der Uni und FH. Den Einstieg fand er über seinen damaligen Wing Tsun-Trainer, dieser hatte eine Sicherheitsfirma und vermittelte ihm erste Jobs. Auch im Citrus und im Schick & Schön stand er schon an der Tür. Seit drei Jahren ist er im Kumi Klub angestellt. Bei der Einlasskontrolle entscheidet er ganz nach seinem Bauchgefühl, das ihn nach der langen Zeit nur selten trügt und achtet besonders darauf, dass Besucher nicht schon bei Betreten der Diskothek betrunken sind. Eine Kleiderordnung gibt es laut Patrick im Kumi Klub nicht, das Publikum muss zueinander passen und die Sicherheit der Gäste darf nicht gefährdet werden. Für ihn ist Türsteher ein Beruf wie jeder andere und trotz mancher negativer Aspekte macht er ihn gern, besonders wenn die Leute gut drauf sind: „Es ist ein bisschen wie eine Sucht, man kommt nur schwer davon los.“ Privat ist Patrick nur selten im Nachtleben unterwegs. Lieber geht er mit seiner Freundin schön essen oder ins Kino.
Red Cat
Andreas und Alex sind beide Anfang 30 und seit über zehn Jahren im Sicherheitsgewerbe. Etwa die Hälfte dieser Zeit sind sie Türsteher in einem der beliebtesten Mainzer Clubs, dem Red Cat. Gemeinsam mit Mostafa, dem dritten Türsteher der ‚Katze‘ haben sie damals im KUZ angefangen und sind heute ein eingespieltes Team. Vieles haben sie schon erlebt: „Mit den skurrilen Geschichten, die man als Türsteher mitbekommt, könnte man ein ganzes Buch füllen“, sagt Andreas, der Größte im Bunde. Die Erfahrung im Umgang mit Menschen können beide gut gebrauchen, denn sie wollen später Lehrer werden. Alex studiert Englisch und Sport auf Lehramt, Andreas Theologie und Sport. Zu ihrem etwas ungewöhnlichem Nebenjob kamen sie eher durch Zufall: „Ein ehemaliger Kollege fragte mich nach einem Seminar, ob ich nicht Lust hätte, die Arbeit als Türsteher auszuprobieren“, erinnert sich Alex. Das tat er, es gefiel ihm und bis heute ist er dabei geblieben. Bei Andreas war es ähnlich, auch er wurde angesprochen: „Bei meiner Statur lag das nahe“, grinst er. Besonders hart findet er das Pendeln zwischen dem Leben als Student und der gelegentlichen Nachtarbeit. Das Hauptproblem im Red Cat kennen viele Mainzer Partygänger gut: Aufgrund der zahlreichen Anwohner muss man während des Anstehens besonders leise sein. „Dadurch treten bei uns die häufigsten Probleme auf, denn wir müssen die Leute immer wieder ermahnen oder im Härtefall sogar nach Hause schicken“ sagt Alex. Im Falle einer Diskussion versuchen er und seine Kollegen ruhig und höflich zu bleiben und das Gegenüber stets ernst zu nehmen. Das studentische Publikum im Red Cat sei aber recht friedlich, weshalb auch keine allzu strengen Einlasskontrollen notwendig sind. „Die Leute müssen einfach zusammenpassen, damit gute Stimmung aufkommt“, sind sich beide einig. „Alles andere wird je nach Situation entschieden. Ein Patentrezept zum Reinkommen gibt es nicht“, so Andreas. Klamottentechnisch ist bis auf Jogginghosen alles erlaubt und wenn sich ein Gast dann noch an die Lautstärkeregelung vor dem Club hält, hat er gute Chancen einen schönen Abend im Red Cat zu verbringen.
50 Grad
Schon vor der Eröffnung seines heutigen Arbeitsplatzes hatte Türsteher Serjan mit den beiden Geschäftsführern des 50 Grad einige Partys in Mainz und Umgebung organisiert und war dort für die Sicherheit verantwortlich. „Das meiste waren Einzelveranstaltungen, denn eine richtige Clubszene gab es damals Ende der Neunziger in Mainz noch nicht“ erzählt er. Als sich seine Chefs dann 2001 den Traum vom eigenen Club erfüllten – alle drei waren damals Anfang 20 – ließ sich Serjan nicht zweimal bitten und steht seitdem im 50 Grad an der Tür. Das gute Verhältnis zur Geschäftsführung betont er immer wieder, schließlich kennt man sich schon über zehn Jahre. Serjan arbeitet außerdem noch im Cubique in Wiesbaden, dem anderen Club der 50 Grad Inhaber. Er ist also Vollzeit-Türsteher. Die Leidenschaft für seinen Beruf merkt man ihm an: „Ich bin ein Nachtmensch und habe mich total an den Rhythmus gewöhnt. Außerdem liebe ich die Musik, die Menschen und Bewegung um mich herum“, so der 32-jährige. Schon sein Vater hat früher in den Räumlichkeiten des 50 Grad getanzt, damals hieß der Club noch Evergreen oder im Volksmund auch, Club der verlorenen Herzen‘: „Als mein Vater nach Mainz zog, sagte man ihm, dass es dort die schönsten Frauen in der ganzen Region gäbe. Also ging er oft ins Evergreen tanzen“, lacht Serjan. Fast 30 Jahre später hat sein Sohn viel Spaß an der Arbeit hier. Amüsant findet er die Veränderung der Gäste im Laufe eines Abends. Wie so oft spielt dabei natürlich der Alkohol die entscheidende Rolle. „Wenn es mal Stress gibt, versuche ich die Diskussion im Rahmen zu halten. Man muss sich auf eine Situation einstellen können, es gibt keine Formel.“ Wer sich benehmen kann, hat gute Chancen ins 50 Grad zu kommen. Nicht gern gesehen sind zu legere Schuhe, wie zum Beispiel Flip Flops. Auch ein zu hoher Männeranteil wird manchmal über ein Einlassstop für Männer reguliert. Als No Go unter Kollegen bezeichnet Serjan das Anbaggern von Frauen während der Arbeitszeit: „Man muss Privates und Berufliches trennen.“ Und geht er gern privat weg? „Etwa zweimal im Monat fahre ich mit Freunden nach Frankfurt und mache dort Party, etwas weiter weg von meinem beruflichen Alltag.“
Alexander The Great (ATG)
„So einen richtig festen Türsteher haben wir nicht“ sagt Sweaty, Inhaber des Alexander The Great. „Wenn es mal darauf ankommt, helfen alle Angestellten mit.“ Sein Team beschreibt er als große Familie, in der man sich aufeinander verlassen kann. In der Rockerkneipe mit dazugehörigem Club im Gewölbekeller ist zunächst jeder willkommen. Nur bei dem Versuch eigene Getränke oder gar Drogen in den Laden zu schmuggeln hört der Spaß auf. Auch rechtsradikale Äußerungen sind für den 45-jährigen ein No Go. Schlägereien gibt es trotz des bunten Publikums aber so gut wie nie. Vor neun Jahren hat Sweaty das ATG übernommen und auch die Kneipe Good Time ein paar Häuser weiter gehört ihm. „In all der Zeit mussten wir insgesamt nur sechs Mal die Polizei rufen“, verkündet er nicht ohne Stolz. Das führt er vor allem auf den freundlichen Umgang seines Personals mit den Gästen zurück: „Leute, die an der Tür arbeiten, brauchen nicht nur Muskeln, sondern vor allem was im Kopf und viel Geduld. Schließlich müssen sie häufig mit Betrunkenen umgehen und einem Besucher unter Umständen zwanzig Mal erklären, warum er heute Abend nicht mehr reinkommt.“ Dabei sei gegenseitiger Respekt ganz wichtig. Diese Einstellung schätzen die zahlreichen Stammgäste des Alex-ander The Great, unter denen vom Punk bis zum Intellektuellen alles zu finden ist. Sweaty liebt seinen Job. Die Musik und das Klientel im ATG sind genau nach seinem Geschmack und so fühlt er sich auch privat in seinen eigenen Läden am wohlsten: „Deshalb bin ich eigentlich immer hier.“ Nur für seine Freundin ist das manchmal etwas schwierig, aber die sei zum Glück sehr verständnisvoll, schmunzelt er.